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"Wir wollen keine starren Tempolimits"

Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dirk Fischer, lehnt eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen ab. Dies sei "ökologisch, technologisch und gesamtwirtschaftlich eher kontraproduktiv", sagte Fischer.

Moderation: Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Es war in den 80er Jahren, als der rot-grüne Senat in Berlin auf der Autobahn Avus ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde einführte. Damit sorgte die damalige Berliner Regierung für monatelange Massenproteste von Autofahrern. Als Relikt sieht man bis heute auf alten Berliner Autos manchmal noch den Aufkleber mit der Aufschrift "Tempo 100 – ick glob ick spinne". Müssen nun die Druckmaschinen wieder angeworfen werden, nachdem sich die SPD auf ihrem Parteitag in Hamburg am Wochenende überraschend auf die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen von 130 Kilometern pro Stunde aussprach?

    Die Debatte ist alt. Bislang war sie am Widerstand der Union gescheitert. Trotzdem könnte sie jetzt wieder an Schärfe gewinnen. Am Telefon ist nun der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag Dirk Fischer. Guten Morgen!

    Dirk Fischer: Guten Morgen Frau Schulz!

    Schulz: Herr Fischer, es gibt ja auch in der Unionsfraktion Stimmen, die das Tempolimit fordern. Der CSU-Abgeordnete Göppel begrüßte auch den Beschluss der SPD. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust – auch CDU – deutete Gesprächsbereitschaft an. Sind das Vorreiter?

    Fischer: Das glaube ich nicht, sondern das sind einzelne Stimmen, die es immer schon gegeben hat. Die Position der Union ist völlig eindeutig. Wir wollen keine starren Tempolimits haben auf deutschen Autobahnen, weil sie nach unserer Überzeugung ökologisch, technologisch und gesamtwirtschaftlich eher kontraproduktiv sind. Und wir sind in Deutschland auch unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit mit unserem Regelwerk viel besser gefahren als andere Länder, die ein starres Tempolimit haben und viel schlechtere Werte haben als unser Land.

    Schulz: Heißt das nach dem Beschluss der SPD, dass das nächste große Streitthema in der Großen Koalition ansteht?

    Fischer: Ich denke nein. Hier ist gegen die Empfehlung der Parteiführung, der Antragskommission und dem Rat des Bundesumweltministers Gabriel ein Beschluss mit knapper Mehrheit gefasst worden, obwohl wir gerade im September gemeinsam mit dem Koalitionspartner, der SPD, und der FDP Anträge der Grünen und der Linken im Deutschen Bundestag für ein starres Tempolimit abgelehnt haben. Damit ist für diese Legislaturperiode in dieser Koalition alles entschieden. Wer 2009 in seine Wahlprogramme was reinschreibt, ist eine völlig andere Sache, aber bis 2009 wird mit der Großen Koalition an dieser Sache nicht gerüttelt.

    Schulz: Lassen Sie uns noch mal auf die Argumente im Einzelnen blicken. Der SPD-Parteitag hat sich ja vor allem dafür ausgesprochen, weil er darin eine einfache Möglichkeit sah, das Klima zu schonen. Sollen die Industriestaaten nicht jede Möglichkeit nutzen?

    Fischer: Man sollte über alle diese Dinge nachdenken, aber gerade der Bundesumweltminister hat ja darauf hingewiesen, dass es hier eher um Symbolpolitik geht, denn der Mehrverbrauch, der sich aus dem nicht vorhanden sein eines starren Tempolimits auf Autobahnen ergibt, ist etwa 250 Millionen Liter Kraftstoff im Jahr. Das sind 0,4 Prozent unseres Kraftstoffbedarfs und 0,08 Prozent der deutschen CO2-Emissionen. Das ist wirklich Symbolpolitik, denn das Problem, um das es geht – darauf hat Herr Gabriel ja hingewiesen -, ist ja wesentlich größer. Insoweit ist das nicht der entscheidende Ansatzpunkt, um bei uns die CO2-Reduzierung durchzuführen. Im Übrigen denken wir natürlich ganz besonders nach über technologische Verbesserungen, wie man auch durch alternative Antriebsformen und Energieformen hier etwas leisten kann, aber das ist, glaube ich, nicht der richtige Weg, der hier empfohlen wird.

    Schulz: Herr Fischer, welche Quelle zitieren Sie bei den Zahlen, die Sie gerade genannt haben?

    Fischer: Das sind die Zahlen, die wir ganz offiziell haben zu diesen Punkten und die sich auch aus Papieren meiner eigenen Partei und Fraktion ergeben.

    Schulz: Es wird von vielen Verkehrsverbänden ja kritisiert, dass es so gut wie keine seriöse Untersuchung gibt zu den eigentlichen und tatsächlichen Konsequenzen eines Tempolimits bei 130. Warum hat die noch keine Bundesregierung in Auftrag gegeben?

    Fischer: Sie können immer nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen und sagen, welcher Anteil des deutschen Autobahnnetzes hat heute keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Denn das ganz, ganz weit überwiegende Autobahnnetz in Deutschland hat ja bereits solche Beschränkungen, wo Tempo 100 oder Tempo 120 angeordnet wird, wo eine Baustelle regelmäßig ist – also wir haben ja immer einen Baustellenfaktor -, wo wir auch durch die viel besseren Verkehrsleitsysteme eine Steuerung von Tempolimits haben. Und dieses ist ja im Sinne der angepassten Geschwindigkeit, die nur zulässig ist nach der Straßenverkehrsordnung, das immer aktuell informierende System. Deswegen halten wir von solchen Wegen viel, viel mehr als von starren Tempolimits, die auch in einer völlig ungeeigneten Situation die Leute in der Geschwindigkeit reduzieren und dann eher dazu führen, dass die Konzentration des Autofahrers leidet, seine Müdigkeit gefördert wird und anderes mehr. Die Monotonie ist ja auch ein gefährlicher Faktor im Bereich der Verkehrssicherheit und deswegen halten wir eher von unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die als angepasste zugelassen sind, sehr viel mehr als von solchen starren Regelungen.

    Schulz: Gleichzeitig sind 428 Menschen im Jahr 2005 auf Autobahnstrecken ums Leben gekommen, die kein Tempolimit haben. Das sind mehr als die Hälfte aller Menschen, die überhaupt auf Autobahnen ums Leben gekommen sind. Wäre das nicht ein Argument?

    Fischer: Der gefährlichste Verkehr, den wir in Deutschland haben, der ist der Innerortsverkehr, der aller langsamste. Der ist 14mal unsicherer als der Autobahnverkehr und die Außerortslandstraßen 7mal unsicherer als die Autobahnen. Das heißt: Auf den Autobahnen, einem Netz von 2,4 Prozent, bündeln wir 33 Prozent des Gesamtverkehrs in seiner Abwicklung, und sie sind mit riesigem Abstand die sichersten Straßen, die wir überhaupt in Deutschland haben. Da können auch einzelne Unfälle, die dort passieren, die oftmals auch in einem Bereich passieren, der gar nichts mit der Höchstgeschwindigkeit oder diesen zugelassenen Höchstgeschwindigkeiten zu tun hat. Wir können an diesem statistischen Befund überhaupt nichts ändern. Das heißt also: Wenn wir durch solche Limits dazu beitragen würden, dass heute längere Strecken schneller gefahren zu einer früheren Ankunftszeit führen und dann eine Rückverlagerung in das nachgeordnete System beitragen würden, würden wir der Verkehrssicherheitsentwicklung bei uns eher ein (…) antun. Deswegen sind wir aus dem Grunde dagegen.

    Schulz: Herr Fischer, wenn das Tempolimit also überhaupt keine Verbesserung der Sicherheitssituation zur Folge hat, sondern ganz im Gegenteil, Sie sagen der innerstädtische Bereich der gefährlichste ist, spricht das dann auch dafür, im innerstädtischen Bereich die 50 als Tempolimit abzuschaffen?

    Fischer: Nein. Das Problem des Innerortsverkehrs ist seine Komplexität, dass sie dort sozusagen sehr viele Verkehrsbeziehungen haben, die parallel laufen, die gegenläufig sind, Überfrachtung mit Information, zu viel Beschilderung, Werbung, Ablenkung und, und, und Abbiegesituationen. Das ist die hohe Gefahr, während sie auf der Autobahn haben sie eine Straße geradeaus, und auf die wird sich konzentriert. Und deswegen ist es natürlich dort sehr viel günstiger zu fahren und leichter zu fahren als in einer komplexen Innerortssituation. Aber dort haben wir aber die allergrößten Probleme mit der Verkehrssicherheit.

    Schulz: Kommt das Tempolimit 130 Kilometer pro Stunde auf deutschen Autobahnen? Nein, sagt Dirk Fischer, der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Herr Fischer, vielen Dank Ihnen!

    Fischer: Ja, gerne. Auf Wiederhören, Frau Schulz.