Archiv


"Wir wünschen uns einen starken Wettbewerb"

Der Kommunikationsdirektor des Otto-Konzerns, Thomas Voigt, begrüßt den Notkredit für Quelle. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort hätten eine faire Chance verdient. Die Zukunft des Versandhandels liege zwar im Internet, aber dennoch würden weiterhin Kataloge erscheinen.

Friedbert Meurer im Gespräch mit Thomas Voigt |
    Friedbert Meurer: Zunächst mal die Frage in Richtung Quelle. Geht für Sie der 50-Millionen-Notkredit in Ordnung?

    Thomas Voigt: Der geht sicherlich in Ordnung. Es wäre nicht fair gewesen, ein Milliarden-Unternehmen, das ja Quelle immer noch darstellt, jetzt an 50 Millionen scheitern zu lassen. Ich denke, die Quelle-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Kollegen dort haben es verdient, wenn sie eine faire Chance bekommen, das Geschäftsmodell jetzt in den nächsten Wochen und Monaten so umzustellen, wie es nötig ist.

    Meurer: Woher kommt Ihre Großzügigkeit? Quelle ist ein Wettbewerber für Sie, ein Konkurrent.

    Voigt: Einerseits ist es so, dass wir uns sicherlich im Vorfeld einer möglichen Bürgschaft für Arcandor sehr, sehr deutlich auch geäußert haben, dass wir das im Wettbewerb unfair fänden. Nur die letzten Wochen haben ja gezeigt, dass Quelle offensichtlich in einer Weise sozusagen nackt dasteht, dass es im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht fair wäre. Wir wünschen uns einen starken Wettbewerb und wenn Quelle jetzt noch mal die Chance bekommt, denke ich mal, wird keiner der sogenannten Ottonen dagegen etwas einzuwenden haben.

    Meurer: Haben die Ottonen andere Kunden als die Quellaner, die Quelle-Mitarbeiter?

    Voigt: Erst mal sind wir anders als Quelle ja eine Otto-Gruppe mit insgesamt 123 Unternehmen. Das beginnt bei Sportjet und endet bei Manufaktum, das geht von Bauer und Schwab und Heine bis halt zur Otto-Einzelgesellschaft, und wir können natürlich Synergien innerhalb dieser Gruppe beim Einkauf, bei der Logistik etc. anders nutzen, als das Quelle kann.

    Meurer: Haben Sie ein jüngeres Publikum?

    Voigt: Mit der Otto-Einzelgesellschaft haben wir deutlich das jüngste Publikum, wie es immer heißt, der großen Universalversender und auch ein Publikum, was sehr stark auf Mode setzt. Das ist sicherlich in Zeiten des Internets und auch der Wertschöpfung von Vorteil.

    Meurer: Man hat ja immer gedacht, die Zukunft liegt in Spezialkatalogen, aber die Gesamtkataloge sind immer noch populär?

    Voigt: Na ja, am Beispiel der Otto-Gesellschaft, der Einzelgesellschaft, also das, was wir als Otto-Versand kennen, da ist es so, dass wir schon seit Jahren pro Jahr ungefähr 60 Spezial- und Team-Kataloge herausgeben, aber immer noch sozusagen etwas dickere oder sogenannte "big books", die etwas dickeren,. Ja, die lohnen sich noch.

    Meurer: Wie viele Exemplare von dem dicken Katalog geben Sie heraus?

    Voigt: Insgesamt sind es 100 Millionen.

    Meurer: Und von dem dicken Katalog?

    Voigt: Bei dem dicken Katalog sind es einstellige Millionenbeträge. Die gehen bis zu 10 Millionen ungefähr hoch. Insgesamt sind es aber noch 100 Millionen Druckwerke, die wir pro Jahr noch vertreiben, und Sie können sich vorstellen, dass wir das nicht einfach nur aus Anhänglichkeit an die Vergangenheit machen, sondern da lohnt es sich. Wir überprüfen das ja und das lohnt sich absolut, diese Kataloge herauszugeben, zumal man online, das heißt den Kauf im Internet und den Katalog nicht einfach trennen kann. Es gibt eine ganze Menge Kunden, die nur online sich die Waren anschauen, aus dem Angebot auswählen und dort bestellen, aber es gibt eine ganz, ganz viele Zahl von Kunden, die im Katalog blättern, schmökern und später dann entweder per Telefon oder online bestellen. Das heißt, es gibt eine Abhängigkeit von den Umsätzen, die man online macht, von den diversen Katalogen. Aber richtig ist, dass der Hauptkatalog an Bedeutung abnimmt.

    Meurer: Ist dieser Wunsch, einen Katalog in der Hand zu haben, zu blättern, ihn anzufassen, ist das ein Übergangsphänomen und wird der Katalog aussterben?

    Voigt: In manchen Sortimenten kann man sicherlich von einem Übergangsphänomen sprechen. Ich glaube, dass zum Beispiel im Bereich der sogenannten weißen Ware oder der Haushaltselektronik oder der sogenannten braunen Ware, also Unterhaltungselektronik, sicherlich die Auswahl im Netz und nach Preis und Funktion eine überragende Bedeutung bekommt, und da kann man sich dann schon fragen, ob es dann noch Bestandteil eines zum Beispiel großen Hauptkataloges ist. Bei Mode ist es so: viele Frauen blättern sicherlich gerne in einer Frauenzeitschrift und ich glaube, auch die Diskussion um die Frauenzeitschriften wird es nicht geben. Es wird vielleicht weniger geben, sie werden sich verändern, und so wird sich auch der Katalog verändern und die Kataloganstöße werden moderner werden, anders werden, werden mehr verschränkt werden mit Internet-Angeboten. Aber wir sind davon überzeugt, dass wir auch noch in ein paar Jahren sehr erfolgreich Kataloge drucken werden, die auch verkaufen.

    Meurer: Wie groß ist denn der Anteil des Internet-Handels an Ihrem Volumen, 10 Prozent etwa, oder?

    Voigt: Nein. Da sind wir schon weit darüber hinaus. Wir waren ja mit der Otto-Gruppe einer der ersten, die auf E-Commerce gesetzt haben, und haben immer gesagt, wenn es noch nicht erfunden worden wäre, dann hätten wir es erfinden müssen. Wir sind hier in Deutschland mit der Otto-Gruppe mit allen Marken sicherlich eindeutig Marktführer, das heißt der größte Online-Händler hier in Deutschland, und wir setzen zum Beispiel beim Otto-Versand mittlerweile die Hälfte über das Internet um. Jede zweite Ware wird über das Internet bestellt.

    Meurer: Und die Zukunft liegt eindeutig im Internet?

    Voigt: Die Zukunft liegt eindeutig im Internet, aber wie gesagt: es werden immer noch Kataloge erscheinen, die dann einen Wachstumsimpuls geben. Auch diejenigen Käufer, die rein im Online-Handel bei uns aktiv sind, die über online bestellen, lassen sich durch einen Katalog, den man ihnen schickt, anregen, doch wieder reinzugehen und wieder zu schauen, was es Neues gibt.

    Meurer: Thomas Voigt, Kommunikationsdirektor des Otto-Konzerns, heute Mittag im Deutschlandfunk. Schönen Dank und auf Wiederhören.

    Voigt: Danke auch!