Gerwald Herter: Versprechen, die im Wahlkampf noch leicht fallen, können bei Koalitionsverhandlungen dann zum Hindernis werden. Hören Sie sich mal an, was uns FDP-Politiker im Wahlkampf versprochen hatten und welche Kröten sie jetzt wo möglich schlucken müssen.
"Natürlich wird es Punkte geben, die die schwarz-gelbe Koalition auch von der schwarz-roten Koalition übernehmen wird."
"Wir werden einen Koalitionsvertrag nur unterzeichnen, wenn darin ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem vereinbart worden ist."
"Es geht um Richtungsentscheidungen!"
"Es muss natürlich auf der Ausgabenseite auch gebremst werden."
"Wir sind strikt dagegen, dass das Bundeskriminalamt im Internet gewissermaßen zu einer Zensurbehörde ausgebaut wird, ohne dass es dafür irgendeine rechtsstaatliche Kontrolle geben kann."
"Und wir kritisieren diese pauschale Verdächtigung vieler Bürger."
"Und deshalb fordern wir, in unserem Europa- genauso wie in unserem Bundestagswahlprogramm, Volksentscheide in Europa."
"Wir wollen in der Bundesregierung dafür sorgen, dass Deutschland in den nächsten vier Jahren atomwaffenfrei wird."
"Die Union will diese planwirtschaftliche Gesundheitspolitik fortsetzen, wir wollen sie beenden."
"Wir wollen den Gesundheitsfonds abschaffen. Wir halten es für falsch, zwölf Milliarden Euro der Steuerzahler in ein bürokratisches Monstrum zu stecken."
"Wir wollen deswegen wieder die Beitragsautonomie für die Krankenkassen. Wir wollen eine Entkoppelung der Lohnzusatzkosten von den Arbeitskosten."
Herter: Ich bin nun mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister von Niedersachsen, Philipp Rösler, verbunden. Dieser Tage ist er häufig in Berlin, weil er sich dort an den Koalitionsverhandlungen für die FDP beteiligt. Guten Morgen, Herr Rösler.
Philipp Rösler: Moin und hallo!
Herter: Herr Rösler, wäre es Ihnen lieber gewesen, Ihre Parteifreunde hätten sich im Wahlkampf nicht so festgelegt, wie wir das gerade wieder gehört haben?
Rösler: Nein, überhaupt nicht. Man muss ja auch vor der Wahl die Dinge ankündigen, die man nach der Wahl vor hat. Insofern ist das vollkommen richtig. Ich dachte eben nur, Sie würden mich jetzt fragen, wer denn nun welches Zitat an welcher Stelle gesagt hat, aber das ist ja zum Glück nicht der Fall.
Herter: Nein, ein Quiz machen wir nicht. Es bleibt also bei Ihrer Forderung, der Gesundheitsfonds muss weg?
Rösler: Ja. Wir sind uns übrigens auch mit dem Koalitionspartner darin einig, dass wir langfristig ein stabiles Gesundheitssystem brauchen, das nicht alle drei Jahre reformiert werden muss und das auch den Menschen sichern kann und zusichern kann, dass die Gelder, die dort hineingegeben werden, am Ende den Menschen auch für Vorsorge und Versorgung zur Verfügung stehen, und das kann aus unserer übrigens auch gemeinsamer Sicht eben keine Einheitskasse sein. Insofern sind wir da auch gar nicht so weit voneinander entfernt.
Herter: Kommt es auf den Namen an, den man dann diesem Gesundheitsfonds gibt? Die Kanzlerin hat ja gesagt, Gesundheitsfonds bleibt, muss aber weiterentwickelt werden. Geht es also nur um Formulierungskompromisse?
Rösler: Nein, das ist nicht nur eine Frage des Namens - der Name ist dabei völlig unerheblich -, sondern entscheidend ist, was im Ergebnis für ein System dabei herauskommen kann und wie man dahin kommt. Ich glaube, dazu werden wir auch Wege finden. Aber entscheidend ist das, was wir immer gesagt haben: Wir brauchen einfach mehr Beitragsautonomie, damit die Versicherungsunternehmen auf ihrem Weg zu einer Gesundheitsversicherung das beste für ihre Versicherten herausholen können, und das geht nicht durch eine einheitliche Festlegung, sondern da braucht man mehr Spielraum im Sinne eines fairen Wettbewerbes, auch im Bereich der Krankenversicherungsunternehmen.
Herter: Wettbewerb und freie Marktwirtschaft dann auch für die Versicherten. Wenn man in einer Privatversicherung ist, soll man dann auch wieder schnell rausgehen können und umgekehrt?
Rösler: So einfach ist es ja nicht, sondern es geht vor allem darum, wenn man zum Beispiel in einer privaten Krankenversicherung drin ist - und das ist ja eine aktuelle Diskussion - und man kommt dann unter die Versicherungspflichtgrenze, dann muss man ja wieder zurück in die gesetzliche Krankenversicherung. Wenn man dann aber wieder drüber kommt, zum Beispiel wenn man nur ein Jahr oder zwei Jahre in Elternzeit war, dann gibt es jetzt eine Wartezeit von drei Jahren. Das bedeutet, man muss drei Jahre lang warten, bis man überhaupt wieder in die private Krankenversicherung zurück kann. In der Zeit wird man älter, man muss, wenn man zurück kann, höhere Beiträge und Prämien bezahlen. Das halten wir für falsch und deswegen ist es richtig, wenn wir gemeinsam vereinbaren, diese Wartezeit wieder auf das ursprüngliche eine Jahr zurückzureduzieren.
Herter: Wollen Sie die privaten Kassen stärken, um die gesetzlichen Krankenkassen zu schwächen? Der DGB-Chef Sommer warnt heute davor.
Rösler: Es geht überhaupt nicht um ein Gegeneinander von gesetzlicher Krankenversicherung und privater Krankenversicherung, sondern es geht gerade an diesem Beispiel um den jeweils Betroffenen, denn es sind häufig Frauen, die wie gesagt aufgrund der Erziehungszeiten, der Elternzeiten eben jetzt aus der privaten Krankenversicherung herausfallen, und die drei Jahre sind einfach unverantwortlich, dann die Menschen drei Jahre warten zu lassen. Da ist ein Jahr, glaube ich, genau der richtige Weg. Die gesetzliche Krankenversicherung versichert über 90 Prozent der Menschen in Deutschland. Ich glaube, da wird es kein Gegeneinander von PKV und GKV geben dürfen.
Herter: Wenn Sie sich so einig sind mit der Union, wie Sie das gerade gesagt haben, warum konnten die Verhandlungen der Arbeitsgruppe dann denn nicht abgeschlossen werden und warum mussten die Parteivorsitzenden über diesen Punkt beraten?
Rösler: Bisher war es so, dass zwar die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse vorgelegt haben. Wir sind in der Tat dort nicht einig geworden und dann haben die Arbeitsgruppenvorsitzenden gemeinsam mit den Parteivorsitzenden weiter diskutiert. Es geht im Kern um die Frage, wo wir am Ende bei herauskommen wollen, also was soll am Ende eines Reformprozesses stehen. Da sind wir noch ein bisschen voneinander entfernt, aber wie gesagt: Die großen Ziele, dass wir ein Gesundheitssystem brauchen, in dem jeder den Zugang unabhängig von Einkommen, Alter, sozialer Herkunft und gesundheitlichen Vorerkrankungen zu hochwertigen medizinischen Leistungen haben soll, in diesen Zielen sind wir uns einig und die Leistungen müssen wohnortnah erbracht werden und übrigens auch ohne lange Wartezeiten.
Herter: Und noch mal: Sie sind sich auch mit der Union darin einig, dass der Gesundheitsfonds abgeschafft werden soll?
Rösler: Die Formulierung darüber wird man noch diskutieren müssen. Aber wenn das Ergebnis am Ende steht, ich glaube, dann sind wir ein großes Stückchen weiter und dann wird man auch sehr schnell sich einig werden können, wie wir von dem Stand heute zu unserem optimalen System morgen hinkommen können.
Herter: Herr Rösler, es gab ja vor Beginn der Verhandlungen unterschiedliche Betonungen der Schnelligkeit und der Gründlichkeit. Nun hat man sich gestern darauf geeinigt, dass in einer Woche die Verhandlungen abgeschlossen sein sollen. Geht jetzt Schnelligkeit vor Gründlichkeit?
Rösler: Nein, das überhaupt nicht. Wir haben deutlich gemacht, dass wir in dieser Woche ja noch weiter verhandeln werden, und wir werden, davon gehen wir aus, zu einem guten Ergebnis kommen. Da ist man optimistisch. Schließlich sind wir gewählt, nicht um ständig Koalitionsverhandlungen zu führen, sondern um ein Land zu führen, und genau dazu sind CDU/CSU und FDP bereit, aber dazu braucht es mindestens diese Woche eben noch, um das entsprechend auch schriftlich zu fixieren.
Herter: Sie sagen "mindestens diese Woche". Die beiden Generalsekretäre haben gestern gesagt, okay, Ende der Woche muss Schluss sein. Sie sagen, notfalls kann es länger dauern?
Rösler: Es dauert so lange, so lange es dauert. Aber wie gesagt: Da ist kein Zeitdruck da. Wir haben ja noch genügend Termine in dieser Woche. Wir haben eine große gemeinsame Geisteshaltung, dass wir dieses Land voranbringen wollen. Ich bin sicher, dass wir das auch in dieser Woche schaffen werden.
Herter: Sie kennen Herrn Westerwelle, den Parteichef der FDP, natürlich sehr gut. Sie kennen aber auch Herrn Wulff sehr gut, den Ministerpräsidenten von Niedersachsen. Diese beiden Herren sollen ja am Samstag während der Verhandlungen aneinander geraten sein. Stimmt denn das?
Rösler: Das habe ich auch gelesen, aber da ich ja nun selber mit dabei gewesen bin, will ich das mal etwas gelassener sehen wollen. Wir haben unterschiedliche Positionen, und zwar nicht nur die einzelnen Personen, sondern die gesamten Parteien, insbesondere die CDU auf der einen Seite, die eher vorsichtiger ist bei den Steuersenkungszielen, und auf der anderen Seite FDP, aber auch CSU, die sagen, wir brauchen heute Steuersenkungen, um Wachstum zu ermöglichen.
Herter: Mit wem halten Sie es denn? Sollen wir einen Blindflug hinlegen, oder sollen wir das Versprechen der FDP einlösen, Steuergeschenke machen, oder ein Defizit in Kauf nehmen?
Rösler: Steuergeschenke gibt es in der Form gar nicht, denn der Staat verschenkt ja nicht das Geld an irgendjemand anders, sondern er hat das Geld von den Menschen, die eigentlich einen Anspruch darauf haben, lieber selber damit richtig und vernünftig umgehen zu können. Also sagen wir es noch mal: Steuersenkungen sind der beste Weg zu Wachstum und Beschäftigung. Das galt vor der Wahl, das gilt für uns, für die FDP, auch nach der Wahl. Und das ist nur möglich durch ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem, denn das komplizierteste System neben dem deutschen Gesundheitssystem ist unbestritten das deutsche Steuersystem.
Herter: Ein Einstieg dürfte das sein, worauf man sich da einigen kann: massive Steuerentlastungen sofort. Würden Sie die auch ausschließen, angesichts der Haushaltslage?
Rösler: Das wird jetzt erst mal die nächste Woche zeigen. Wir sind genau darüber ja in den Verhandlungen. Ziel ist es wie gesagt, dieses komplizierte System radikal zu vereinfachen und die Menschen finanziell zu entlasten, denn die wissen immer noch am besten selber, wofür sie ihr Geld ausgeben wollen und wofür nicht. Dafür brauchen sie nicht den Staat, der sie an dieser Stelle bisher bevormundet hat.
Herter: Bestellte Medikamente - kommen wir noch mal zurück zur Gesundheitspolitik - sollen künftig weder in Drogerien, noch in anderen Geschäften abgeholt werden. Das ist einer der Kompromisse, der bekannt geworden ist aus der Arbeitsgruppe Gesundheit. Steht dieser Kompromiss so, dieses Verbot also, in Drogerien und anderen Geschäften Medikamente zu verkaufen?
Rösler: Beide, Union wie FDP, stehen gegen einen Mehrbesitz und gegen auch Fremdbesitz. Also haben wir eine Fortschreibung von Fremdbesitz- und Mehrbesitzverbot festgelegt. Wir wollen auch den Internet-Versandhandel von Medikamenten, aber es gibt einen Unterschied zwischen, ich sage mal, Fernsehen und Medikamenten. Da gibt es einen höheren Verantwortungsbedarf und deswegen wollen wir sogenannte "Pick up"-Stellen, wo man einfach irgendwas hinschicken lassen kann, um es dann irgendwann eines Tages rauszuholen, verbieten. Das halten wir für falsch. Am Ende gilt immer auch: hier muss man besonders sorgfältig sein. Es geht um Medikamente und da brauchen wir eben etwas mehr Sorgfaltspflicht als wie gesagt bei Flachbildschirmen. Deswegen ist es richtig, dass wir gemeinsam diese "Pick up"-Stellen verbieten wollen.
Herter: Das liegt nicht etwa daran, dass so viele Apotheker Ihre Partei oder die Union wählen?
Rösler: Das hat damit, glaube ich, wirklich nichts zu tun - die wollen ja auch nicht zwangsläufig den Versand hemmen -, sondern es geht in der Sache wirklich darum, dass man die Freiheit auf der einen Seite niemals ohne Verantwortung auf der anderen Seite haben kann, und die Freiheit im Internet-Medikamentenversandhandel gibt es nicht ohne Verantwortung und deswegen kann man nicht beliebig wertvolle Medikamente und teilweise gefährliche Medikamente durch die Weltgeschichte schicken und irgendwo dann lagern lassen.
Herter: Die FDP und die Koalitionsverhandlungen. Das war der niedersächsische Wirtschaftsminister Philipp Rösler live im Deutschlandfunk. Herr Rösler, vielen Dank.
Rösler: Ich danke Ihnen auch. Tschüß!
Herter: Unsere Interviews können Sie auf der Website des Deutschlandfunk herunterladen und nochmals anhören unter www.dradio.de und unter www.Buergerinfo09.de können Sie die Äußerungen auch kommentieren.
"Natürlich wird es Punkte geben, die die schwarz-gelbe Koalition auch von der schwarz-roten Koalition übernehmen wird."
"Wir werden einen Koalitionsvertrag nur unterzeichnen, wenn darin ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem vereinbart worden ist."
"Es geht um Richtungsentscheidungen!"
"Es muss natürlich auf der Ausgabenseite auch gebremst werden."
"Wir sind strikt dagegen, dass das Bundeskriminalamt im Internet gewissermaßen zu einer Zensurbehörde ausgebaut wird, ohne dass es dafür irgendeine rechtsstaatliche Kontrolle geben kann."
"Und wir kritisieren diese pauschale Verdächtigung vieler Bürger."
"Und deshalb fordern wir, in unserem Europa- genauso wie in unserem Bundestagswahlprogramm, Volksentscheide in Europa."
"Wir wollen in der Bundesregierung dafür sorgen, dass Deutschland in den nächsten vier Jahren atomwaffenfrei wird."
"Die Union will diese planwirtschaftliche Gesundheitspolitik fortsetzen, wir wollen sie beenden."
"Wir wollen den Gesundheitsfonds abschaffen. Wir halten es für falsch, zwölf Milliarden Euro der Steuerzahler in ein bürokratisches Monstrum zu stecken."
"Wir wollen deswegen wieder die Beitragsautonomie für die Krankenkassen. Wir wollen eine Entkoppelung der Lohnzusatzkosten von den Arbeitskosten."
Herter: Ich bin nun mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister von Niedersachsen, Philipp Rösler, verbunden. Dieser Tage ist er häufig in Berlin, weil er sich dort an den Koalitionsverhandlungen für die FDP beteiligt. Guten Morgen, Herr Rösler.
Philipp Rösler: Moin und hallo!
Herter: Herr Rösler, wäre es Ihnen lieber gewesen, Ihre Parteifreunde hätten sich im Wahlkampf nicht so festgelegt, wie wir das gerade wieder gehört haben?
Rösler: Nein, überhaupt nicht. Man muss ja auch vor der Wahl die Dinge ankündigen, die man nach der Wahl vor hat. Insofern ist das vollkommen richtig. Ich dachte eben nur, Sie würden mich jetzt fragen, wer denn nun welches Zitat an welcher Stelle gesagt hat, aber das ist ja zum Glück nicht der Fall.
Herter: Nein, ein Quiz machen wir nicht. Es bleibt also bei Ihrer Forderung, der Gesundheitsfonds muss weg?
Rösler: Ja. Wir sind uns übrigens auch mit dem Koalitionspartner darin einig, dass wir langfristig ein stabiles Gesundheitssystem brauchen, das nicht alle drei Jahre reformiert werden muss und das auch den Menschen sichern kann und zusichern kann, dass die Gelder, die dort hineingegeben werden, am Ende den Menschen auch für Vorsorge und Versorgung zur Verfügung stehen, und das kann aus unserer übrigens auch gemeinsamer Sicht eben keine Einheitskasse sein. Insofern sind wir da auch gar nicht so weit voneinander entfernt.
Herter: Kommt es auf den Namen an, den man dann diesem Gesundheitsfonds gibt? Die Kanzlerin hat ja gesagt, Gesundheitsfonds bleibt, muss aber weiterentwickelt werden. Geht es also nur um Formulierungskompromisse?
Rösler: Nein, das ist nicht nur eine Frage des Namens - der Name ist dabei völlig unerheblich -, sondern entscheidend ist, was im Ergebnis für ein System dabei herauskommen kann und wie man dahin kommt. Ich glaube, dazu werden wir auch Wege finden. Aber entscheidend ist das, was wir immer gesagt haben: Wir brauchen einfach mehr Beitragsautonomie, damit die Versicherungsunternehmen auf ihrem Weg zu einer Gesundheitsversicherung das beste für ihre Versicherten herausholen können, und das geht nicht durch eine einheitliche Festlegung, sondern da braucht man mehr Spielraum im Sinne eines fairen Wettbewerbes, auch im Bereich der Krankenversicherungsunternehmen.
Herter: Wettbewerb und freie Marktwirtschaft dann auch für die Versicherten. Wenn man in einer Privatversicherung ist, soll man dann auch wieder schnell rausgehen können und umgekehrt?
Rösler: So einfach ist es ja nicht, sondern es geht vor allem darum, wenn man zum Beispiel in einer privaten Krankenversicherung drin ist - und das ist ja eine aktuelle Diskussion - und man kommt dann unter die Versicherungspflichtgrenze, dann muss man ja wieder zurück in die gesetzliche Krankenversicherung. Wenn man dann aber wieder drüber kommt, zum Beispiel wenn man nur ein Jahr oder zwei Jahre in Elternzeit war, dann gibt es jetzt eine Wartezeit von drei Jahren. Das bedeutet, man muss drei Jahre lang warten, bis man überhaupt wieder in die private Krankenversicherung zurück kann. In der Zeit wird man älter, man muss, wenn man zurück kann, höhere Beiträge und Prämien bezahlen. Das halten wir für falsch und deswegen ist es richtig, wenn wir gemeinsam vereinbaren, diese Wartezeit wieder auf das ursprüngliche eine Jahr zurückzureduzieren.
Herter: Wollen Sie die privaten Kassen stärken, um die gesetzlichen Krankenkassen zu schwächen? Der DGB-Chef Sommer warnt heute davor.
Rösler: Es geht überhaupt nicht um ein Gegeneinander von gesetzlicher Krankenversicherung und privater Krankenversicherung, sondern es geht gerade an diesem Beispiel um den jeweils Betroffenen, denn es sind häufig Frauen, die wie gesagt aufgrund der Erziehungszeiten, der Elternzeiten eben jetzt aus der privaten Krankenversicherung herausfallen, und die drei Jahre sind einfach unverantwortlich, dann die Menschen drei Jahre warten zu lassen. Da ist ein Jahr, glaube ich, genau der richtige Weg. Die gesetzliche Krankenversicherung versichert über 90 Prozent der Menschen in Deutschland. Ich glaube, da wird es kein Gegeneinander von PKV und GKV geben dürfen.
Herter: Wenn Sie sich so einig sind mit der Union, wie Sie das gerade gesagt haben, warum konnten die Verhandlungen der Arbeitsgruppe dann denn nicht abgeschlossen werden und warum mussten die Parteivorsitzenden über diesen Punkt beraten?
Rösler: Bisher war es so, dass zwar die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse vorgelegt haben. Wir sind in der Tat dort nicht einig geworden und dann haben die Arbeitsgruppenvorsitzenden gemeinsam mit den Parteivorsitzenden weiter diskutiert. Es geht im Kern um die Frage, wo wir am Ende bei herauskommen wollen, also was soll am Ende eines Reformprozesses stehen. Da sind wir noch ein bisschen voneinander entfernt, aber wie gesagt: Die großen Ziele, dass wir ein Gesundheitssystem brauchen, in dem jeder den Zugang unabhängig von Einkommen, Alter, sozialer Herkunft und gesundheitlichen Vorerkrankungen zu hochwertigen medizinischen Leistungen haben soll, in diesen Zielen sind wir uns einig und die Leistungen müssen wohnortnah erbracht werden und übrigens auch ohne lange Wartezeiten.
Herter: Und noch mal: Sie sind sich auch mit der Union darin einig, dass der Gesundheitsfonds abgeschafft werden soll?
Rösler: Die Formulierung darüber wird man noch diskutieren müssen. Aber wenn das Ergebnis am Ende steht, ich glaube, dann sind wir ein großes Stückchen weiter und dann wird man auch sehr schnell sich einig werden können, wie wir von dem Stand heute zu unserem optimalen System morgen hinkommen können.
Herter: Herr Rösler, es gab ja vor Beginn der Verhandlungen unterschiedliche Betonungen der Schnelligkeit und der Gründlichkeit. Nun hat man sich gestern darauf geeinigt, dass in einer Woche die Verhandlungen abgeschlossen sein sollen. Geht jetzt Schnelligkeit vor Gründlichkeit?
Rösler: Nein, das überhaupt nicht. Wir haben deutlich gemacht, dass wir in dieser Woche ja noch weiter verhandeln werden, und wir werden, davon gehen wir aus, zu einem guten Ergebnis kommen. Da ist man optimistisch. Schließlich sind wir gewählt, nicht um ständig Koalitionsverhandlungen zu führen, sondern um ein Land zu führen, und genau dazu sind CDU/CSU und FDP bereit, aber dazu braucht es mindestens diese Woche eben noch, um das entsprechend auch schriftlich zu fixieren.
Herter: Sie sagen "mindestens diese Woche". Die beiden Generalsekretäre haben gestern gesagt, okay, Ende der Woche muss Schluss sein. Sie sagen, notfalls kann es länger dauern?
Rösler: Es dauert so lange, so lange es dauert. Aber wie gesagt: Da ist kein Zeitdruck da. Wir haben ja noch genügend Termine in dieser Woche. Wir haben eine große gemeinsame Geisteshaltung, dass wir dieses Land voranbringen wollen. Ich bin sicher, dass wir das auch in dieser Woche schaffen werden.
Herter: Sie kennen Herrn Westerwelle, den Parteichef der FDP, natürlich sehr gut. Sie kennen aber auch Herrn Wulff sehr gut, den Ministerpräsidenten von Niedersachsen. Diese beiden Herren sollen ja am Samstag während der Verhandlungen aneinander geraten sein. Stimmt denn das?
Rösler: Das habe ich auch gelesen, aber da ich ja nun selber mit dabei gewesen bin, will ich das mal etwas gelassener sehen wollen. Wir haben unterschiedliche Positionen, und zwar nicht nur die einzelnen Personen, sondern die gesamten Parteien, insbesondere die CDU auf der einen Seite, die eher vorsichtiger ist bei den Steuersenkungszielen, und auf der anderen Seite FDP, aber auch CSU, die sagen, wir brauchen heute Steuersenkungen, um Wachstum zu ermöglichen.
Herter: Mit wem halten Sie es denn? Sollen wir einen Blindflug hinlegen, oder sollen wir das Versprechen der FDP einlösen, Steuergeschenke machen, oder ein Defizit in Kauf nehmen?
Rösler: Steuergeschenke gibt es in der Form gar nicht, denn der Staat verschenkt ja nicht das Geld an irgendjemand anders, sondern er hat das Geld von den Menschen, die eigentlich einen Anspruch darauf haben, lieber selber damit richtig und vernünftig umgehen zu können. Also sagen wir es noch mal: Steuersenkungen sind der beste Weg zu Wachstum und Beschäftigung. Das galt vor der Wahl, das gilt für uns, für die FDP, auch nach der Wahl. Und das ist nur möglich durch ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem, denn das komplizierteste System neben dem deutschen Gesundheitssystem ist unbestritten das deutsche Steuersystem.
Herter: Ein Einstieg dürfte das sein, worauf man sich da einigen kann: massive Steuerentlastungen sofort. Würden Sie die auch ausschließen, angesichts der Haushaltslage?
Rösler: Das wird jetzt erst mal die nächste Woche zeigen. Wir sind genau darüber ja in den Verhandlungen. Ziel ist es wie gesagt, dieses komplizierte System radikal zu vereinfachen und die Menschen finanziell zu entlasten, denn die wissen immer noch am besten selber, wofür sie ihr Geld ausgeben wollen und wofür nicht. Dafür brauchen sie nicht den Staat, der sie an dieser Stelle bisher bevormundet hat.
Herter: Bestellte Medikamente - kommen wir noch mal zurück zur Gesundheitspolitik - sollen künftig weder in Drogerien, noch in anderen Geschäften abgeholt werden. Das ist einer der Kompromisse, der bekannt geworden ist aus der Arbeitsgruppe Gesundheit. Steht dieser Kompromiss so, dieses Verbot also, in Drogerien und anderen Geschäften Medikamente zu verkaufen?
Rösler: Beide, Union wie FDP, stehen gegen einen Mehrbesitz und gegen auch Fremdbesitz. Also haben wir eine Fortschreibung von Fremdbesitz- und Mehrbesitzverbot festgelegt. Wir wollen auch den Internet-Versandhandel von Medikamenten, aber es gibt einen Unterschied zwischen, ich sage mal, Fernsehen und Medikamenten. Da gibt es einen höheren Verantwortungsbedarf und deswegen wollen wir sogenannte "Pick up"-Stellen, wo man einfach irgendwas hinschicken lassen kann, um es dann irgendwann eines Tages rauszuholen, verbieten. Das halten wir für falsch. Am Ende gilt immer auch: hier muss man besonders sorgfältig sein. Es geht um Medikamente und da brauchen wir eben etwas mehr Sorgfaltspflicht als wie gesagt bei Flachbildschirmen. Deswegen ist es richtig, dass wir gemeinsam diese "Pick up"-Stellen verbieten wollen.
Herter: Das liegt nicht etwa daran, dass so viele Apotheker Ihre Partei oder die Union wählen?
Rösler: Das hat damit, glaube ich, wirklich nichts zu tun - die wollen ja auch nicht zwangsläufig den Versand hemmen -, sondern es geht in der Sache wirklich darum, dass man die Freiheit auf der einen Seite niemals ohne Verantwortung auf der anderen Seite haben kann, und die Freiheit im Internet-Medikamentenversandhandel gibt es nicht ohne Verantwortung und deswegen kann man nicht beliebig wertvolle Medikamente und teilweise gefährliche Medikamente durch die Weltgeschichte schicken und irgendwo dann lagern lassen.
Herter: Die FDP und die Koalitionsverhandlungen. Das war der niedersächsische Wirtschaftsminister Philipp Rösler live im Deutschlandfunk. Herr Rösler, vielen Dank.
Rösler: Ich danke Ihnen auch. Tschüß!
Herter: Unsere Interviews können Sie auf der Website des Deutschlandfunk herunterladen und nochmals anhören unter www.dradio.de und unter www.Buergerinfo09.de können Sie die Äußerungen auch kommentieren.