Dirk Müller: Der bayerische Löwe ist nicht mehr der unumstrittene König, vielleicht ist er auch etwas in die Jahre gekommen. Die CDU hat auch deshalb so schlecht abgeschnitten, weil die CSU kräftig eingebüßt hat. Nur rund 42 Prozent für die bayerische Schwesterpartei. 2005 waren es noch knapp 50 Prozent. So steht auch Horst Seehofer unter Druck.
O-Ton Horst Seehofer: Ich habe so kurz geschlafen, dass keine Zeit war für Albträume.
Müller: Er hat also keine Zeit für Albträume, der CSU-Chef. Vielleicht kommen die noch, denn viele fragen, woran hat es gelegen. War die Wahlkampfstrategie kontraproduktiv ausgerichtet? Hat die CSU der FDP viel zu viel Spielraum gelassen? Wir wollen keine Personaldiskussion, sagten gestern führende Parteifunktionäre in München, aber was ist wirklich schief gelaufen bei den Christsozialisten? – Darüber wollen wir nun mit dem früheren CSU-Chef Erwin Huber sprechen. Guten Morgen!
Erwin Huber: Guten Morgen.
Müller: Herr Huber, hat die CSU vielen Wählern vor den Kopf gestoßen?
Huber: Nicht vor den Kopf gestoßen, aber wir haben viele nicht mobilisieren können. Bei uns ist ein Sonderproblem natürlich in der Landwirtschaft. Aber insgesamt tragen wir natürlich auch eine Last der Regierungsverantwortung in Berlin mit. So hat die CDU verloren, so haben wir auch verloren und es ist wirklich Anlass, dass sowohl beide Unionsparteien gründliche Wahlanalysen machen, was ja offenbar auch gestern in beiden Gremien beschlossen wurde.
Müller: Wie weit ist denn die CSU bei der Analyse gekommen?
Huber: Wir sind natürlich schon betroffen davon, dass wir nur 42 Prozent, 42,6 Prozent der Wähler mobilisieren konnten. Wir haben im bürgerlichen Lager eine erstarkte FDP, die sowohl bei den Erststimmen wie bei den Zweitstimmen zugelegt hat, und da muss man natürlich nachgehen, inwieweit beispielsweise Freiberufe und der Mittelstand zur FDP abgewandert ist. Das hängt natürlich auch mit politischen Inhalten zusammen, mit der Gesundheitspolitik beispielsweise der Großen Koalition, aber es ist auch eine Frage der Parteienbindung insgesamt, die natürlich vom Bürger her lockerer geworden ist. Die Wähler sind flexibler und damit sind mehr Wanderungsbewegungen verbunden, was für eine große Volkspartei wie die CSU – und wir wollen Volkspartei bleiben – natürlich eine besondere Herausforderung darstellt.
Müller: Was hat der Parteichef denn falsch gemacht?
Huber: Wir sind als Mannschaft in den Wahlkampf gezogen. Wir haben auch im Vorstand und im Präsidium die Wahlkampfinhalte bestimmt, sodass die Reduzierung der öffentlichen Diskussion auf einen sicherlich nicht zutreffend ist. Aber es ist von ihm selber ja auch gesagt worden, dass beispielsweise die Frage der Kampagne speziell gegen die FDP uns nicht genutzt hat.
Müller: Das war ein Fehler von Horst Seehofer?
Huber: Es ist eine Fehleinschätzung gewesen. Natürlich hat man im Frühsommer erkannt, dass die FDP besonderen Zulauf bekommt, und dann ist natürlich logisch – das hätte ich auch gemacht -, dass man hier auch eine Richtung dagegensetzt. Wie man das macht, ist natürlich auch eine Temperamentssache und so etwas entwickelt natürlich auch eine Eigendynamik, hat uns im Endergebnis nicht genutzt. Aber auf der anderen Seite ist es so, dass wir als CSU, glaube ich, in der gesamten Breite doch mehr Chancen haben als die Klientelpartei FDP, Wähler wieder zu gewinnen.
Müller: Herr Huber, jetzt haben wir uns bei mehreren Journalisten gestern in München erkundigt. Der Tenor war da, der Stuhl von Horst Seehofer wackelt. Stimmt das wirklich?
Huber: Das sehe ich nicht. Er ist auf zwei Jahre als Parteivorsitzender gewählt und es gibt auch keine Personaldiskussion in der CSU. Dass natürlich insgesamt Mannschaftsarbeit in der heutigen Zeit bedeutsamer ist, ist klar. Dass die Bundesminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, Ilse Aigner, auch mehr in den Vordergrund treten, ist auch logisch. Aber wir lassen uns auch von außen nicht eine Personaldebatte jetzt aufdrängen.
Müller: Sie sagen, Mannschaftsspiel muss sein. Hat Horst Seehofer nicht immer auf Mannschaft gespielt?
Huber: Es ist in der heutigen Medienzeit ja so, dass durch das Fernsehen Einzelne besonders herausgehoben werden. Natürlich spielt auch der Parteivorsitzende immer eine ganz besondere Rolle und vieles wird ihm zugerechnet. Natürlich hat einer auch die Hauptaufgabe und auch die Hauptverantwortung, aber es gibt in der CSU durchaus offene Kritik, es gibt offene Diskussion und ich glaube, das ist auch der neue Stil, den auch Horst Seehofer ja will. Er hat ja vor einem Jahr ausgerufen, wir wollen einen offenen Dialog, und wir werden dies ja auch fortsetzen, wenn die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind. Ich bin überzeugt, er wird sich selber auch in Parteiforen dieser Diskussion stellen. So muss man heute Parteiarbeit betreiben. Die Bürger wollen Transparenz, sie wollen Information, sie wollen beteiligt sein, auch die innerhalb einer Partei, und das ist sicherlich der richtige Weg in die Zukunft, Offenheit, Transparenz, Diskussionsbereitschaft und auch Selbstkritik.
Müller: Sie sagen, Herr Huber, da muss was kommen. Selbstkritik, das ist ein Stichwort. Das haben Sie gerade jetzt auch in die Diskussion beziehungsweise in unser Gespräch eingebracht. Es gibt doch diese Kritik innerhalb der Partei, dass Horst Seehofer zu viel alleine macht, dass er sich nicht abspricht, dass er eben nicht auf die Mannschaft zählt. Teilen Sie diese Kritik?
Huber: In dieser zugespitzten Form nicht. Ich weiß, dass es eine besondere Verantwortung beim Parteivorsitzenden immer gibt, dass man natürlich auch Entscheidungen treffen muss, aber insgesamt ist es ja auch eine Frage der Mannschaft selber, wie sie sich beteiligt. Also es gibt in der CSU eine offene Diskussionskultur und da kann jeder seine Meinung einbringen und das wird auch in der Zukunft vielleicht noch verstärkt der Fall sein.
Müller: Ich muss Sie das noch mal fragen, Herr Huber. Nach den Koalitionsverhandlungen ist Horst Seehofer immer noch Chef der CSU?
Huber: Ja, sicher!
Müller: Und Karl-Theodor zu Guttenberg wird immer stärker in der Partei?
Huber: Jetzt wird man nach den Koalitionsverhandlungen sehen, in welcher Funktion, aber die CSU hat sich ja auch durch Horst Seehofer festgelegt, dass Karl-Theodor zu Guttenberg weiterhin in einer von uns mitgetragenen Bundesregierung sein wird. Er ist Bezirksvorsitzender in Oberfranken, zu Guttenberg, und er ist Mitglied im Präsidium und Vorstand. Das heißt, er spielt eine bedeutende Rolle und viele Menschen vertrauen in besonderer Weise auf ihn. Ein Teil unserer Stimmenergebnisse kommt ja auch durch das Wirken von Karl-Theodor zu Guttenberg. Wir sind froh darüber, so einen dynamischen und sehr attraktiven kompetenten Politiker zu haben, dem sicherlich noch mehr an Verantwortung zuwachsen wird.
Müller: Das heißt, im Moment soll er aber erst mal bleiben, was er ist?
Huber: Wissen Sie, wir sind ja nicht in einer Situation wie die SPD, wo man mit einer Totalniederlage einen völligen Umbruch hat. Wir haben einen schmerzlichen Rückgang, den können wir auch aufholen. Da heißt es jetzt, die Verantwortung wahrnehmen. In Berlin heißt es, eine neue Mannschaft oder neu gebildete Mannschaft zu finden, und dann gehen wir mit Sachlichkeit und Vernunft die weiteren Diskussionen an. Es gibt dazu keine Hektik und keine Aufgeregtheiten, aber natürlich die Ernsthaftigkeit, die ein solches Wahlergebnis von uns erwarten lässt.
Müller: Bei uns im Deutschlandfunk der frühere CSU-Parteichef Erwin Huber. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Huber: Sehr gerne.
O-Ton Horst Seehofer: Ich habe so kurz geschlafen, dass keine Zeit war für Albträume.
Müller: Er hat also keine Zeit für Albträume, der CSU-Chef. Vielleicht kommen die noch, denn viele fragen, woran hat es gelegen. War die Wahlkampfstrategie kontraproduktiv ausgerichtet? Hat die CSU der FDP viel zu viel Spielraum gelassen? Wir wollen keine Personaldiskussion, sagten gestern führende Parteifunktionäre in München, aber was ist wirklich schief gelaufen bei den Christsozialisten? – Darüber wollen wir nun mit dem früheren CSU-Chef Erwin Huber sprechen. Guten Morgen!
Erwin Huber: Guten Morgen.
Müller: Herr Huber, hat die CSU vielen Wählern vor den Kopf gestoßen?
Huber: Nicht vor den Kopf gestoßen, aber wir haben viele nicht mobilisieren können. Bei uns ist ein Sonderproblem natürlich in der Landwirtschaft. Aber insgesamt tragen wir natürlich auch eine Last der Regierungsverantwortung in Berlin mit. So hat die CDU verloren, so haben wir auch verloren und es ist wirklich Anlass, dass sowohl beide Unionsparteien gründliche Wahlanalysen machen, was ja offenbar auch gestern in beiden Gremien beschlossen wurde.
Müller: Wie weit ist denn die CSU bei der Analyse gekommen?
Huber: Wir sind natürlich schon betroffen davon, dass wir nur 42 Prozent, 42,6 Prozent der Wähler mobilisieren konnten. Wir haben im bürgerlichen Lager eine erstarkte FDP, die sowohl bei den Erststimmen wie bei den Zweitstimmen zugelegt hat, und da muss man natürlich nachgehen, inwieweit beispielsweise Freiberufe und der Mittelstand zur FDP abgewandert ist. Das hängt natürlich auch mit politischen Inhalten zusammen, mit der Gesundheitspolitik beispielsweise der Großen Koalition, aber es ist auch eine Frage der Parteienbindung insgesamt, die natürlich vom Bürger her lockerer geworden ist. Die Wähler sind flexibler und damit sind mehr Wanderungsbewegungen verbunden, was für eine große Volkspartei wie die CSU – und wir wollen Volkspartei bleiben – natürlich eine besondere Herausforderung darstellt.
Müller: Was hat der Parteichef denn falsch gemacht?
Huber: Wir sind als Mannschaft in den Wahlkampf gezogen. Wir haben auch im Vorstand und im Präsidium die Wahlkampfinhalte bestimmt, sodass die Reduzierung der öffentlichen Diskussion auf einen sicherlich nicht zutreffend ist. Aber es ist von ihm selber ja auch gesagt worden, dass beispielsweise die Frage der Kampagne speziell gegen die FDP uns nicht genutzt hat.
Müller: Das war ein Fehler von Horst Seehofer?
Huber: Es ist eine Fehleinschätzung gewesen. Natürlich hat man im Frühsommer erkannt, dass die FDP besonderen Zulauf bekommt, und dann ist natürlich logisch – das hätte ich auch gemacht -, dass man hier auch eine Richtung dagegensetzt. Wie man das macht, ist natürlich auch eine Temperamentssache und so etwas entwickelt natürlich auch eine Eigendynamik, hat uns im Endergebnis nicht genutzt. Aber auf der anderen Seite ist es so, dass wir als CSU, glaube ich, in der gesamten Breite doch mehr Chancen haben als die Klientelpartei FDP, Wähler wieder zu gewinnen.
Müller: Herr Huber, jetzt haben wir uns bei mehreren Journalisten gestern in München erkundigt. Der Tenor war da, der Stuhl von Horst Seehofer wackelt. Stimmt das wirklich?
Huber: Das sehe ich nicht. Er ist auf zwei Jahre als Parteivorsitzender gewählt und es gibt auch keine Personaldiskussion in der CSU. Dass natürlich insgesamt Mannschaftsarbeit in der heutigen Zeit bedeutsamer ist, ist klar. Dass die Bundesminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, Ilse Aigner, auch mehr in den Vordergrund treten, ist auch logisch. Aber wir lassen uns auch von außen nicht eine Personaldebatte jetzt aufdrängen.
Müller: Sie sagen, Mannschaftsspiel muss sein. Hat Horst Seehofer nicht immer auf Mannschaft gespielt?
Huber: Es ist in der heutigen Medienzeit ja so, dass durch das Fernsehen Einzelne besonders herausgehoben werden. Natürlich spielt auch der Parteivorsitzende immer eine ganz besondere Rolle und vieles wird ihm zugerechnet. Natürlich hat einer auch die Hauptaufgabe und auch die Hauptverantwortung, aber es gibt in der CSU durchaus offene Kritik, es gibt offene Diskussion und ich glaube, das ist auch der neue Stil, den auch Horst Seehofer ja will. Er hat ja vor einem Jahr ausgerufen, wir wollen einen offenen Dialog, und wir werden dies ja auch fortsetzen, wenn die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind. Ich bin überzeugt, er wird sich selber auch in Parteiforen dieser Diskussion stellen. So muss man heute Parteiarbeit betreiben. Die Bürger wollen Transparenz, sie wollen Information, sie wollen beteiligt sein, auch die innerhalb einer Partei, und das ist sicherlich der richtige Weg in die Zukunft, Offenheit, Transparenz, Diskussionsbereitschaft und auch Selbstkritik.
Müller: Sie sagen, Herr Huber, da muss was kommen. Selbstkritik, das ist ein Stichwort. Das haben Sie gerade jetzt auch in die Diskussion beziehungsweise in unser Gespräch eingebracht. Es gibt doch diese Kritik innerhalb der Partei, dass Horst Seehofer zu viel alleine macht, dass er sich nicht abspricht, dass er eben nicht auf die Mannschaft zählt. Teilen Sie diese Kritik?
Huber: In dieser zugespitzten Form nicht. Ich weiß, dass es eine besondere Verantwortung beim Parteivorsitzenden immer gibt, dass man natürlich auch Entscheidungen treffen muss, aber insgesamt ist es ja auch eine Frage der Mannschaft selber, wie sie sich beteiligt. Also es gibt in der CSU eine offene Diskussionskultur und da kann jeder seine Meinung einbringen und das wird auch in der Zukunft vielleicht noch verstärkt der Fall sein.
Müller: Ich muss Sie das noch mal fragen, Herr Huber. Nach den Koalitionsverhandlungen ist Horst Seehofer immer noch Chef der CSU?
Huber: Ja, sicher!
Müller: Und Karl-Theodor zu Guttenberg wird immer stärker in der Partei?
Huber: Jetzt wird man nach den Koalitionsverhandlungen sehen, in welcher Funktion, aber die CSU hat sich ja auch durch Horst Seehofer festgelegt, dass Karl-Theodor zu Guttenberg weiterhin in einer von uns mitgetragenen Bundesregierung sein wird. Er ist Bezirksvorsitzender in Oberfranken, zu Guttenberg, und er ist Mitglied im Präsidium und Vorstand. Das heißt, er spielt eine bedeutende Rolle und viele Menschen vertrauen in besonderer Weise auf ihn. Ein Teil unserer Stimmenergebnisse kommt ja auch durch das Wirken von Karl-Theodor zu Guttenberg. Wir sind froh darüber, so einen dynamischen und sehr attraktiven kompetenten Politiker zu haben, dem sicherlich noch mehr an Verantwortung zuwachsen wird.
Müller: Das heißt, im Moment soll er aber erst mal bleiben, was er ist?
Huber: Wissen Sie, wir sind ja nicht in einer Situation wie die SPD, wo man mit einer Totalniederlage einen völligen Umbruch hat. Wir haben einen schmerzlichen Rückgang, den können wir auch aufholen. Da heißt es jetzt, die Verantwortung wahrnehmen. In Berlin heißt es, eine neue Mannschaft oder neu gebildete Mannschaft zu finden, und dann gehen wir mit Sachlichkeit und Vernunft die weiteren Diskussionen an. Es gibt dazu keine Hektik und keine Aufgeregtheiten, aber natürlich die Ernsthaftigkeit, die ein solches Wahlergebnis von uns erwarten lässt.
Müller: Bei uns im Deutschlandfunk der frühere CSU-Parteichef Erwin Huber. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Huber: Sehr gerne.