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"Wir werden eine Lösung finden"

Bund und Länder werden am Mittwoch erneut über die Finanzierung des Fonds für die Flutopfer verhandeln. Johannes Beermann (CDU), glaubt, dass den Hochwasseropfern zum Schluss geholfen werde. Bei der Finanzierung müsse man einen fairen Mittelweg finden, so der Staatsminister und Chef der sächsischen Staatskanzlei.

Johannes Beermann im Gespräch mit Silvia Engels | 19.06.2013
    Silvia Engels: Wochenlang kämpften Tausende von Menschen zuletzt gegen das Rekordhochwasser im Süden und Osten Deutschlands. Einige Orte gingen unter, in anderen hielten die Deiche, an einigen Stellen steht immer noch ein hoher Wasserstand.
    Schnelle und unbürokratische Hilfe für die Opfer des Hochwassers in Süd- und Ostdeutschland soll es geben. Das hatte erst vergangene Woche Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten ausgemacht. Acht Milliarden Euro sollen dafür bereitstehen, je zur Hälfte finanziert von Bund und Ländern. Doch gestern flammte rund um die konkrete Ausgestaltung unter den Finanzministern Streit auf. Heute trifft sich deshalb noch einmal Bundesfinanzminister Schäuble mit den Ministerpräsidenten. – Am Telefon ist Johannes Beermann (CDU), er ist Staatsminister der sächsischen Staatskanzlei und wird heute bei der Runde in Berlin dabei sein. Guten Morgen, Herr Beermann.

    Johannes Beermann: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Steigen wir direkt in den Streit ein. Finanzminister Schäuble ist ja sehr konkret: Er hat angeboten, die acht Milliarden Euro insgesamt vorzustrecken und die Länder könnten dann ihren Anteil von vier Milliarden abstottern. Warum lehnen die Länder das ab?

    Beermann: Erst mal ist es wunderbar, dass die Beschlusslage so ist, dass acht Milliarden den Betroffenen zur Verfügung gestellt werden. Und jetzt geht es darum, wie der Weg – zum Schluss wird es ohnehin der Steuerzahler in Deutschland bezahlen – beschritten wird. Da ist viel Finanztechnik dabei. Jetzt geht es darum, wie der Fonds gefüllt wird, und da gibt es unterschiedliche Vorstellungen, da gibt es Diskussionsbedarf. Ich bin zuversichtlich, dass das heute gelöst wird.

    Engels: Noch mal die Frage: Warum lehnen die Länder denn den Vorschlag von Finanzminister Schäuble ab?

    Beermann: Es gibt einen Vorschlag vom Bund, der besagt, dass die Finanzierung des Teils der Länder, also die Übernahme von Zinsen und Tilgung, in den Jahren 2014 bis 2019 durch eine Veränderung der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern passiert und von 2020 bis 2023 durch direkte Zahlung der Länder an den Bund. Das bedeutet einen unmittelbaren Einfluss auf die Haushalte der Länder, und das müssen die Länder erst mal verkraften.

    Engels: Das heißt, die Länder haben Angst, dass sie mehr als die zugesagten vier Milliarden Euro tragen müssen?

    Beermann: Nein, die Angst besteht nicht, sondern es ist eine finanztechnische Frage, ob das, was von den Ländern geleistet wird, unmittelbar haushaltswirksam wird, oder ob man sich in der Lage sieht, durch eine Verlagerung dieser Haushaltswirksamkeit in die Zukunft die aktuellen Haushalte zu schonen.

    Engels: Haushaltswirksam ist ja immer das Stichwort dafür, dass man in der Tat Ausgaben nach hinten verschieben will, um jetzt mehr Geld zur Verfügung zu haben, und so ähnlich sieht ja auch die Idee der Länder aus. Sie haben ja die Idee, indirekt auf Mittel aus dem Fonds deutscher Einheit zurückzugreifen. Das soll geschehen, indem die Länder Rückzahlungen, die sie dem Bund für diesen Fonds eigentlich noch schulden, erst später bezahlen und dadurch werden Gelder frei und die könnten sie nun in die Hochwasserhilfe stecken. Finanzminister Schäuble nennt das aber Buchungstricks. Was sagen Sie?

    Beermann: Na ja, der Fonds wird erst 2019 aufgelöst, existiert also noch. Die Länder haben real und nicht etwa fiktiv ihre Beiträge zum Fonds deutscher Einheit geleistet. Jetzt ist es aber gleichwohl so, dass natürlich aufgrund der Tatsache, dass die Zinsen sich anders entwickelt haben, also nicht so viel bezahlt werden musste, wie ursprünglich angesehen, die Möglichkeit besteht, ich sage mal, eine Rate zu schieben und das Geld aus dieser Rate, was in den Fonds deutscher Einheit fließt, nach hinten zu verlagern. Es ist also nicht fiktives Geld, aber es ist Geld, was in der Zukunft liegt. Gleichwohl ist es real und auch eine Lösungsmöglichkeit.

    Engels: Aber wälzen Sie damit nicht die Last auf den Bund ab, der damit fest eingeplantes Geld später bekommt? Das heißt, die Länder drücken sich, um ihre Finanzierung des Anteils beispielsweise durch Einsparung an anderer Stelle?

    Beermann: Zum Schluss bezahlt es immer der Steuerzahler in Deutschland, der nicht nur in Deutschland lebt, sondern auch in einem Land. Es geht also um Finanzierungstechnik und insofern ist auch bis 2019, wo der Fonds deutscher Einheit ja endgültig aufgelöst wird, ein überschaubarer Zeitraum.

    Engels: Aber es geht vielleicht auch darum, ob die Länder nun zahlen, oder ob der Bund zahlt. Das ist ja für den Steuerzahler, zumindest auch für die Länder ein Unterschied.

    Beermann: Es ist für den Steuerzahler im Endeffekt ein geringer Unterschied. Für die Länder und den Bund und die Haushalte, die gefahren werden müssen, ist es in der Tat ein Unterschied, und das ist der Kern des Gesprächs, das heute geführt wird.

    Engels: Wie erklären Sie denn diesen Streit um die genaue Ausgestaltung der Finanzierung den Menschen, die nun dringend neue Straßen und Häuser brauchen?

    Beermann: Frau Engels, genau das macht mich hoffend. Wir haben eine nationale Katastrophe von den Alpen bis zur Nordsee. Es gab eine überwältigende Welle von Solidaritätsbekundungen derjenigen, die nicht betroffen waren vom Hochwasser, mit denjenigen, die, wie Sie auch vorhin noch mal gesendet haben, ängstlich auf die Fluten gewartet haben, oder die jetzt unter unermesslichen Schäden leiden. Deswegen glaube ich, dass Politik hinter der Solidaritätsleistung der Menschen nicht zurückstehen kann, auch nicht zurückstehen wird. Ich bin mir sicher, der Konflikt wird gelöst.

    Engels: Hat das auch damit zu tun, dass Sie den Bund gut unter Druck setzen können, weil ja Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den Bundestagswahlen dieses Thema möglichst schnell lösen will?

    Beermann: Es geht nicht um Druck gegenüber dem Bund, sondern wir haben ja erfreulicherweise große Solidaritätsbekundungen aus allen politischen Lagern gehabt, dass wie 2002 ein Fonds aufgelegt wird, der zu gleichen Teilen vom Bund und von den Ländern gespeist wird, und diese Erklärung, die nicht nur die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin gegeben haben, sondern die auch der Kanzlerkandidat der SPD, Herr Steinbrück, gegeben hat, diese Erklärung trägt und ich bin mir sicher, wir werden eine Lösung finden.

    Engels: Aber fürchten Sie nicht, dass dann an den Ländern hängen bleibt, dass sie ein Zinsrisiko scheuen, dass sie nicht an anderer Stelle sparen wollen und jetzt diesen Streit vom Zaun brechen und das den Hochwasseropfern nicht hilft?

    Beermann: Ich glaube, dass den Hochwasseropfern zum Schluss geholfen wird und dass die Länder natürlich – einige Länder, die extrem kritische Haushaltslagen haben -, dass diese Länder Lösungen finden müssen, die sie nicht selbst in eine Situation treiben, wo sie handlungsunfähig werden. Da muss man einen fairen und einen Mittelweg finden und ich denke, das ist möglich.

    Engels: Und am Ende läuft es darauf hinaus, dass der Bund alle Fluthilfen schultert, und zwar schuldenfinanziert?

    Beermann: Nein. Die Grundlage ist der Beschluss, den die Ministerpräsidenten oder die Regierungschefs und -chefinnen der Länder mit der Bundeskanzlerin getroffen haben. Dort steht drin, dass der Fonds mit acht Milliarden Euro erst mal aufgelegt wird und dass die Lasten zur Hälfte geteilt werden zwischen Bund und Ländern. Das ist die Grundlage, auf der gesprochen wird.

    Engels: Gibt es heute schon eine Einigung Ihrer Einschätzung nach?

    Beermann: Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen wird. Schauen Sie, 2002, was ja ein bisschen Blaupause für das ist, was jetzt diskutiert wird, ist es gelungen, innerhalb von vier Wochen einen entsprechenden Aufbaufonds aufzulegen und durch das Gesetzgebungsverfahren sicher zu steuern. Wir haben uns jetzt vorgenommen, bis zum 5. Juli zu einem Ergebnis zu kommen. Das ist, glaube ich, das, was die Menschen in den betroffenen Gebieten auch von der Politik erwarten, und wir werden diese Erwartungen erfüllen.

    Engels: Nehmen wir an, der Streit wird so rasch beigelegt, wer wird dann in Ihrem Bundesland als erstes Geld kriegen?

    Beermann: Wir haben schon Gelder ausbezahlt. Wir haben schon eine Soforthilfe in Höhe von etwa 80 Millionen bereitgestellt, übrigens die der Bund auch mitfinanziert hat. Das ging auf Zuruf. Diese Soforthilfe hat bei den betroffenen Familien und Unternehmen dafür gesorgt, dass die Kommunen in die Lage versetzt wurden, provisorisch zu reparieren beziehungsweise den Schutt beiseite zu räumen. Also dort ist schon etwas gelaufen. Das, worum es jetzt geht, ist die Wiederaufbauhilfe, also da, wo Infrastruktur nachhaltig beschädigt wurde und wieder aufgebaut werden muss. Da werden zurzeit in Sachsen die Daten erhoben, in den Landkreisen, bei den Betroffenen, und anschließend wird das Geld auch wieder so wie 2002 an diejenigen verteilt, die bedürftig sind, also geschädigt sind, Privathaushalte und Unternehmen. Es geht darum, die Infrastruktur in Sachsen, die Infrastruktur bei den Gemeinden wiederherzustellen, und es geht darum, dafür zu sorgen, dass das ganze wieder lebenswert gemacht wird.

    Engels: Das ist die kurzfristige Hilfe. Hat Sachsen denn generell seit der letzten Flut genug für den Hochwasserschutz getan, oder gibt es hier auch noch Nachbesserungsbedarf?

    Beermann: Wir haben sehr viel für den Hochwasserschutz in den letzten Jahren getan. Das Jahr 2002 war uns eine Lehre. Die Bilder aus Dresden zeigen, dass es auch erfolgreich war. Das heißt, die Gebietskulisse ist zwar größer, es sind mehr Landkreise betroffen, aber es hat uns nicht unerwartet getroffen. Wir können sehen, dass der Hochwasserschutz damals gegriffen hat. Wir werden noch weiter im Hochwasserschutz investieren. Das ist eine Generationenaufgabe, das kann man nicht innerhalb weniger Jahre machen. Das ist eine Verpflichtung, die wir weiter erfüllen müssen.

    Engels: Johannes Beermann, er ist Staatsminister der sächsischen Staatskanzlei, gehört der CDU an und wird heute bei der Runde in Berlin dabei sein, wenn Finanzminister Schäuble mit den Ministerpräsidenten über die schnelle Abwicklung der Fluthilfen berät. Vielen Dank für das Gespräch heute Früh.

    Beermann: Vielen Dank, Frau Engels, auf Wiederhören.


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