Sandra Schulz: Es ist seine erste Reise in ein Land der Europäischen Union, seitdem er vor rund vier Wochen sein Amt angetreten hat. Der Besuch des neuen russischen Präsidenten Medwedew darf darum als Signal der Bekräftigung der deutsch-russischen Beziehungen interpretiert werden. Mit Reformankündigungen ist er angetreten. Applaus hat er schon dafür geerntet, dass er gegen die Verschärfung des russischen Presserechts eingetreten ist. Trotzdem oder gerade deswegen sollen die kritischen Themen - Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit - bei den Gesprächen nicht ausgeklammert werden. Am Vormittag ist Medwedew in Berlin gelandet.
Telefonisch bin ich jetzt verbunden mit Klaus Mangold, dem Vorsitzenden des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Guten Tag!
Klaus Mangold: Guten Tag Frau Schulz!
Schulz: Herr Mangold, die deutschen Exporte nach Russland sind im vergangenen Jahr um mehr als 20 Prozent gestiegen. Beachtliche Fortschritte in Punkto Menschenrechte haben wir in der gleichen Zeit allerdings nicht beobachten können. Heißt das, dass Geschäft und Rechtstaatlichkeit nichts miteinander zu tun haben?
Mangold: Das würde ich nicht so sehen. Ich glaube auch Menschenrechte kann man weniger in%en ausdrücken, sondern mehr in Tendenzen. Bei den Tendenzen plädiere ich sehr dafür, dass wir uns etwas längeren Atem vornehmen. Ich glaube wir sollten Russland nicht überfordern, sehr schnelle Schritte immer wieder zu tun nach unseren westlichen Vorbildern. Ich glaube, dass wir Russland noch eine Generation Zeit geben müssen, um viele Dinge so anzupacken, wie sie unserem Staatsverständnis entsprechen. Und ich glaube auch, dass wir in dieser Zeitphase sehen werden, gerade jetzt unter dem neuen Präsidenten, dass vieles neu belebt wird gerade in den Punkten wie Rechtstaatlichkeit, Bürokratieabbau und auch in dem mutigen Schritt im Hinblick auf die Pressefreiheit.
Schulz: Welche Indizien haben Sie für diese Einschätzung?
Mangold: Er hat ja schon zwei bedeutende Reden gehalten - beide übrigens in Russland - und er hat dort aus seiner juristischen eigenen Ausbildung kommend natürlich das Primat des Rechts betont. Er hat sich selbst den Vorsitz gesichert in der Anti-Korruptions-Kommission, was ich als ein ganz wichtiges Zeichen empfinde, weil Korruption nach wie vor ein Punkt ist, der uns doch hin und wieder mal Sorgen macht. Ich glaube das sind so ein paar ermutigende Zeichen, die wir heute mit ihm aufnehmen wollen und wo wir ihm auch Mut machen wollen, diesen für die Wirtschaft ja konsequenten Kurs fortzusetzen. Ich bin völlig bei Herrn Schockenhoff; das tut man nicht, um im Ausland Gefallen zu erwecken. Das tut man deshalb, weil es die internen Verhältnisse des Landes erfordern.
Schulz: Wer profitiert denn eigentlich mehr von den deutsch-russischen Handelsbeziehungen? Sind das wir oder sind das die Russen?
Mangold: Ich glaube, dass es eine wechselseitige Partnerschaft ist. Wir brauchen das russische Öl und Gas und Russland hat alles das nicht, was wir haben, nämlich Technologie, Maschinenbau, Elektrotechnik und dergleichen mehr. Aber wir haben keine Rohstoffe! Und ich glaube, dass genau das der Sinn und Zweck ist, dass er auch jetzt zum ersten Mal nach Deutschland kommt in seinem neuen Amt. Er hat ja sehr bewusst Deutschland gewählt als das erste Land seiner Europa-Reise. Es wird sicherlich darum gehen, ihn deutlich zu unterstützen in seiner Modernisierungspartnerschaft, die er in den Vordergrund vieler Reden gestellt hat, und da wird er sicherlich in der deutschen Wirtschaft einen verlässlichen Partner haben.
Schulz: Für wie groß halten Sie die Gefahr, dass wir in eine russische Abhängigkeit schlittern?
Mangold: Ich halte den Begriff der Abhängigkeit für gefährlich, und zwar deshalb, weil sie ja heute bei vielen russischen Gesprächspartnern mit diesem Begriff sehr schnell an ihre Grenzen stoßen. Denken Sie mal daran, wie viele deutsche Maschinenbauer es gibt, die eine Weltmarktposition haben, die so stark ist, dass sie überhaupt nicht an ihnen vorbei kommen. Das wird einem immer wieder dann entgegengehalten, wenn man über Abhängigkeiten von Öl und Gas spricht. Und wer das auflösen will, der muss natürlich konsequent über alternative Energien nachdenken. Das ist der einzige Weg, um weniger Öl und Gas aus Russland zu beziehen.
Schulz: Es gibt ein weiteres Thema, einen weiteren neuralgischen Punkt. Den haben Sie gerade schon angesprochen. Das ist die Korruption in Russland. Was muss sich dort tun?
Mangold: Ich glaube es muss dort ein Verständnis weiterhin geweckt werden, dass Korruption im Grunde genommen ein Betrug ist an der Volkswirtschaft eines Landes. Wenn sich das durchsetzt, wenn das entsprechend straflich bewährt wird, wenn der Staat auch dort konsequent ist, gerade in den Bereichen wie Zoll oder andere Dinge, dann kann ich mir vorstellen, dass man dort innerhalb von wenigen Jahren eine deutliche Veränderung des Bewusstseins erzielt. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass der neue russische Präsident, was ja keine Selbstverständlichkeit ist, sich zum Vorsitzenden dieser Kommission selbst vorgesehen hat, um damit ein Signal zu setzen, wie wichtig er dieses Thema selbst empfindet.
Schulz: Aber wie erfolgversprechend ist diese Mission? Es gibt einen Vorschlag, nach dem 500.000 Beamte auszutauschen seien. Dieser Vorschlag kommt vom Generalmajor der russischen Polizei. Was kann da eine Anti-Korruptions-Kommission bringen?
Mangold: Ich kenne diesen Vorschlag nicht, aber ich glaube man muss das ganze Thema immer wieder mit Augenmaß sehen. Ich sehe immer wieder, dass es Bereiche gibt, die gerade so im Zoll-Wesen liegen, wo es mal Klagen gibt. Die gelten dort, wo es Ausnahmegenehmigungen gibt, in vielen Bereichen der lokalen Behörden. Dort muss meiner Ansicht nach einfach ein Exempel statuiert werden und dort muss über Vorbildfunktionen das Bewusstsein insgesamt in allen Bereichen der russischen Wirtschaft verändert werden.
Schulz: Ein Exempel statuieren könnte aber auch die deutsche Wirtschaft, indem sie sagt, zu diesen Bedingungen kooperieren wir nicht.
Mangold: Ja, natürlich. Aber das machen wir doch schon ohnedies. Schauen Sie mal: Es gibt ja viele Fälle in der deutschen Wirtschaft, wo man gesehen hat, dass sich einfach die Frage dramatisch verändert hat, wie man mit nützlichen Abgaben vorgeht. Das war ja noch vor ein paar Jahren in dem OECD-Katalog erlaubt; heute ist es nicht mehr erlaubt. Wir müssen dieses Bewusstsein genauso wie wir es haben nach Russland schaffen und es hat sich noch nie bezahlt gemacht, über Bestechung Geschäfte zu machen.
Schulz: Klaus Mangold, der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Haben Sie vielen Dank für diese Einschätzungen.
Mangold: Danke. Auf Wiederhören!
Telefonisch bin ich jetzt verbunden mit Klaus Mangold, dem Vorsitzenden des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Guten Tag!
Klaus Mangold: Guten Tag Frau Schulz!
Schulz: Herr Mangold, die deutschen Exporte nach Russland sind im vergangenen Jahr um mehr als 20 Prozent gestiegen. Beachtliche Fortschritte in Punkto Menschenrechte haben wir in der gleichen Zeit allerdings nicht beobachten können. Heißt das, dass Geschäft und Rechtstaatlichkeit nichts miteinander zu tun haben?
Mangold: Das würde ich nicht so sehen. Ich glaube auch Menschenrechte kann man weniger in%en ausdrücken, sondern mehr in Tendenzen. Bei den Tendenzen plädiere ich sehr dafür, dass wir uns etwas längeren Atem vornehmen. Ich glaube wir sollten Russland nicht überfordern, sehr schnelle Schritte immer wieder zu tun nach unseren westlichen Vorbildern. Ich glaube, dass wir Russland noch eine Generation Zeit geben müssen, um viele Dinge so anzupacken, wie sie unserem Staatsverständnis entsprechen. Und ich glaube auch, dass wir in dieser Zeitphase sehen werden, gerade jetzt unter dem neuen Präsidenten, dass vieles neu belebt wird gerade in den Punkten wie Rechtstaatlichkeit, Bürokratieabbau und auch in dem mutigen Schritt im Hinblick auf die Pressefreiheit.
Schulz: Welche Indizien haben Sie für diese Einschätzung?
Mangold: Er hat ja schon zwei bedeutende Reden gehalten - beide übrigens in Russland - und er hat dort aus seiner juristischen eigenen Ausbildung kommend natürlich das Primat des Rechts betont. Er hat sich selbst den Vorsitz gesichert in der Anti-Korruptions-Kommission, was ich als ein ganz wichtiges Zeichen empfinde, weil Korruption nach wie vor ein Punkt ist, der uns doch hin und wieder mal Sorgen macht. Ich glaube das sind so ein paar ermutigende Zeichen, die wir heute mit ihm aufnehmen wollen und wo wir ihm auch Mut machen wollen, diesen für die Wirtschaft ja konsequenten Kurs fortzusetzen. Ich bin völlig bei Herrn Schockenhoff; das tut man nicht, um im Ausland Gefallen zu erwecken. Das tut man deshalb, weil es die internen Verhältnisse des Landes erfordern.
Schulz: Wer profitiert denn eigentlich mehr von den deutsch-russischen Handelsbeziehungen? Sind das wir oder sind das die Russen?
Mangold: Ich glaube, dass es eine wechselseitige Partnerschaft ist. Wir brauchen das russische Öl und Gas und Russland hat alles das nicht, was wir haben, nämlich Technologie, Maschinenbau, Elektrotechnik und dergleichen mehr. Aber wir haben keine Rohstoffe! Und ich glaube, dass genau das der Sinn und Zweck ist, dass er auch jetzt zum ersten Mal nach Deutschland kommt in seinem neuen Amt. Er hat ja sehr bewusst Deutschland gewählt als das erste Land seiner Europa-Reise. Es wird sicherlich darum gehen, ihn deutlich zu unterstützen in seiner Modernisierungspartnerschaft, die er in den Vordergrund vieler Reden gestellt hat, und da wird er sicherlich in der deutschen Wirtschaft einen verlässlichen Partner haben.
Schulz: Für wie groß halten Sie die Gefahr, dass wir in eine russische Abhängigkeit schlittern?
Mangold: Ich halte den Begriff der Abhängigkeit für gefährlich, und zwar deshalb, weil sie ja heute bei vielen russischen Gesprächspartnern mit diesem Begriff sehr schnell an ihre Grenzen stoßen. Denken Sie mal daran, wie viele deutsche Maschinenbauer es gibt, die eine Weltmarktposition haben, die so stark ist, dass sie überhaupt nicht an ihnen vorbei kommen. Das wird einem immer wieder dann entgegengehalten, wenn man über Abhängigkeiten von Öl und Gas spricht. Und wer das auflösen will, der muss natürlich konsequent über alternative Energien nachdenken. Das ist der einzige Weg, um weniger Öl und Gas aus Russland zu beziehen.
Schulz: Es gibt ein weiteres Thema, einen weiteren neuralgischen Punkt. Den haben Sie gerade schon angesprochen. Das ist die Korruption in Russland. Was muss sich dort tun?
Mangold: Ich glaube es muss dort ein Verständnis weiterhin geweckt werden, dass Korruption im Grunde genommen ein Betrug ist an der Volkswirtschaft eines Landes. Wenn sich das durchsetzt, wenn das entsprechend straflich bewährt wird, wenn der Staat auch dort konsequent ist, gerade in den Bereichen wie Zoll oder andere Dinge, dann kann ich mir vorstellen, dass man dort innerhalb von wenigen Jahren eine deutliche Veränderung des Bewusstseins erzielt. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass der neue russische Präsident, was ja keine Selbstverständlichkeit ist, sich zum Vorsitzenden dieser Kommission selbst vorgesehen hat, um damit ein Signal zu setzen, wie wichtig er dieses Thema selbst empfindet.
Schulz: Aber wie erfolgversprechend ist diese Mission? Es gibt einen Vorschlag, nach dem 500.000 Beamte auszutauschen seien. Dieser Vorschlag kommt vom Generalmajor der russischen Polizei. Was kann da eine Anti-Korruptions-Kommission bringen?
Mangold: Ich kenne diesen Vorschlag nicht, aber ich glaube man muss das ganze Thema immer wieder mit Augenmaß sehen. Ich sehe immer wieder, dass es Bereiche gibt, die gerade so im Zoll-Wesen liegen, wo es mal Klagen gibt. Die gelten dort, wo es Ausnahmegenehmigungen gibt, in vielen Bereichen der lokalen Behörden. Dort muss meiner Ansicht nach einfach ein Exempel statuiert werden und dort muss über Vorbildfunktionen das Bewusstsein insgesamt in allen Bereichen der russischen Wirtschaft verändert werden.
Schulz: Ein Exempel statuieren könnte aber auch die deutsche Wirtschaft, indem sie sagt, zu diesen Bedingungen kooperieren wir nicht.
Mangold: Ja, natürlich. Aber das machen wir doch schon ohnedies. Schauen Sie mal: Es gibt ja viele Fälle in der deutschen Wirtschaft, wo man gesehen hat, dass sich einfach die Frage dramatisch verändert hat, wie man mit nützlichen Abgaben vorgeht. Das war ja noch vor ein paar Jahren in dem OECD-Katalog erlaubt; heute ist es nicht mehr erlaubt. Wir müssen dieses Bewusstsein genauso wie wir es haben nach Russland schaffen und es hat sich noch nie bezahlt gemacht, über Bestechung Geschäfte zu machen.
Schulz: Klaus Mangold, der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Haben Sie vielen Dank für diese Einschätzungen.
Mangold: Danke. Auf Wiederhören!