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"Wir sind Volksvertreter und nicht Beamte"

In Anlehnung an den Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes will eine breite Mehrheit der Bundestagsabgeordneten eine Diätenerhöhung beschließen. Widerstand kommt aus der schleswig-holsteinischen SPD-Landesgruppe. Deren Sprecher Ernst Dieter Rossmann wünscht sich eine Diätensystematik, die sich auf breiter Grundlage an die allgemeine Einkommensentwicklung anlehnt.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Wenn Parlamentarier sich selbst mehr Geld genehmigen, ist das nie ein populäres Thema. Doch dieses Mal löst es besonders viel Kopfschütteln in der Öffentlichkeit aus, denn die Bezüge der Bundestagsabgeordneten waren gerade erst zum Jahreswechsel um 4,8 Prozent angehoben worden und sollten im nächsten Jahr um weitere knapp 4,5 Prozent steigen. Nun sollen nach dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst noch einmal 3,6 Prozent im kommenden Jahr und 2,7 Prozent im übernächsten Jahr dazukommen. Der Bundestag wird heute Mittag darüber beraten. ( MP3-Audio , Beitrag von Gudula Geuther)

    Am Telefon ist nun Ernst Dieter Rossmann. Er ist Bundestagsabgeordneter der SPD und Sprecher der schleswig-holsteinischen Landesgruppe. Guten Tag, Herr Rossmann!

    Ernst Dieter Rossmann: Schönen guten Tag!

    Engels: Ihre neunköpfige Landesgruppe will ja nun nicht der geplanten Diätenerhöhung zustimmen. Warum?

    Rossmann: Wir arbeiten als Abgeordnete hart. Wir werden sehr gut bezahlt. Wir haben im November ein klares Fundament dafür gelegt, und wir meinen, dass wir diesen zweiten Schritt jetzt nicht brauchen und er sich auch nicht verträgt mit den Grundsätzen, die wir seit Mai 2006 verfolgen, wo wir nämlich sagen, wir möchten nicht angekoppelt sein an Beamte, an Bundesrichter, weil wir als Volksvertreter für den Querschnitt der Bevölkerung, aller Berufstätigen stehen. Deshalb finden wir, ab 2010 muss man dort neu nachdenken, aber bis dahin sollte es bei dem bleiben, was wir jetzt haben.

    Engels: Um das zu vertiefen: Das ist ja die Argumentation der Fraktionsspitze der SPD, die ja die Zustimmung zur Diätenerhöhung damit begründet, dass diese Erhöhung eine Anpassung an den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst sei und eben Teil der Regelung, wonach die Parlamentariergehälter den Einkommen der Bundesrichter folgen sollen. Also für Sie keine schlüssige Argumentation?

    Rossmann: Nein, das ist okay und das ist ja auch aus einer Kommission vom Verfassungsgericht nahegelegt worden, dass wir einen Bezugspunkt haben müssen. Das mag kommunale Bürgermeister und Bundesrichter sein, aber der Bezugspunkt, wie sich dann die Abgeordnetendiäten in der allgemeinen Lohnentwicklung aller Beschäftigten weiterentwickeln, der sollte unseres Erachtens nicht nur an eine Berufsgruppe - und dann noch eine sehr enge - gebunden sein. Es gibt in Landesparlamenten Regelungen; da nimmt man die durchschnittliche Einkommensentwicklung der Berufstätigen. In Schleswig-Holstein nimmt man fünf Gruppen von Beschäftigten und Familienzusammenstellungen und ermittelt aus denen die Zuwachsraten. In Bayern ist das eine Automatik an die Einkommensentwicklung. Dieses sind Lösungen, bei denen die hohen Stahlabschlüsse, die die Arbeiter bei den Stahlwerken erreichen konnten, genauso eingehen wie die schwierige Lage der Kassenfrauen bei Aldi und anderswo. Und wenn wir Volksvertreter sind, dann müssen wir alles repräsentieren.

    Wir dürfen nicht so tun - auch von unserem Selbstverständnis her -, als ob wir quasi Beamte seien. Das sind wir nicht. Wir sind Volksvertreter, und wir vertreten alle Berufsgruppen. Das muss sich doch auch widerspiegeln in unserer Abgeordnetenentschädigung und den Zuwächsen. Es muss sich widerspiegeln in der Struktur der Altersversorgung. Dafür streiten wir als SPD-Gruppe aus Schleswig-Holstein seit zwei Jahren. Es hat auch im November schon Gegenstimmen gegeben, weil wir fanden, das ist ungenügend berücksichtig in dem damaligen Reformschritt. Und nun sagen wir, hier setzen wir ein Zeichen und wollen dem nicht zustimmen.

    Engels: Das heißt, die SPD-Fraktion macht einen Fehler, diesem Konzept zu folgen?

    Rossmann: Es ist nicht die Frage der SPD-Fraktion, sondern das ist die Frage, wie das gesamte Parlament sich dort mit definiert.

    Engels: Aber sie trägt es ja mit, gemeinsam mit der Union?

    Rossmann: Das ist einmal wichtig, wenn Sie die Union dort mit ansprechen. Es gibt Vorstellungen von anderen Fraktionen, die sich dann nur im Nein erschöpfen. Wir haben ja als SPD-Landesgruppe aus Schleswig-Holstein unsere konkreten Vorschläge auch frühzeitig mit eingebracht, haben auch manches mit bewegen können. Aber wir finden, dieser doppelte Schritt, der geht jetzt in eine falsche Richtung, gibt nicht die Orientierung wieder, die wir mit wollen, ist auch nicht vermittelbar.

    Engels: Was entgegnen Ihnen denn speziell Ihre SPD-Kollegen, wenn Sie mit diesem Vorschlag kommen? Kriegen Sie dafür vielleicht doch irgendwann eine Mehrheit, oder ist das völlig abwegig?

    Rossmann: Eine Resonanz haben wir durchaus gespürt auch in der Reform, wie sie die Fraktion dann entwickelt hat im November 2007. Aber das, was dort bei der Altersversorgung beschlossen worden ist, war uns damals schon nicht ausreichend. Vielleicht ist das auch bei uns härter ausgeprägt, weil wir eben sehen, dass es im Landtag anders geht. Und das sind auch gleichwertige Abgeordnete, die offensichtlich andere Anbindungen, ein anderes Grundverständnis haben. Manches wird aufgenommen, manches wird nur in Teilen aufgenommen, aber es ist insgesamt eine sehr sachlich engagierte Diskussion, weil es ja um eine Selbstbestimmung auch geht, bei der wir vielleicht in dieser Geschlossenheit in der Landesgruppe eine andere Grundlinie verfolgen. So muss man sich zusammenfinden. Wir erwarten, wir hoffen darauf, dass jetzt in den sitzungsfreien Wochen viele in sich gehen, das noch mal mit ihrer Basis besprechen, mit Bürgern besprechen. Vielleicht erfahren wir ja auch als Landesgruppe im Gespräch mit Bürgern, dass sie sagen, wir sind vollkommen auf dem falschen Dampfer. Dann müssen wir auch offen sein.

    Engels: Andererseits spricht ja vieles dafür, Herr Rossmann, dass am Ende die große Mehrheit der Parlamentarier getragen von der Großen Koalition eben dieser Erhöhung zustimmen wird. Sie werden also auch als Parlamentarier zwangsläufig mehr Geld bekommen. Profilieren Sie sich da auf Kosten Ihrer Parteifreunde, die sich unbeliebt machen?

    Rossmann: Das muss man ernst nehmen in der Sorgfalt, mit der man dabei umgeht. Deshalb gibt es jetzt ja auch nicht ein Schlechtmachen anderer Kollegen. Es gibt, so haben wir es in der Landesgruppe diskutiert, natürlich die Einschätzung, sollte es so kommen, dass ab 2009 bis 2010 dann diese Zuwächse mit da sind, dann erhöhen sich die Spielräume für einen selbst oberhalb der allgemeinen Einkommensentwicklung, das dann für Vereine, Verbände, soziale Initiativen mit einzusetzen, wie wir das auch jetzt schon in einem hohen Maße tun.

    Engels: Das ist also Ihr Plan, auch einheitlich in der Landesgruppe, dass Sie dieses Extra-Geld, was Sie vielleicht am Ende bekommen, in Spenden oder in irgendeiner Form gemeinnützig anlegen?

    Rossmann: Es ist nicht die Vorstellung, dass wir dort sozusagen einen ausgerechneten Sammeltopf machen, gucken, wie entwickelt sich das allgemeine Einkommen, was ist der Tarifabschluss, die Übertragung auf die Beamten jetzt obendrauf, sondern die Erwartung ist, und die Praxis ist auch, wenn Sie sich das Abgeordnete für Abgeordnete angucken, dass man dieses dann verstärkt dafür einsetzen kann, für Vereine, Verbände und Initiativen das mit einzusetzen. Das tun wir jetzt schon, dieser Spielraum wird wachsen. Und insgesamt, auf Ihre Ausgangsfrage zurückzukommen, den politischen Streit dafür führen, das richtige Konzept zu verfolgen, das ist das Entscheidende jetzt. Dafür werben wir, dafür haben wir in der Fraktion auch engagiert geworben. Ich bin dort auch ziemlich sicher, dass es nicht so bleiben wird, dass die Bundestagsabgeordneten im Gleichklang mit den Bundesrichtern sich bewegen und die Landtagsabgeordneten in immer mehr Landesparlamenten sich im Gleichklang mit dem Durchschnitt der Berufseinkommen sich bewegen. Das ist doch ein Parlamentarismus. Wir sind doch alles Volksvertreter und können dort nicht im Bund ganz andere Regeln haben, als wir sie bei den übrigen Volksvertretern haben. Das Entscheidende bleibt: Wir sind Volksvertreter und nicht Beamte.

    Engels: Ernst Dieter Rossmann, Bundestagsabgeordneter der SPD und Sprecher der schleswig-holsteinischen Landesgruppe. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Rossmann: Dankeschön.