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"Wir wollen das gesamte System in Nordrhein-Westfalen verbessern"

Der NRW-Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg hat eine Verbesserung der Lebensmittelüberwachung in seinem Bundesland angekündigt. Gleichwohl gab er zu bedenken, dass die Fälle von in den Handel geratenem verdorbenem Fleisch von seiner Behörde aufgedeckt wurden. In dem Zusammenhang warnte er vor einer Dramatisierung. Das führe bei den Verbrauchern nur zur Verunsicherung, fügte Uhlenberg hinzu.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Herr Uhlenberg, wo gehen Sie denn noch einkaufen, um sicher zu sein, appetitliches Fleisch zu bekommen?

    Eckhard Uhlenberg: Ach, ich kaufe traditionell dort ein, wo wir seit vielen Jahren eingekauft haben: Das ist eine Metzgerei hier in der Stadt Werl, wo ich wohne.

    Klein: Und wie können wir sicher sein, als Verbraucher wirklich das Fleisch und die Wurst zu bekommen, die wir gerne essen möchten? Die Kontrolleure stöhnen, sie sagen, sie würden den Skandalen nur noch hinterher rennen, aber sie könnten sie nicht mehr verhindern.

    Uhlenberg: Also, den Skandal, den wir in Nordrhein-Westfalen haben, der ist ja von der Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen entdeckt und aufgearbeitet worden. Das ist das Gute an dem Vorfall in Nordrhein-Westfalen, dass es hier durch unsere Behörden in Nordrhein-Westfalen auch selber entdeckt haben. Trotzdem muss die Lebensmittelüberwachung, auch in Nordrhein-Westfalen, in den nächsten Jahren verbessert werden.

    Klein: Was genau wollen Sie verbessern?

    Uhlenberg: Wir müssen die Abläufe beschleunigen. Zwischen dem Feststellen des ersten Verdachts und der Veröffentlichung dann auch für die Bevölkerung – ich kann ja die Namen der Firmen erst nennen, wenn die Staatsanwaltschaft mir auch ein entsprechendes Okay gegeben hat –, diese Abläufe, einschließlich der Untersuchungen in den chemischen Untersuchungsämtern, die müssen deutlich beschleunigt werden.

    Klein: Und wie kann das geschehen, diese Beschleunigung?

    Uhlenberg: Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ein neues, abgestuftes System der Lebensmittelkontrolle. Das heißt, in dem Sinne stelle ich mir das vor, dass die Kommunen in Zukunft verstärkt dafür zuständig sind, die Kontrollen vor Ort vorzunehmen, flächendeckend, mit einem breiten Netz, und dass sich der Staat immer mehr darauf konzentriert, durch seine staatlichen Untersuchungsämter – die weiter konzentriert werden müssen – in Kooperation mit den Kommunen, auch in Nordrhein-Westfalen, dann eine effektivere und noch genauere Analyse des Fleisches vorzunehmen.

    Klein: Ja, effektivere Analyse, noch genauere Analyse – aber ein Grundproblem ist ja wohl, dass die Kontrollen in jedem Bundesland anders organisiert sind. Und die Experten meinen, auf dem globalisierten Markt sollte man doch vielleicht auch länderübergreifend stärker zusammenarbeiten. Wie soll dann das aussehen?

    Uhlenberg: Also das hat hier auch in der letzten Zeit immer schon eine länderübergreifende Zusammenarbeit zum Beispiel mit Niedersachsen gegeben. Wir haben ja sowohl in Niedersachsen wie auch in Nordrhein-Westfalen viele Firmen, die mit Fleisch arbeiten, viele Betriebe aus dem Bereich der Ernährungswirtschaft. Wenn es darüber hinaus noch Konzepte gibt, wie zum Beispiel jetzt der neue Bundesminister Seehofer es vorgeschlagen hat, dass es eine Meldepflicht gibt für Firmen, die schlechtes Fleisch bekommen haben, arbeite ich gerne auch an einem Konzept mit, länderübergreifend und gemeinsam mit dem Bund, dass dieses noch verbessert wird.

    Klein: Und da ist man doch einigermaßen erstaunt, dass es diese Meldepflicht für Unternehmen, denen schlechte Ware angeboten wird, nicht längst gibt. Warum denn eigentlich nicht?

    Uhlenberg: Ich bin jetzt seit wenigen Wochen im Amt. Ich habe, meine Vorgängerin hatte in ihrer, in der letzten Wahlperiode 21 von diesen Vorkommnissen in Nordrhein-Westfalen. Ich bin im Moment mit meinem Team im Ministerium dabei, die Schlagseiten, die Bereiche, die jetzt nicht gut gelaufen sind in der letzten Zeit in Nordrhein-Westfalen, entsprechend aufzuarbeiten und wir werden daraus die Schlüsse ziehen.

    Klein: Ja gut, aber das ist ja offenbar nicht ein Problem alleine von Nordrhein-Westfalen, sondern es besteht offensichtlich ja bundesweit keine Meldepflicht für Unternehmen?

    Uhlenberg: Das ist richtig. Es besteht bundesweit keine Meldepflicht. Das muss dringend eingeführt werden.

    Klein: Jetzt sagt die Verbraucherorganisation "foodwatch": Das ist eigentlich alles die Spitze eines Eisberges nur. Und sie erhebt auch Vorwürfe an die Behörden und sagt: Also vieles wird einfach geheim gehalten und jüngste Fälle sind auch an die Öffentlichkeit nur dadurch gekommen, dass Mitarbeiter der Betriebe selbst sich gemeldet haben. Also können Sie denn ausschließen, dass es solche Fälle von Schwindeleien und Betrügereien auch bei den Behörden gibt? Dass bewusst vertuscht wird, wenn es einen solchen Skandal gibt?

    Uhlenberg: Nein, das kann ich nicht bestätigen. Dieser Vorgang bei uns in Nordrhein-Westfalen – da habe ich eben darauf hingewiesen – ist ja durch die Behörden in Nordrhein-Westfalen aufgedeckt worden. Es ist nicht so, dass Mitarbeiter von Firmen sich bei uns gemeldet haben, sondern unsere Behörden haben diesen Fall aufgedeckt. Ich bin als verantwortlicher Verbraucherschutzminister immer daran gehalten, die Fakten zu nennen. Wenn ich jetzt von der "Spitze eines Eisberges" rede, würde ich zu einer weiteren Dramatisierung beitragen, ohne dass mir die entsprechenden Fakten fehlen. Wir gehen mit den Behörden in Nordrhein-Westfalen sofort jedem Fall nach. Wie gesagt: Wir wollen das gesamte System in Nordrhein-Westfalen verbessern. Aber ich warne auch vor einer Dramatisierung, davor, zu sprechen von der "Spitze eines Eisberges". Ich kenne fast alle Firmen in Nordrhein-Westfalen, die eine sehr gute Arbeit leisten. Deswegen sollte man es auch nicht an der falschen Stelle überziehen, eine solche Diskussion, um die Verbraucher auch an der falschen Stelle zu verunsichern. Wenn der Deutsche Bauernverband oder wenn andere Organisationen, die sich in den letzten Tagen gemeldet haben, weitere Erkenntnisse haben, dass an bestimmten Stellen die Abläufe nicht so sind oder dass sie bestimmte Firmen kennen, die mit Fleisch nicht so umgehen, wie es sich gehört, dass es hier wirklich noch weiter kriminelle Machenschaften gibt, wo sie bestimmte Erkenntnisse haben, dann bin ich, dann erwarte ich den Anruf, auch der Organisationen, in meinem Ministerium und bin dann auch für sehr konkrete Hinweise immer dankbar.

    Klein: Müssen nicht Unternehmen auch selbst interessiert sein daran, solche Dinge aufzudecken? Denn im Grunde genommen ist das natürlich auch geschäftsschädigend, wenn niemand mehr bei bestimmten Supermärkten zum Beispiel einkaufen gehen möchte, aus Angst, wirklich verdorbenes Fleisch zu kaufen.

    Uhlenberg: Also Sie haben völlig Recht. Die Verantwortung liegt zunächst bei der Wirtschaft, bei allen Firmen, die mit Lebensmitteln und die mit Fleisch arbeiten. Dort liegt die Hauptverantwortung. Der Staat hat eine wichtige Funktion, er hat eine ergänzende Funktion. Der Staat kann und muss Kontrollen vornehmen. Aber zunächst liegt die Verantwortung bei der Ernährungswirtschaft. Sie ist sich auch weitgehend darüber im Klaren. Aber es ist immer wieder bedauerlich, dass es dann Firmen gibt, wie hier bei uns in Nordrhein-Westfalen, in der Stadt Gelsenkirchen, die mit krimineller Energie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher mit Füßen treten.

    Klein: Im neuen Koalitionsvertrag von Nordrhein-Westfalen wurde ja jetzt – mindestens sinngemäß – hineingeschrieben, dass beim Wort "Landwirtschaft" der zweite Teil, nämlich "Wirtschaft", wieder stärker betont werden soll. War das vielleicht auch eine Einladung zum Geldverdienen zu Lasten der Gesundheit und zu Lasten des Verbraucherschutzes?

    Uhlenberg: Natürlich nicht. Wir werden in Nordrhein-Westfalen den wichtigen Bereich des Verbraucherschutzes mit einer leistungsfähigen Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen kombinieren. Was nützt mir eine Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen bei 18 Millionen Verbrauchern, wo zum Beispiel keine Lebensmittel mehr erzeugt werden? In Nordrhein-Westfalen ist der Selbstversorgungsgrad von wichtigen Lebensmitteln in den vergangenen Jahren permanent runtergegangen. Wir hatten noch vor wenigen Jahren einen Selbstversorgungsgrad bei Eier und Geflügel, der lag bei 41 Prozent; inzwischen liegt er nur noch bei 29 Prozent. Es kann doch nicht im Sinne von Verbrauchern sein, dass wir immer mehr Lebensmittel in einem Land mit 18 Millionen Einwohnern in Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel wie das jetzt bei dem letzten Fleischskandal in Gelsenkirchen angeht, ist das gesamte Fleisch aus Dänemark gekommen. Sondern meine Aufgabe als Verbraucherschutzminister und Landwirtschaftsminister besteht doch darin, dass gerade für den großen Verbrauchermarkt, den wir in Nordrhein-Westfalen haben, möglichst viele Produkte auch direkt in Nordrhein-Westfalen selber erzeugt werden und nicht aus der gesamten internationalen Welt bei uns in Nordrhein-Westfalen eingekauft wird. Ich setze auf eine starke Produktion auch von Lebensmitteln bei uns in Nordrhein-Westfalen. Und nach Gesprächen mit Lebensmittelchemikern, sagen sie mir immer wieder: Das Hauptproblem bei der Lebensmittelüberwachung besteht darin, dass es immer mehr Produkte gibt, die international zu uns ins Land kommen; die Produkte, die aus dem eigenen Land kommen, stehen nicht im Fokus der Untersuchungen, weil es dort auch die größte Sicherheit gibt.