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"Wir wollen eine Steuerreform in Angriff nehmen"

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat betont, es gebe in seiner Partei keinen Grundsatzstreit über Steuererleichterungen. Alle seien sich einig, dass eine Steuerreform in das Programm für die Bundestagswahl gehöre. So müsse etwa die kalte Progression zurückgenommen werden. Mit Blick auf die Finanzierung sagte Pofalla, er gehe davon aus, dass es durch die Konjunkturprogramme eine Wachstumsphase geben werde.

Ronald Pofalla im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Es sind noch etwas mehr als vier Monate, bis zur nächsten Bundestagswahl. Die Parteien in Deutschland laufen sich so langsam warm für den Wahlkampf. Viele Beobachter sehen vor allem die CDU in einer schwierigen Lage: Die Partei will auch in der Wirtschaftskrise ihr marktwirtschaftliches Profil nicht verlieren, muss aber zugleich ihren Stammwählern erklären, warum der Staat für Autobauer und gescheiterte Banken Milliardensummen aufbringen soll. Ich habe vor der Sendung mit dem CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla gesprochen und ihn gefragt, warum die CDU anders als die SPD noch kein Wahlprogramm vorgelegt hat.

    Ronald Pofalla: Weil erst in fünf Monaten Bundestagswahl ist und es völlig ausreichend ist, jetzt sich zunächst auf die Europawahl zu konzentrieren und dann Ende Juni, drei Monate vor der Bundestagswahl, unser Programm zu beraten, zu verabschieden und dann den Wählerinnen und Wählern vorzustellen.

    Armbrüster: Liegt es vielleicht auch daran, dass Sie sich in der CDU immer noch nicht darüber einigen können, ob Steuererleichterungen in diesem Wahlprogramm stehen sollen oder nicht?

    Pofalla: Daran liegt’s ganz sicher nicht, weil wir uns da einig sind. Wir werden einen Teil im Wahlprogramm enthalten haben, der sich mit der Steuerreform in der nächsten Legislaturperiode befassen wird. Wir wollen eine Steuerreform nach den Prinzipien "einfach, niedrig und gerecht", und wir wollen vor allem, dass kleine und mittlere Einkommensbezieher mehr Netto vom Brutto haben. Und deshalb müssen wir die kalte Progression zurücknehmen.

    Armbrüster: Aber nicht alle scheinen sich wirklich darüber einig zu sein, dass es tatsächlich Einigkeit gibt. In den vergangenen Tagen sind Stimmen von drei CDU-Ministerpräsidenten laut geworden, die gesagt haben, Leute, lasst mal lieber die Finger von diesem Wort Steuererleichterung oder Vereinfachung von Steuern.

    Pofalla: Na, so haben sie es, glaube ich, nicht gesagt, aber so sind sie zumindest – und da haben Sie recht – interpretiert worden. Ich habe mit allen dreien gesprochen. Wir sind uns einig, dass wir, bedingt durch die beiden Konjunkturprogramme, ja eine wachstumsorientierte Politik betreiben, die durch die Konjunkturprogramme dazu führen sollen, dass wir relativ schnell wieder Wachstum bekommen. Und aus dem Wachstum, das wir dann wieder haben, wollen wir einen Dreiklang gestalten: Wir wollen Schulden zurückführen, wir wollen Investitionen in die Bildung vornehmen, aber wir wollen eben auch eine Steuerreform in Angriff nehmen.

    Armbrüster: Aber sind Sie nicht da ein bisschen optimistisch? Die aktuellen Schätzungen gehen jetzt davon aus, dass es in den nächsten Jahren bis 2013 circa 300 Milliarden Euro an einem Fehlbetrag geben wird in den öffentlichen Kassen. Auch die Steuerschätzung in der kommenden Woche geht von einem zweistelligen Milliardenbetrag aus, der fehlt. Ist es da wirklich an der Zeit, über Steuerentlastung zu sprechen?

    Pofalla: Ja, nun warten wir erst mal die Schätzung ab, weil das Irre ist ja, jetzt soll geschätzt werden, aber alle reden schon über Zahlen. Aber selbst wenn die Zahlen vorliegen, muss man ja wissen, dass die gesamtstaatliche Mindereinnahme sich dann auf mehrere Jahre beziehen wird und auf alle staatlichen Ebenen, also Kommunen, Länder und der Bund. Man muss sich sehr genau ansehen, welche Auswirkungen das auf den Bund haben wird. Und um es noch mal zu sagen: Wir werden ja auch wieder in eine Wachstumsphase kommen, und über diese Phase reden wir, während die Prognosen jetzt ja basieren auf der Annahme, dass wir ein Minuswachstum von um die fünf bis sechs Prozent haben.

    Armbrüster: Aber ich meine, von Peer Steinbrück und dem Finanzministerium gibt es ja schon eine Prognose, die geht circa von 12, 13 Milliarden aus, die allein in diesem Jahr fehlen sollen. Zweifeln Sie diesen Betrag an?

    Pofalla: Es geht gar nicht um die Beträge. Kein Mensch will in diesem Jahr eine Steuerreform. Im Übrigen, wir haben in diesem Jahr eine Steuerreform, wir entlasten die Menschen steuerrechtlich in diesem Jahr – Sie werden es auf Ihrem Gehaltszettel übrigens gesehen haben – um drei Milliarden Euro, trotz einer Mindereinnahme von 13 Milliarden. Also die Argumentation von Herrn Steinbrück ist nicht schlüssig. Er selber hat an dieser Steuerreform als der zuständige Minister nicht nur mitgewirkt, er hat sie eingebracht. Und: Herr Steinbrück hat an einer Steuerreform mitgewirkt im nächsten Jahr, wo wir ja auch noch mal nach seiner Prognose Steuermindereinnahmen haben. Also Herrn Steinbrück nehme ich an dieser Stelle überhaupt nicht ernst. Er hat in dieser Krise zu Recht mit uns in der Krise durch Steuersenkungen reagiert und will uns jetzt vorschreiben, weil er einer Partei angehört, die einfallslos ist, weil sie ja nur Steuern erhöhen will oder sogar neue Steuern wie die Börsensteuer erfindet … Wir lassen uns von solchen Leuten keine Vorgaben machen im Blick auf unsere Überlegungen für die nächste Legislaturperiode.

    Armbrüster: Das heißt, Sie werfen Peer Steinbrück vor, dass er mit falschen Zahlen spielt?

    Pofalla: Nein, ich werfe Peer Steinbrück vor, dass er selber anders handelt. Er hat in dieser Legislaturperiode in diesem Jahr mit uns beschlossen, in der Krise trotz Mindereinnahmen die kalte Progression um drei Milliarden Euro zurückzunehmen, und er hat in der Krise und mit Steuermindereinnahmen im nächsten Jahr mit uns beschlossen, die kalte Progression um weitere drei Milliarden Euro zum 1. Januar zurückzunehmen. Also er wirft uns ein Verhalten vor, nachdem er selber in diesem Jahr mit uns gemeinsam gehandelt hat. Und deshalb nehme ich an dieser Stelle Peer Steinbrück einfach nicht ernst. Er kann sich in seiner Partei, die eine Steuererhöhungspartei ist, eben nicht durchsetzen.

    Armbrüster: Kommen wir noch mal zurück zu den Steuererleichterungen. Können wir jetzt festhalten, dass Sie, der CDU-Generalsekretär, im CDU-Wahlprogramm für die Bundestagswahl Steuererleichterungen vorsehen möchten?

    Pofalla: Ich werde dem Bundesvorstand und dem Präsidium der CDU einen Entwurf eines Wahlprogramms vorlegen, in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Vorstand der CSU, in dem es einen eindeutigen Steuerentlastungsteil in der nächsten Legislaturperiode geben wird.

    Armbrüster: Die CDU befindet sich jetzt sozusagen im Vorwahlkampf. Haben Sie es nicht hier in der Wirtschaftskrise mit einem schwierigen Problem zu tun? Sie müssen sozusagen eine Brücke bauen innerhalb Ihrer Partei, Sie müssen Ihrer Partei irgendwie erklären, dass Sie einen deutschen Autobauer mit einem Milliardenbetrag an Garantien helfen müssen, außerdem einer Bank mit circa 100 Milliarden Euro staatlichen Garantien unter die Arme greifen oder sogar verstaatlichen. Wie können Sie das Ihren konservativen Wählern und Ihren Haushaltspolitikern vermitteln?

    Pofalla: Ja, indem die Erfolge uns recht geben. Nehmen Sie die HRE. Was ist da gestritten worden? Und jetzt sehen wir, dass das Vorgehen, der Gesetzentwurf, den wir entscheidend beeinflusst haben, richtig war.

    Armbrüster: Aber es bleibt doch dabei, Sie müssen eine extrem unattraktive Bank kaufen und verstaatlichen.

    Pofalla: Nein, wir kaufen sie, und das hat mit Verstaatlichen gar nichts zu tun. Verstaatlichen wäre, wenn wir quasi Eigentümer gegen ihren Willen enteignet hätten, um in die Mehrheitsposition zu kommen. Diesen Weg müssen wir jetzt nicht gehen. Also insofern war unser Weg richtig, wir haben den Aktionären ein freiwilliges Angebot unterbreitet, und darauf sind sie eingegangen. Und jetzt haben wir annähernd 50 Prozent der Aktien. Und was wir doch damit retten, ist, wir retten damit eine systemische Bank, die, würden wir sie nicht retten, dazu führen würde, dass bei uns in Deutschland am Ende die Refinanzierungskosten für alle Menschen teurer würden, der Pfandbriefmarkt zusammenbrechen würde und vermutlich sogar Auswirkungen auf den Immobilienmarkt in Deutschland zu verzeichnen wären. Alles das verhindern wir, und es macht nur deutlich, wie gut und klug wir gehandelt haben.

    Armbrüster: Aber wie erklären Sie das Ihren Mittelstandsvertretern, die für sich auch Hilfen einfordern?

    Pofalla: Ja, die sie ja bekommen. Wir haben über die KfW ein eigenes Mittelstandsprogramm von etwa 100 Milliarden Euro, die dem Mittelstand in Form von Bürgschafts- und Kreditprogrammen zur Verfügung gestellt werden und die übrigens außerordentlich attraktiv vom Mittelstand beansprucht werden. Ich gebe zu, öffentlich werden immer nur so Fälle wie Opel diskutiert, die Wahrheit ist aber, der Mittelstand wird derzeit über die Kredit- und Bürgschaftsprogramme des Bundes stärker gefördert als die Industrie.

    Armbrüster: Wie erklären Sie sich dann, dass Ihr Mittelstandsexperte Schlarmann die Bundeskanzlerin gefragt hat: "Wieso soll ein Unternehmer in Deutschland noch CDU wählen?"

    Pofalla: Ja, weil Herr Schlarmann das vermutlich nicht wusste und wir haben es ihm ja dann auch erklärt, und Herr Schlarmann ist außerordentlich zufrieden mittlerweile darüber, nachdem wir ihm aufgezeigt haben, was wir alles im Mittelstandsbereich mittlerweile machen über die KfW und wie viel Milliarden Euro gerade vom kleinen Mittelstand abgerufen werden in der Krise, die wir derzeit haben.

    Armbrüster: Herr Pofalla, Finanzminister Peer Steinbrück macht in dieser Woche Schlagzeilen mit seiner Kritik an Steueroasen. Er hat die Länder wie Österreich und die Schweiz in eine Linie gestellt wie Burkina Faso. Teilen Sie diese Ansicht?

    Pofalla: Herr Steinbrück ist ein Maulheld und Herr Steinbrück hat ja schon als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen gezeigt, Maulhelden sind am Ende nicht populär und werden abgewählt. Er ist in Nordrhein-Westfalen abgewählt worden und er wird, davon bin ich überzeugt, mit der SPD am 27. September in die Opposition gehen.

    Armbrüster: Aber er hat das Thema Steueroasen für seine Partei entdeckt und besetzt. Müssen da nicht bei Ihnen als CDU-Generalsekretär die Alarmglocken schrillen?

    Pofalla: Ganz im Gegenteil. Wir haben Herrn Steinbrück in seinen ursprünglichen Vorstellungen, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, immer unterstützt. Er hat nur einzelne Vorschläge gemacht, die nicht gingen. Peer Steinbrück hat ja immer die Art, erst mal übers Ziel hinauszuschießen, und dann muss man ihm ja mit intellektuellen, überzeugenden Argumenten erst auf einen Weg der Vernunft bringen. Und dann sind wir jetzt ja auch in einem gemeinsamen Gesetzentwurf einig geworden. Wir haben Peer Steinbrück auf den richtigen Weg, auf das richtige Gleis gesetzt. Die Richtung der Steuerhinterziehung wollten wir immer gemeinsam bekämpfen.

    Armbrüster: Über die Position der CDU im Wahlkampf in diesem Jahr sprachen wir mit Ronald Pofalla, dem Generalsekretär der Partei. Vielen Dank, Herr Pofalla!

    Pofalla: Ich bedanke mich herzlich!