Gerd Breker: Die Abiturprüfung soll bundesweit vergleichbarer werden. Fünf Bundesländer haben sich auf konkrete Schritte für einen gemeinsamen Aufgaben-Pool in Deutsch und Mathematik geeinigt. Das schreibt die Süddeutsche Zeitung heute. Daran beteiligt seien Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. – Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz, mit Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle. Guten Tag, Herr Spaenle.
Ludwig Spaenle: Grüß Gott!
Breker: Bayern ist dabei, wo möglich auch eine der treibenden Kräfte. Was sind Ihre Beweggründe, Herr Spaenle?
Spaenle: Die Länder müssen die Letztverantwortung in der Bildungspolitik in gesamtstaatlicher Verantwortung wahrnehmen, sodass man dem Vorwurf begegnet, Kleinstaaterei zu betreiben. Konkret heißt das, es muss in der Bildungsrepublik möglich sein, von einem Ort an den anderen umzuziehen, ohne dass die Kinder darunter Schaden nehmen. Deshalb diese Strategie.
Breker: Deutsch und Mathematik sind die erstmals ausgewählten Fächer. Warum diese beiden und warum die Beschränkung darauf?
Spaenle: Zunächst einmal sind das natürlich Kernfächer, die überall unterrichtet werden. Bei Fremdsprachen wird sicher dann wahrscheinlich die Lingua franca Englisch dazutreten, aber man hat eben diese beiden Kernfächer, die ja unzweifelhaft zu jedem Abiturkanon gehören, deshalb in den Mittelpunkt gestellt.
Breker: Ein gemeinsamer Aufgaben-Pool, Herr Spaenle, macht ja eigentlich nur dann Sinn, wenn man auch den Lehrstoff, die Lehrinhalte aufeinander abstimmt.
Spaenle: Das kann man so nicht mehr sagen. Mit der Standardstrategie, die die Kultusministerkonferenz ja seit ungefähr fünf Jahren verfolgt, werden ja inhaltliche Mindeststandards definiert. Wann und wie das unterrichtet wird, sage ich einmal, ist letztlich wiederum allein Verantwortung der Länder. Es muss eben zum Zeitpunkt des Abiturs ein bestimmtes Wissensniveau in den Kernfächern erreicht sein.
Breker: Denken Sie, Herr Spaenle, dass man, um diese gemeinsamen Abiturstandards festzulegen, einen Staatsvertrag der Länder braucht?
Spaenle: Ich weiß, dass das ein heißes Eisen ist. Ich würde aber trotzdem anregen, das zu prüfen. Das hat mit Verlässlichkeit und mit Zuverlässigkeit in der Vergleichbarkeit zu tun, wenn man einen solchen Weg einschlägt. Zum anderen kann damit der Bildungsföderalismus auch von der reinen Exekutivebene im Bereich der Parlamente stärker verordnet werden. Es gibt dort das Vorbild der Rundfunkstaatsverträge, das ja über lange Jahrzehnte sehr gut handhabbar erscheint.
Breker: Sollte man das dann möglicherweise sogar auf mehrere Bereiche, auch mit anderen Abschlüssen, etwa Hauptschule, Realschule, abstimmen und ebenso halten?
Spaenle: Ich persönlich – das kann ich jetzt nur für die Bildungspolitik in meinem Land sagen – könnte mir das in einem weiteren Zeithorizont auch als Prüfungsgegenstand vorstellen. Sinnhaft, glaube ich, erscheint es mir, aber das ist etwas, das mit anderen Kollegen in dieser Form noch nicht abgestimmt ist.
Breker: Weil es ein wenig die Aufgabe der Kulturhoheit der Länder wäre?
Spaenle: Das sehe ich ganz im Gegenteil. Wenn die Länder sich in ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung hier zusammentun, dann ist die Zugriffsfrage des Bundes, glaube ich, eindeutig zu beantworten.
Breker: Begründet wird dieser Schritt auch damit, dass man sagt, man ziehe die Konsequenzen aus zehn Jahren PISA. Was an der PISA-Studie oder besser an den PISA-Studien hat Sie motiviert, hier voranzugehen?
Spaenle: Die Tatsache, wie die empirische Bildungsforschung und ihre Evaluation gewirkt haben. Das ist doch ein wirklich bemerkenswert positives Ergebnis, auch gerade für den Bildungsföderalismus, dass unter ganz unterschiedlichen schulorganisatorischen Rahmenbedingungen die Bundesrepublik insgesamt sich doch wirklich bewegen kann, Defizite auszugleichen und diese Strategie, nämlich empirische Bildungsforschung, nicht nur im akademischen Rahmen zu betreiben, sondern als aktives Instrument in bildungspolitische Prozesse einzubringen. Die kann dadurch ein Stück weit in der Praxis weiterentwickelt werden.
Breker: Bislang haben sich erst fünf Länder dazu bereit erklärt, diesen Aufgaben-Pool gemeinsam zu erarbeiten. Sollten es nicht mehr werden?
Spaenle: Es war Thüringen dabei, das hat sich im Moment zurückgezogen. Wir wollen, wenn man so will, einen positiven Konvergenzdruck oder auch Anreiz setzen. Natürlich sind alle anderen Länder auch herzlich eingeladen, sich diesem Prozess anzuschließen. Ich halte auch die stärkere Absicherung oder das politische Absichern wichtiger bildungspolitischer Instrumente oder Prozesse auch auf Basis eines Staatsvertrages schon für ein wichtiges Element, weil das natürlich auch das Signal der Verlässlichkeit auf Bundesebene deutlich machen kann, und könnte zeigen, dass der Kulturföderalismus hier wirklich in einem zentralen Handlungsfeld eben sich auch so bewegt, dass es über die Wahrnehmung von Verantwortung hinaus auch eine Gestaltungsebene auf Bundesebene ermöglicht.
Breker: Herr Spaenle, ein Ergebnis der PISA-Studien irritiert immer besonders. Noch immer ist bei uns in Deutschland und hier wie sonst nicht die Herkunft, der familiäre Hintergrund entscheidend über den Bildungsstand der Schüler. Was muss da eigentlich geschehen?
Spaenle: Das ist in der Tat eines der größten Gravamen, die die Bildungspolitik in der Bundesrepublik zu beantworten hat. Ich – und für die Unions-Länder darf ich das sagen -, wir sehen die Notwendigkeit, gerade bei auch deutlich zurückgehenden Schülerzahlen das Thema der individuellen Förderung auch durch Ressourceneinsatz noch weiter in den Mittelpunkt zu rücken, hier als Möglichkeit der entsprechenden Antwort. Ein zweites Feld ist natürlich auch eine entsprechende leistungsorientierte Differenzierung. Auch das kostet letztlich Ressourcen.
Breker: Hallo? – Wir hatten einen kurzen Aussetzer, Herr Spaenle. Ich danke Ihnen aber bis hierhin für das Interview. Im Deutschlandfunk war das der Präsident der Kultusministerkonferenz, Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle. Vielen Dank für dieses Gespräch.
Spaenle: Vielen Dank!
Ludwig Spaenle: Grüß Gott!
Breker: Bayern ist dabei, wo möglich auch eine der treibenden Kräfte. Was sind Ihre Beweggründe, Herr Spaenle?
Spaenle: Die Länder müssen die Letztverantwortung in der Bildungspolitik in gesamtstaatlicher Verantwortung wahrnehmen, sodass man dem Vorwurf begegnet, Kleinstaaterei zu betreiben. Konkret heißt das, es muss in der Bildungsrepublik möglich sein, von einem Ort an den anderen umzuziehen, ohne dass die Kinder darunter Schaden nehmen. Deshalb diese Strategie.
Breker: Deutsch und Mathematik sind die erstmals ausgewählten Fächer. Warum diese beiden und warum die Beschränkung darauf?
Spaenle: Zunächst einmal sind das natürlich Kernfächer, die überall unterrichtet werden. Bei Fremdsprachen wird sicher dann wahrscheinlich die Lingua franca Englisch dazutreten, aber man hat eben diese beiden Kernfächer, die ja unzweifelhaft zu jedem Abiturkanon gehören, deshalb in den Mittelpunkt gestellt.
Breker: Ein gemeinsamer Aufgaben-Pool, Herr Spaenle, macht ja eigentlich nur dann Sinn, wenn man auch den Lehrstoff, die Lehrinhalte aufeinander abstimmt.
Spaenle: Das kann man so nicht mehr sagen. Mit der Standardstrategie, die die Kultusministerkonferenz ja seit ungefähr fünf Jahren verfolgt, werden ja inhaltliche Mindeststandards definiert. Wann und wie das unterrichtet wird, sage ich einmal, ist letztlich wiederum allein Verantwortung der Länder. Es muss eben zum Zeitpunkt des Abiturs ein bestimmtes Wissensniveau in den Kernfächern erreicht sein.
Breker: Denken Sie, Herr Spaenle, dass man, um diese gemeinsamen Abiturstandards festzulegen, einen Staatsvertrag der Länder braucht?
Spaenle: Ich weiß, dass das ein heißes Eisen ist. Ich würde aber trotzdem anregen, das zu prüfen. Das hat mit Verlässlichkeit und mit Zuverlässigkeit in der Vergleichbarkeit zu tun, wenn man einen solchen Weg einschlägt. Zum anderen kann damit der Bildungsföderalismus auch von der reinen Exekutivebene im Bereich der Parlamente stärker verordnet werden. Es gibt dort das Vorbild der Rundfunkstaatsverträge, das ja über lange Jahrzehnte sehr gut handhabbar erscheint.
Breker: Sollte man das dann möglicherweise sogar auf mehrere Bereiche, auch mit anderen Abschlüssen, etwa Hauptschule, Realschule, abstimmen und ebenso halten?
Spaenle: Ich persönlich – das kann ich jetzt nur für die Bildungspolitik in meinem Land sagen – könnte mir das in einem weiteren Zeithorizont auch als Prüfungsgegenstand vorstellen. Sinnhaft, glaube ich, erscheint es mir, aber das ist etwas, das mit anderen Kollegen in dieser Form noch nicht abgestimmt ist.
Breker: Weil es ein wenig die Aufgabe der Kulturhoheit der Länder wäre?
Spaenle: Das sehe ich ganz im Gegenteil. Wenn die Länder sich in ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung hier zusammentun, dann ist die Zugriffsfrage des Bundes, glaube ich, eindeutig zu beantworten.
Breker: Begründet wird dieser Schritt auch damit, dass man sagt, man ziehe die Konsequenzen aus zehn Jahren PISA. Was an der PISA-Studie oder besser an den PISA-Studien hat Sie motiviert, hier voranzugehen?
Spaenle: Die Tatsache, wie die empirische Bildungsforschung und ihre Evaluation gewirkt haben. Das ist doch ein wirklich bemerkenswert positives Ergebnis, auch gerade für den Bildungsföderalismus, dass unter ganz unterschiedlichen schulorganisatorischen Rahmenbedingungen die Bundesrepublik insgesamt sich doch wirklich bewegen kann, Defizite auszugleichen und diese Strategie, nämlich empirische Bildungsforschung, nicht nur im akademischen Rahmen zu betreiben, sondern als aktives Instrument in bildungspolitische Prozesse einzubringen. Die kann dadurch ein Stück weit in der Praxis weiterentwickelt werden.
Breker: Bislang haben sich erst fünf Länder dazu bereit erklärt, diesen Aufgaben-Pool gemeinsam zu erarbeiten. Sollten es nicht mehr werden?
Spaenle: Es war Thüringen dabei, das hat sich im Moment zurückgezogen. Wir wollen, wenn man so will, einen positiven Konvergenzdruck oder auch Anreiz setzen. Natürlich sind alle anderen Länder auch herzlich eingeladen, sich diesem Prozess anzuschließen. Ich halte auch die stärkere Absicherung oder das politische Absichern wichtiger bildungspolitischer Instrumente oder Prozesse auch auf Basis eines Staatsvertrages schon für ein wichtiges Element, weil das natürlich auch das Signal der Verlässlichkeit auf Bundesebene deutlich machen kann, und könnte zeigen, dass der Kulturföderalismus hier wirklich in einem zentralen Handlungsfeld eben sich auch so bewegt, dass es über die Wahrnehmung von Verantwortung hinaus auch eine Gestaltungsebene auf Bundesebene ermöglicht.
Breker: Herr Spaenle, ein Ergebnis der PISA-Studien irritiert immer besonders. Noch immer ist bei uns in Deutschland und hier wie sonst nicht die Herkunft, der familiäre Hintergrund entscheidend über den Bildungsstand der Schüler. Was muss da eigentlich geschehen?
Spaenle: Das ist in der Tat eines der größten Gravamen, die die Bildungspolitik in der Bundesrepublik zu beantworten hat. Ich – und für die Unions-Länder darf ich das sagen -, wir sehen die Notwendigkeit, gerade bei auch deutlich zurückgehenden Schülerzahlen das Thema der individuellen Förderung auch durch Ressourceneinsatz noch weiter in den Mittelpunkt zu rücken, hier als Möglichkeit der entsprechenden Antwort. Ein zweites Feld ist natürlich auch eine entsprechende leistungsorientierte Differenzierung. Auch das kostet letztlich Ressourcen.
Breker: Hallo? – Wir hatten einen kurzen Aussetzer, Herr Spaenle. Ich danke Ihnen aber bis hierhin für das Interview. Im Deutschlandfunk war das der Präsident der Kultusministerkonferenz, Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle. Vielen Dank für dieses Gespräch.
Spaenle: Vielen Dank!