Jochen Spengler: Beide haben noch die Chance, in der Europameisterschaft das Viertelfinale zu erreichen. Und wenn Deutschland und Österreich heute Abend um 20:45 Uhr wieder einmal bei einem angeblichen Schicksalsspiel im Fußballstadion aufeinandertreffen, dann stehen sich auch mental zwei Rivalen gegenüber. Wir gehen jetzt fast genau 30 Jahre zurück: zum 21. Juni 1978. Fußballweltmeisterschaft in Argentinien, zweite Runde. In Córdoba treten an Deutschland, der amtierende Weltmeister, gegen Österreich, den Fußballzwerg. Es steht 2 zu 2. Die 88. Spielminute läuft. Das war der unvergessene und im Jahre 1989 viel zu früh gestorbene österreichische Sportreporter Edi Finger, der vor 30 Jahren in Córdoba aus seiner Begeisterung keinen Hehl machte und einfach ausflippte. Heute Abend heißt es wieder Österreich gegen Deutschland und kommentieren wird dieses Spiel im ORF der Sohn Edi Fingers, der Rundfunkreporter Edi Finger Junior, jetzt bei uns am Telefon. Grüß Gott nach Wien.
Edi Finger junior: Einen schönen guten Morgen aus Wien.
Spengler: Herr Finger, sind Sie es allmählich leid, sich immer wieder die Reportage Ihres Vaters anhören zu müssen?
Finger: Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich habe eine Gänsehaut gekriegt. Ich höre das so gerne. Es ist wirklich ein Zeiterlebnis. Und ich habe auch gerne die Umfrage gehört, wie viele Gründe es gibt, warum wir uns freuen, wenn wir die Deutschen schlagen. Ich sage Ihnen für mich gibt es nur einen Grund: Die Deutschen sind normalerweise besser als wir und der Schwächere schlägt gerne den Besseren. Deswegen freuen wir uns narrisch, wenn wir die Deutschen schlagen. Und ich sage es Ihnen gleich: Wir werden sie auch heute schlagen.
Spengler: Darauf wollte ich erst am Schluss des Gespräches zu sprechen kommen. Also Herr Finger David gegen Goliath, das ist das ungefähr ja?
Finger: Genau das ist es. Das ist es auf den Punkt gebracht. Der deutsche Fußball steht weit über dem österreichischen Fußball, aber wir brauchen immer ein bisschen Zeit. Vor Córdoba haben wir 47 Jahre gewartet. Jetzt warten wir 30 Jahre.
Spengler: Sie waren vor kurzem in Córdoba. Warum?
Finger: Ich habe mir das angeschaut. Ich wollte einmal dort stehen, wo mein Papa narrisch geworden ist, in diesem Provinzstadion. Ich sage es ganz ehrlich: Es ist ein nicht sehr schönes Stadion, altmodisch. Da hat man nichts gemacht in den letzten 30 Jahren. Aber es ist ein eigenes Gefühl, wenn man dort steht in der Pampa, wenn man denkt, da hat Österreich gespielt. Es ist um nichts gegangen. Österreich war bereits ausgeschieden in der WM. Wir fahren nach Hause. Wir schlagen dort die Deutschen. Der Papa wird narrisch und 30 Jahre gibt es einen Mythos über diese 90 Minuten. Das ist unwahrscheinlich.
Spengler: Das war die Sternstunde des österreichischen Fußballs, das Wunder von Córdoba?
Finger: Das war sie sicherlich und alle sagen, wir haben eine neue Zeitrechnung damals begonnen. Jetzt also 30 Jahre n.C., 30 Jahre nach Córdoba. Und alle sagen heute beginnen wir wieder mit null. Heute haben wir die Chance, heute können wir es schaffen und auf das hofft ganz Österreich. Wir werden heute Rekordeinschaltziffern haben. Alle Fanzonen in ganz Österreich sind jetzt schon überfüllt. Man hat Systeme gemacht. Man hat eine extra zweite Fanzone in Wien im Hanappi Stadion, also im Rapid-Stadion gemacht für 40.000 Leute. Man weiß: Heute gibt es keinen einzigen Österreicher, der gehen kann, der ein Radio oder einen Fernsehapparat hat, der nicht mit dabei ist - mit dem Herzen, mit dem Hirn - bei dieser Partie.
Spengler: Herr Finger, woran liegt es eigentlich, dass in Österreich jeder weiß, was das Wunder von Córdoba ist, dass es sogar Córdoba-Burger gibt, wenn ich richtig informiert bin, dass sich aber in Deutschland eigentlich kaum jemand an die Schmach von Córdoba erinnert?
Finger: Das ist ganz klar: Weil wir gewonnen haben. Es ist immer so. Bei jedem Mensch ist das so. Er verdrängt Niederlagen und er freut sich über Siege. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Das Wunder von Bern kennt in Österreich auch keiner. Aber für die Deutschen war es damals der erste WM-Titel unter Herberger. Wir sind Dritter geworden. Das ist so! Der Mensch sieht immer gerne den Erfolg und verdrängt den Misserfolg. Deswegen glaube ich ist das Wunder von Córdoba nicht so bekannt und deswegen ist es auch sehr wichtig, dass wir heute das Wunder von Wien schaffen, weil ich glaube, dass heute auch Millionen Deutsche zuschauen werden bei dieser Partie.
Spengler: Lassen Sie uns noch einen Moment bei Córdoba bleiben. Es gibt Prominente die sagen, erst seit Córdoba sind wir Österreicher eine Nation, und andere sagen - zum Beispiel Trainer Hickersberger -, Córdoba sei eigentlich ein Fluch gewesen, denn damit habe sich das Land durch Verherrlichung selbst betrogen. Was stimmt?
Finger: Weder noch sage ich jetzt einmal. Wir waren vorher eine Nation. Der Österreicher ist ein eigener Mensch. Er dreht immer so wie er möchte. Ich möchte an die Geschichte erinnern; das ist ja jetzt immer wieder erwähnt worden. Wir haben der Geschichte erklärt, dass Beethoven ein Österreicher ist und Adolf Hitler ein Deutscher. Also der Österreicher ist noch nicht so unlocker mit Dingen. Er kann damit ganz gut umgehen. In der älteren Generation hat natürlich der Zweite Weltkrieg ein bisschen mitgewirkt. Darüber brauchen wir gar nicht drüber diskutieren. Der Hickersberger war dabei, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Hickersberger bei den Färöer-Inseln verloren hat, nur weil wir in Córdoba gewonnen haben. Das glaube ich nicht. Wir haben ein Fußballspiel gewonnen gegen eine bessere Mannschaft, gegen eine Mannschaft, die uns immer ein bisschen abtut. Und die Ösis und Dösis, das ist so, weil die Deutschen haben uns ja verbal immer hinuntergemacht. Das muss man ganz ehrlich sagen. Diesmal ist es das erste Mal seit ich Sportreporter bin, wo unsere Öffentlichkeit die Deutschen hinuntermacht. Ich habe das überhaupt noch nicht erlebt. Wenn ich heute die Schlagzeile sehe: "heute ziehen wir den Deutschen die Hosen aus" und so weiter. Das hat es noch nie gegeben. Und wissen Sie, was es auch noch nie gegeben hat? Die Deutschen zeigen Wirkung. Normal sind die Deutschen hergekommen und haben gesagt "da sind die Österreicher, denen zeigen wir wie's geht". Plötzlich: Gestern waren einige Fernsehstationen bei mir und haben Interviews gemacht. Plötzlich sehe ich Moment: Die haben ja Angst vor uns. Die fürchten sich. Schon alleine wenn wir das erreicht haben, egal wie es heute ausgeht, haben wir schon unheimlich viel erreicht. Wir haben uns als tolle Mannschaft klassifiziert.
Spengler: Das klingt ein bisschen wie Autosuggestion, dass die Deutschen die Hosen voll haben.
Finger: Nein: Sie haben sie sicher voll. Garantiert! Sie haben ja schlecht gespielt bei dieser Euro. Die Deutschen können ja mehr. Sie waren ja bei der WM viel besser.
Spengler: Ein Spiel war schlecht! Ein Spiel, das zweite.
Finger: Ja. Sie haben ja nur zweimal gespielt. Einmal war es schlecht und wir haben gegen Kroatien um eine Klasse besser gespielt als die Deutschen gegen Kroatien. Darin liegt unsere Hoffnung und das werden wir machen.
Spengler: Was spricht für Österreich heute Abend außer dem Heimvorteil?
Finger: Die Einstellung, der unbändige Wille, dieses Spiel zu gewinnen. Es ist sicherlich! Die Deutschen sagen, wir müssen gewinnen. Das sind alles Profis. Aber für einen Österreicher, für jeden österreichischen Fußballer ist heute das Spiel sicherlich doppelt so wichtig wie für seinen deutschen Gegenspieler. Bei den Deutschen: Okay, die verlieren, dann fahren sie nach Hause. Kann passieren! Die Österreicher denken gar nicht an den Aufstieg, weil es kann ja sein wir gewinnen und steigen trotzdem nicht auf. Das hat man ja gestern Nacht gesehen, wie schnell das geht. Aber wir wollen nur dieses eine Spiel, diese 90 Minuten, diese verdammten 90 Minuten gegen Deutschland gewinnen. Dann ist die Fußballwelt in Österreich in Ordnung. Es ist kein Schicksalsspiel für Österreich; es ist für uns das Finale.
Spengler: Herr Finger, Ihr Tipp zum Schluss.
Finger: 3 zu 2 für Österreich.
Spengler: Danke schön! - Das war Edi Finger Junior, ORF-Sportreporter. Heute Abend sind wir schlauer.
Edi Finger junior: Einen schönen guten Morgen aus Wien.
Spengler: Herr Finger, sind Sie es allmählich leid, sich immer wieder die Reportage Ihres Vaters anhören zu müssen?
Finger: Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich habe eine Gänsehaut gekriegt. Ich höre das so gerne. Es ist wirklich ein Zeiterlebnis. Und ich habe auch gerne die Umfrage gehört, wie viele Gründe es gibt, warum wir uns freuen, wenn wir die Deutschen schlagen. Ich sage Ihnen für mich gibt es nur einen Grund: Die Deutschen sind normalerweise besser als wir und der Schwächere schlägt gerne den Besseren. Deswegen freuen wir uns narrisch, wenn wir die Deutschen schlagen. Und ich sage es Ihnen gleich: Wir werden sie auch heute schlagen.
Spengler: Darauf wollte ich erst am Schluss des Gespräches zu sprechen kommen. Also Herr Finger David gegen Goliath, das ist das ungefähr ja?
Finger: Genau das ist es. Das ist es auf den Punkt gebracht. Der deutsche Fußball steht weit über dem österreichischen Fußball, aber wir brauchen immer ein bisschen Zeit. Vor Córdoba haben wir 47 Jahre gewartet. Jetzt warten wir 30 Jahre.
Spengler: Sie waren vor kurzem in Córdoba. Warum?
Finger: Ich habe mir das angeschaut. Ich wollte einmal dort stehen, wo mein Papa narrisch geworden ist, in diesem Provinzstadion. Ich sage es ganz ehrlich: Es ist ein nicht sehr schönes Stadion, altmodisch. Da hat man nichts gemacht in den letzten 30 Jahren. Aber es ist ein eigenes Gefühl, wenn man dort steht in der Pampa, wenn man denkt, da hat Österreich gespielt. Es ist um nichts gegangen. Österreich war bereits ausgeschieden in der WM. Wir fahren nach Hause. Wir schlagen dort die Deutschen. Der Papa wird narrisch und 30 Jahre gibt es einen Mythos über diese 90 Minuten. Das ist unwahrscheinlich.
Spengler: Das war die Sternstunde des österreichischen Fußballs, das Wunder von Córdoba?
Finger: Das war sie sicherlich und alle sagen, wir haben eine neue Zeitrechnung damals begonnen. Jetzt also 30 Jahre n.C., 30 Jahre nach Córdoba. Und alle sagen heute beginnen wir wieder mit null. Heute haben wir die Chance, heute können wir es schaffen und auf das hofft ganz Österreich. Wir werden heute Rekordeinschaltziffern haben. Alle Fanzonen in ganz Österreich sind jetzt schon überfüllt. Man hat Systeme gemacht. Man hat eine extra zweite Fanzone in Wien im Hanappi Stadion, also im Rapid-Stadion gemacht für 40.000 Leute. Man weiß: Heute gibt es keinen einzigen Österreicher, der gehen kann, der ein Radio oder einen Fernsehapparat hat, der nicht mit dabei ist - mit dem Herzen, mit dem Hirn - bei dieser Partie.
Spengler: Herr Finger, woran liegt es eigentlich, dass in Österreich jeder weiß, was das Wunder von Córdoba ist, dass es sogar Córdoba-Burger gibt, wenn ich richtig informiert bin, dass sich aber in Deutschland eigentlich kaum jemand an die Schmach von Córdoba erinnert?
Finger: Das ist ganz klar: Weil wir gewonnen haben. Es ist immer so. Bei jedem Mensch ist das so. Er verdrängt Niederlagen und er freut sich über Siege. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Das Wunder von Bern kennt in Österreich auch keiner. Aber für die Deutschen war es damals der erste WM-Titel unter Herberger. Wir sind Dritter geworden. Das ist so! Der Mensch sieht immer gerne den Erfolg und verdrängt den Misserfolg. Deswegen glaube ich ist das Wunder von Córdoba nicht so bekannt und deswegen ist es auch sehr wichtig, dass wir heute das Wunder von Wien schaffen, weil ich glaube, dass heute auch Millionen Deutsche zuschauen werden bei dieser Partie.
Spengler: Lassen Sie uns noch einen Moment bei Córdoba bleiben. Es gibt Prominente die sagen, erst seit Córdoba sind wir Österreicher eine Nation, und andere sagen - zum Beispiel Trainer Hickersberger -, Córdoba sei eigentlich ein Fluch gewesen, denn damit habe sich das Land durch Verherrlichung selbst betrogen. Was stimmt?
Finger: Weder noch sage ich jetzt einmal. Wir waren vorher eine Nation. Der Österreicher ist ein eigener Mensch. Er dreht immer so wie er möchte. Ich möchte an die Geschichte erinnern; das ist ja jetzt immer wieder erwähnt worden. Wir haben der Geschichte erklärt, dass Beethoven ein Österreicher ist und Adolf Hitler ein Deutscher. Also der Österreicher ist noch nicht so unlocker mit Dingen. Er kann damit ganz gut umgehen. In der älteren Generation hat natürlich der Zweite Weltkrieg ein bisschen mitgewirkt. Darüber brauchen wir gar nicht drüber diskutieren. Der Hickersberger war dabei, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Hickersberger bei den Färöer-Inseln verloren hat, nur weil wir in Córdoba gewonnen haben. Das glaube ich nicht. Wir haben ein Fußballspiel gewonnen gegen eine bessere Mannschaft, gegen eine Mannschaft, die uns immer ein bisschen abtut. Und die Ösis und Dösis, das ist so, weil die Deutschen haben uns ja verbal immer hinuntergemacht. Das muss man ganz ehrlich sagen. Diesmal ist es das erste Mal seit ich Sportreporter bin, wo unsere Öffentlichkeit die Deutschen hinuntermacht. Ich habe das überhaupt noch nicht erlebt. Wenn ich heute die Schlagzeile sehe: "heute ziehen wir den Deutschen die Hosen aus" und so weiter. Das hat es noch nie gegeben. Und wissen Sie, was es auch noch nie gegeben hat? Die Deutschen zeigen Wirkung. Normal sind die Deutschen hergekommen und haben gesagt "da sind die Österreicher, denen zeigen wir wie's geht". Plötzlich: Gestern waren einige Fernsehstationen bei mir und haben Interviews gemacht. Plötzlich sehe ich Moment: Die haben ja Angst vor uns. Die fürchten sich. Schon alleine wenn wir das erreicht haben, egal wie es heute ausgeht, haben wir schon unheimlich viel erreicht. Wir haben uns als tolle Mannschaft klassifiziert.
Spengler: Das klingt ein bisschen wie Autosuggestion, dass die Deutschen die Hosen voll haben.
Finger: Nein: Sie haben sie sicher voll. Garantiert! Sie haben ja schlecht gespielt bei dieser Euro. Die Deutschen können ja mehr. Sie waren ja bei der WM viel besser.
Spengler: Ein Spiel war schlecht! Ein Spiel, das zweite.
Finger: Ja. Sie haben ja nur zweimal gespielt. Einmal war es schlecht und wir haben gegen Kroatien um eine Klasse besser gespielt als die Deutschen gegen Kroatien. Darin liegt unsere Hoffnung und das werden wir machen.
Spengler: Was spricht für Österreich heute Abend außer dem Heimvorteil?
Finger: Die Einstellung, der unbändige Wille, dieses Spiel zu gewinnen. Es ist sicherlich! Die Deutschen sagen, wir müssen gewinnen. Das sind alles Profis. Aber für einen Österreicher, für jeden österreichischen Fußballer ist heute das Spiel sicherlich doppelt so wichtig wie für seinen deutschen Gegenspieler. Bei den Deutschen: Okay, die verlieren, dann fahren sie nach Hause. Kann passieren! Die Österreicher denken gar nicht an den Aufstieg, weil es kann ja sein wir gewinnen und steigen trotzdem nicht auf. Das hat man ja gestern Nacht gesehen, wie schnell das geht. Aber wir wollen nur dieses eine Spiel, diese 90 Minuten, diese verdammten 90 Minuten gegen Deutschland gewinnen. Dann ist die Fußballwelt in Österreich in Ordnung. Es ist kein Schicksalsspiel für Österreich; es ist für uns das Finale.
Spengler: Herr Finger, Ihr Tipp zum Schluss.
Finger: 3 zu 2 für Österreich.
Spengler: Danke schön! - Das war Edi Finger Junior, ORF-Sportreporter. Heute Abend sind wir schlauer.