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"Wir wollen keine Schuldenunion"

Für den früheren CSU-Chef Erwin Huber kommt beim Thema Eurobonds ein "Einknicken natürlich nicht infrage". So hält er auch die Einberufung eines CSU-Sonderparteitag bei einem möglichen Kurswechsel der Regierung für berechtigt. Dieser sei als "berechtigter Warnschuss" zu verstehen - gegen wackelnde Koalitonäre in dieser Frage.

Erwin Huber im Gespräch mit Martin Zagatta | 02.12.2011
    Martin Zagatta: Am Montag wollen Deutschland und Frankreich ihren Plan vorstellen, wie der Schuldenkrise nun endlich beizukommen ist - mit härteren Auflagen gegen Defizitsünder, heißt es aus Berlin. "So nicht", verlautet allerdings aus Paris. Präsident Sarkozy setzt, so hat er gestern Abend klar gemacht, auf Eurobonds und die Zentralbank.
    Damit stellt sich vor der Regierungserklärung von Angela Merkel am Vormittag natürlich die Frage, ob die Bundesregierung nachgibt und von ihrem härteren Kurs abrückt.

    Am Telefon sind wir jetzt mit Erwin Huber verbunden, dem früheren CSU-Chef. Guten Tag, Herr Huber.

    Erwin Huber: Hallo! Ich grüße Sie.

    Zagatta: Herr Huber, wer wollte, der konnte das jetzt schon heraushören: Die Kanzlerin sperrt sich nicht mehr ganz so sehr gegen Eurobonds, also keine generelle Ablehnung mehr. Die EZB, so heißt es jetzt, sei unabhängig. Das heißt also, sie kann auch Staatsanleihen aufkaufen, wenn sie das will. Da ist doch ein Kurswechsel schon abzusehen. Macht die CSU das mit?

    Huber: Also, wir sehen hier keinen Kurswechsel, sondern es ist ja so, dass die Kanzlerin eisern und zum Teil ja einsam in ganz Europa steht mit der Forderung Stabilitätsunion, mit der Forderung Ergänzung der Verträge, um mehr Haushaltsdisziplin zu erzwingen, mit der bisher ganz klaren eisernen Ablehnung von Eurobonds. Und deshalb wird dieser Kurs der Kanzlerin von uns nachhaltig unterstützt und man sollte ihr von deutscher Seite nicht in den Rücken fallen, wie das leider die Opposition macht. Die CSU steht hier ganz klar zur Kanzlerin.

    Zagatta: Aber glaubt der Kanzlerin überhaupt noch jemand? Wir haben ja auch schon Erklärungen gehört, wie eisern behauptet wurde, diesen Hebel werde es nicht geben, jetzt wird er genau so eingeführt, jetzt hat man das übernommen. Glauben Sie noch, dass es bei diesen Bekundungen bleibt?

    Huber: Wenn man den Kurs über das ganze Jahr hinweg sieht, dann hat sich Deutschland doch innerhalb Europas mit einem solchen Kurs mehr durchgesetzt als die anderen. Dass man gelegentlich auch pragmatisch einen Kompromiss machen muss, das ist richtig, aber wir haben auch bei der Hebelung des Rettungsschirmes ja keine Ausdehnung der Haftungssumme Deutschlands. Und dass man mit dem Internationalen Währungsfonds zusammenarbeitet, dass man versucht, diese Länder wie Italien, Spanien auch zu stabilisieren, das ist logisch und das ist präventiv. Aber insgesamt muss ich sagen, wird der Kurs der Kanzlerin von der CSU nachhaltig unterstützt und wird auch begrüßt, dass sie in dieser Klarheit steht.

    Zagatta: Was ist denn dran an einem Bericht der Süddeutschen Zeitung, die heute schreibt, die CSU, CSU-Chef Seehofer, der erwäge jetzt schon, einen Sonderparteitag einzuberufen für diesen Kurswechsel, weil man eben beim letzten Parteitag das Gegenteil beschlossen hat? Was ist dran an diesem Bericht?

    Huber: Also, zunächst einmal will ich mich nicht an Spekulationen beteiligen. Aber für mich wäre es schon einsichtig, wenn es hypothetisch einen Kurswechsel gäbe innerhalb der Koalition in Berlin. Wenn meinetwegen die FDP durch den Mitgliederentscheid umschwenken würde. Oder meinetwegen auch die Freunde aus der CDU das anders sehen, dann ist völlig klar: Einen grundsätzlichen Kurswechsel würde die CSU so nicht mitmachen. Und dass dann der Parteivorsitzende möglicherweise überlegt, dann einen Sonderparteitag zu machen, das ist für mich schon nachvollziehbar, denn das wäre natürlich eine ganz ernste Krise auch der Politik in Deutschland. Das heißt also, wir würden auf keinen Fall dann einen solchen Weg mitmachen, sondern dann müsste die CSU ganz prinzipiell sagen, jetzt sind wir an einem Scheideweg, wir wollen keine Schuldenunion, wir machen diesen Weg nicht mit. Und das wäre sicherlich auch eine Regierungskrise in Berlin. Und deshalb müsste dann natürlich das oberste Gremium der CSU sich mit einer solchen Situation auseinandersetzen. Ich sehe das Ganze als einen berechtigten Warnschuss des CSU-Vorsitzenden, dass die CSU einen Weg in die Schuldenunion nie und nimmer mitmachen würde.

    Zagatta: Ganz ähnlich äußert sich jetzt der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach. Der wird von der Süddeutschen Zeitung auch so zitiert: Dann müssen wir – also die CSU – eben sagen, ob wir die Notbremse ziehen oder nicht. Für Sie, habe ich Sie jetzt recht verstanden, kommt Einknicken nicht infrage? Sie würden dann die Notbremse ziehen?

    Huber: Für uns kommt Einknicken natürlich nicht infrage, denn unser Bekenntnis zur Stabilitätsunion kommt aus Überzeugung, kommt auch aus der Sorge um den Euro und natürlich auch unsere Gewährleistung für die Sparer und für die Geldwertstabilität. Das steht nicht zur Disposition.

    Zagatta: Glauben Sie denn, dass man an Stabilitätskriterien, wie das die Bundesregierung offiziell vorhat, dass man da überhaupt an dieser Schraube drehen kann, an der Defizitgrenze, wenn da Vertragsänderungen in der Europäischen Union nötig wären? Das würde doch wahrscheinlich Jahre dauern.

    Huber: Nein, das muss nicht Jahre dauern. So etwas kann man relativ schnell machen. Aber es muss natürlich dann von allen EU-Staaten auch ratifiziert werden. Aber ich verstehe die Kanzlerin auch so: Wenn die gesamte Europäische Union mit 27 Ländern das nicht mitmachen würde, weil Länder außerhalb des Euro wie das Vereinigte Königreich vielleicht dagegen sind, dann muss der Euro-Bereich, die 17 Länder des Euro, eigenständig handeln. Also für mich ist das eine Lehre dieses Jahres: Wir brauchen härtere Vorkehrungen, größere Haushaltsdisziplin und wirksame Sanktionen. Und das ist genau der richtige Weg, den die Kanzlerin hier einschlägt.

    Zagatta: Danke schön für diese Aussagen, für diese klaren Aussagen. – Das war Erwin Huber, der frühere CSU-Chef. Herr Huber, herzlichen Dank für das Gespräch.

    Huber: Bitte sehr!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.