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"Wir wollen eine Stabilitätsunion"

Entscheidungen über den deutschen Anteil am EU-Rettungsschirm muss weiterhin zunächst der Deutsche Bundestag treffen, sagt FDP-Generalsekretär Christian Lindner. So stelle man sicher, dass Hilfen für angeschlagene Euro-Staaten nicht gegen den Willen Deutschlands beschlossen werden können.

Christian Lindner im Gespräch mit Gerwald Herter |
    Gerwald Herter: Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach ist für den schönen Blick auf die Kölner Bucht und den Dom bekannt, man kann dort gut essen, auch wenn das nicht ganz billig ist. Kein Zufall also, dass die Abgeordneten der FDP-Bundestagsfraktion gestern dort zusammengekommen sind, um in Klausur zu gehen. Nach dem Wirbel um den früheren FDP-Vorsitzendenund ehemaligen Vizekanzler und amtierenden Außenminister Guido Westerwelle dürfte der Entspannungsfaktor aber nicht mehr allzu bedeutend sein.
    Jetzt sind wir mit einem der Teilnehmer dieser Klausurtagung verbunden: mit FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Guten Morgen, Herr Lindner!

    Christian Lindner: Guten Morgen!

    Herter: Im Zentrum dieser Klausur – wir haben es gehört – sollte eigentlich der Euro stehen. Darüber sprechen wir gleich. Zunächst aber einmal zum Außenminister, zu Guido Westerwelle. Haben alle Abgeordneten der FDP-Fraktion ihm ihre Unterstützung zugesichert auch ohne Vertrauensfrage?

    Lindner: Das war gestern ganz klar. Es stand auch der Euro im Zentrum der Debatten. Bei uns hat diese Personaldiskussion keine größere Rolle gespielt, eher am Rande. Und das zeigt: Das ist eine Debatte, die überwiegend von unseren politischen Gegnern geführt wird, das ist keine Debatte, die in der FDP mit Intensität fortgesetzt oder auch geführt werden sollte.

    Herter: Warum eigentlich diese Unterstützung der FDP für diesen Außenminister?

    Lindner: Wir haben ein Team, das in der Regierung erfolgreich sein will, und der Parteivorsitzende hat über die Teamaufstellung auch entschieden, das ist ganz klar geworden. Guido Westerwelle hat auch in der Sache ja wichtige Projekte für die FDP vorangetrieben als Außenminister, er hat die Grundlinien seiner Außenpolitik jetzt gerade am vergangenen Wochenende noch mal in einem großen Gastbeitrag skizziert, und dafür hat er die Unterstützung der FDP.

    Herter: Diese Grundlinien hat er skizziert, nachdem ihm der Parteivorsitzende gesagt hat, dass der Erfolg der Operation in Libyen auch auf militärische Aktionen zurückzuführen ist. Das hat Rösler gestern auch noch mal ausdrücklich betont. Verträgt sich das mit dem Amt des Außenministers, wenn der Parteivorsitzende dem Außenminister jedes Mal sagen muss, was die Parteilinie ist?

    Lindner: Also bitte keine Dramatisierung in dieser Frage. Guido Westerwelle hat bereits am Tag nach der Entscheidung im Weltsicherheitsrat ja gesagt, dass Deutschland die Motive unserer westlichen Partner achtet, dass wir Respekt vor ihnen haben und dass wir selbstverständlich, auch wenn wir uns nicht beteiligen wollen, der Militäroperation in Libyen den Erfolg wünschen. Also insofern: Hier ist eine Dramatik auch von interessierten Kreisen von außerhalb der FDP aufgebaut worden, die in der Sache so nicht zu begründen ist.

    Herter: Also keine Dramatik. Aber es gab doch ein Problem, Herr Lindner!

    Lindner: Ich sehe keine Dramatik. Es gab eine Akzentuierung. Wir haben eine Gesamtbotschaft, um die es auch ja geht. Die Gesamtbotschaft ist klargestellt und die Gesamtbotschaft heißt, Deutschland hat Respekt vor der Leistung der westlichen Verbündeten, wir haben Hochachtung vor dem libyschen Volk, das die Ketten von Gaddafi gesprengt hat. Und im Übrigen ist doch entscheidend, dass wir jetzt gemeinsam mit unseren westlichen Partnern nach vorne schauen. Wir haben nämlich Aufgaben in Nordafrika. Wir müssen sorgen dafür, dass die Menschen dort eine bessere Zukunft haben, dass dort Demokratien entstehen, in denen tatsächlich Demokraten das Sagen haben, und wir müssen sicherstellen, dass die Erwartungen der Menschen dort, dass sich ihre Lebenssituation verbessert, auch tatsächlich bestätigen.

    Herter: Aber ohne klare Analyse der Vergangenheit kann man nicht in die Zukunft schauen. Das wissen Sie, Herr Lindner.

    Lindner: Ja! Aber für mich ist die Situation klar. Es gab gestern ein eindeutiges Signal. Es gibt auch politisch keinen Zweifel daran, dass Deutschland zu jedem Zeitpunkt solidarisch war mit unseren westlichen Verbündeten. Ich wundere mich über diese Debatte, insbesondere wundere ich mich über die Äußerungen aus der Opposition. Also dieses Oppositionsgemurmel ist nun wirklich fehl am Platz. Gerade von Rot-Grün muss diese Regierung, muss dieser Außenminister jetzt keine Ratschläge und keine Zurechtweisungen entgegennehmen. Wir erinnern uns daran, wie zu vielen Zeiten das transatlantische Verhältnis belastet worden ist durch Rot-Grün. Ich erinnere daran, wie der damalige Bundeskanzler Schröder über Herrn Putin als lupenreinen Demokraten gesprochen hat. Oder – wir wollen ja auch noch über den Euro sprechen -, dass und wie Rot-Grün seinerzeit den europäischen Stabilitätspakt infrage gestellt hat. Das sind Probleme, unter denen Europa und Deutschland heute noch zu leiden hat. Also insofern: Hier gibt es keinen Anlass für die Opposition, mit dieser Arroganz sich zu äußern.

    Herter: Herr Lindner, wir merken da: Es ist eben auch Wahlkampf. Zwei Landtagswahlen stehen an. Hat die FDP eine Abwägung getroffen und sagt, jetzt keine Kabinettsumbildung, jetzt keinen Rückzug von Westerwelle, das warten wir ab, bis diese Wahlen vorbei sind?

    Lindner: Nein, das ist aus der Luft gegriffen.

    Herter: Sie hören den Deutschlandfunk, 6:54 Uhr, der FDP-Generalsekretär Christian Lindner über die Klausur der Bundestagsfraktion in Bergisch Gladbach. – Herr Lindner, wie die CSU, so will auch die FDP-Bundestagsfraktion ihre Bedingungen für eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms nennen. In welche Richtung geht das?

    Lindner: Für uns ist entscheidend, dass die Rechte, die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages gestärkt werden. Entscheidungen über den Rettungsschirm, Entscheidungen über Nothilfe in Europa muss der Deutsche Bundestag treffen, und zwar bevor die Bundesregierung oder Vertreter der Bundesregierung in europäischen Gremien Entscheidungen treffen. Das ist für uns wesentlich, weil es sicherstellt, dass Hilfen einen Ultima-Ratio-Charakter behalten und dass Hilfen auch in Europa dann nicht gegen Deutschland beschlossen werden können. Wir wollen eine Stabilitätsunion, darum geht es uns und dazu ist der Parlamentsvorbehalt auch ein Instrument. Wir wollen eine Stabilitätsunion haben, damit Europa insgesamt geprägt ist von Wettbewerbsfähigkeit, Europa geprägt ist dadurch, dass Wohlstand erwirtschaftet wird und nicht nur umverteilt wird.

    Herter: Die CSU will keine europäische Wirtschaftsregierung im engeren Sinne und auch nicht die Vereinigten Staaten von Europa. Nutzt die FDP hier die Chance zur Profilierung und sieht sie das anders?

    Lindner: Wir wollen ein starkes Europa, aber wir wollen ein Europa, das geprägt ist durch gemeinsame Regeln und Werte. Wir wollen kein Europa, in dem es neue bürgerferne Institutionen gibt, Bürokratismus gibt, wo es neue Gebäude mit Fahnen davor gibt, in die viele EU-Beamte gehen. Wir wollen also eine andere Kultur von europäischer Integration erreichen. Dazu gehört selbstverständlich auch mehr Koordination, aber eher im Sinne von gemeinsamen Leitplanken, wie wir sie mit dem Stabilitätspakt, mit den Maastricht-Kriterien hatten. Nur diese Leitplanken, diese gemeinsamen Vorstellungen, was die großen makroökonomischen Fragen angeht, die müssen mit verbindlichem Charakter ausgestattet werden. Das heißt also, Defizite in den Staatshaushalten, die gegen auch geschärfte Stabilitätskriterien verstoßen, die müssen zu automatischen Sanktionen führen, die müssen politikfest werden.

    Herter: Entzug des Stimmrechts?

    Lindner: Ja, es ist eine rechtliche Diskussion, ob das überhaupt möglich ist. Aber in der Tat: Es könnte ein Weg sein.

    Herter: Bundeskanzlerin Merkel hat das schon mal probiert und ist damit gescheitert.

    Lindner: Ja die Situation hat sich aber verändert. Es hat ja durch die Fortsetzung der Krise in Europa auch durchaus jetzt ein Umdenken in vielen Staaten gegeben. Da wächst eine Stabilitätskultur. Überlegen Sie mal: Vor gut einem Jahr, vor über einem Jahr wurde in Europa darüber diskutiert, ob Deutschland nicht möglicherweise zu Unrecht in der Wirtschaftskrise spart, und jetzt ist es möglich geworden, dass viele Staaten über Schuldenbremsen nachdenken müssen, eine gemeinsame deutsch-französische Position. Das ist doch ein Erfolg Deutschlands, dass diese Stabilitätskultur inzwischen in Europa an vielen Stellen anerkannt wird. Wie gesagt: Vor einem Jahr war es ganz anders. Da hieß es, es wird kaputt gespart, auch übrigens von der deutschen Opposition wurden solche Vorwürfe erhoben. Und jetzt haben wir gesehen, man kann eine Schuldenkrise nicht dadurch lösen, dass man die Verschuldung vereinfacht, und das ist ein Erfolgsbeitrag Deutschlands, auch der FDP in der Bundesregierung, auf Stabilitätskultur und Entschuldung zu achten.

    Herter: Das war der FDP-Generalsekretär Christian Lindner im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Herr Lindner, besten Dank und schönen Tag!

    Lindner: Ich danke Ihnen, Herr Herter. Tschüß!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.