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Wirtschaft
Kritik am Rostocker Russlandtag

Der Russlandtag in Rostock ist umstritten. Denn während EU-weit wegen der Ukraine-Krise über aktuelle und weitere Sanktionen gegen Russland diskutiert wird, treffen sich in Rostock hochrangige deutsche und russische Wirtschaftsvertreter zum Informationsaustausch.

Von Almuth Knigge | 30.09.2014
    Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD)
    Sellering: "Die Veranstaltung liegt im wirtschaftlichen Interesse unseres Landes." (picture alliance / ZB - Stefan Sauer)
    Eines der Lieblingslieder von Erwin Sellering, bald 65 Jahre alt und letzter Westdeutscher an der Spitze eines ostdeutschen Bundeslandes, nämlich Mecklenburg-Vorpommern, ist von den Fantastischen Vier und trägt den Titel "Es könnte alles so einfach sein, es könnte alles so einfach sein." Aktuell könnte man noch ergänzen – wenn die politische Weltlage nicht wäre: " ... isses aber nicht."
    Das Küstenland Mecklenburg-Vorpommern kündigte auf dem Höhepunkt der Krim-Krise an, erstmals einen Russlandtag zu veranstalten – ein Wirtschaftstreffen mit hochrangigen Vertretern der russischen Politik zum Kontakte knüpfen – denn für Ministerpräsident Sellering ist klar:
    "Die Veranstaltung liegt im wirtschaftlichen Interesse unseres Landes."
    Das Programm ist ambitioniert und findet an historischer Stelle statt – dem Hotel Neptun in Warnemünde – dem im Volksmund zu DDR-Zeiten sogenannten Stasi-Hotel, in dem allerlei Staatsgäste und Agenten ein- und ausgingen.
    Informationen sammeln und netzwerken
    Nach einem Empfang am Abend ist geplant, dass am Mittwoch sowohl der russische Botschafter in Deutschland, Wladimir Grinin, als auch der frühere Bundeskanzler Schröder zu den Unternehmern sprechen werden. Bahnchef Grube hat für sein Impulsreferat abgesagt, aber Matthias Platzeck ist da als Vorsitzender des Deutsch-Russischen-Forums.
    Dann heißt es – Informationen sammeln und netzwerken. 40.000 Euro für die Wirtschaftssause kommen von Sponsoren – darunter Gazprom und dem Betreiber der Ostseepipeline - Nordstream
    "Aufgrund der bestehenden Kontakte haben wir in Mecklenburg-Vorpommern besonders gute Chancen, von einem weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland zu profitieren",
    weiß Erwin Sellering. Umgekehrt hat das Land aber auch am meisten zu verlieren. Der Ostseeraum ist die Region in Europa, die sich am dynamischsten entwickelt und der Nordosten kann aufgrund seiner geografischen Lage und seiner historischen Verbindungen davon profitieren.
    Anders gesagt - es wäre blöd, wenn man nicht auf die Beziehungen in den Osten setzten würde. Das ist sein Job – die rote Laterne, die Mecklenburg-Vorpommern immer noch hat in puncto Wirtschaftskraft endlich abgeben. Abgesehen davon:
    "Die Wirtschaft ist einer der Träger in den letzten Jahren gewesen der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland."
    Vernachlässigtes Ostrecht
    Professor Andreas Steininger ist Mitveranstalter des Russlandtages, Chef des Ostinstitutes in Wismar. Jurist, Ingenieur und Energieexperte. Nach dem Ende des Warschauer Paktes sagt er, hat sich die Wissenschaft kaum mehr mit Ostrecht beschäftigt – das rächt sich jetzt.
    "Und es ist immer einer der wichtigsten Gesprächsfäden über die Wirtschaft ist sehr viel gelaufen und wenn man die Gespräche nicht ganz abreißen lassen möchte ist es wichtig dass die wirtschaftlichen Kontakte aufrecht erhalten und befördert werden."
    Das Land ist der zweitwichtigste Handelspartner für Mecklenburg-Vorpommern: Aber das zählt – so der Politiker Sellering natürlich nicht allein.
    "Und für mich ist die Veranstaltung auch das richtige Signal, es ist besser, im Gespräch zu bleiben, als Brücken abzubauen."
    Der Sturm auf die Veranstaltung gibt der Schweriner Staatskanzlei recht. Mit 250 Teilnehmern hatte man gerechnet - jetzt ist der Wirtschaftstag mit über 400 Anmeldungen überbucht. 80 davon aus Russland.