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Wirtschaftliche Dämme gegen erneute Konflikte auf dem Balkan

Gerner: Was ist schwieriger, Afghanistan zu befrieden oder den Balkan? Die Frage ist eher akademischer Natur. Fest steht, der Kosovo-Krieg war Anlass, mit dem Stabilitätspakt wirtschaftliche Dämme gegen neue Konflikte hoch zu ziehen und demokratische Strukturen aufzubauen. Der Balkan-Stabilitätspakt ist ein Wort-Ungetüm, seine Strukturen schwer nachzuvollziehen. Gestalt bekommt er durch die Personen, die ihn mit Leben füllen. Und da gibt es jetzt einen Wechsel an der Spitze, Erhard Busek heißt der neue Koordinator. Der Österreicher folgt auf Bodo Hombach. Busek war österreichischer Vizekanzler und gilt als ausgesprochener Kenner Südosteuropas. Herr Busek, was müssen unsere Hörer wissen über Sie, was sind Sie für ein Mensch?

    Busek: Schwer zu sagen. Sicher Österreicher, Wiener, sehr lange politisch tätig, sehr interessiert, eine endgültige Form Europas zu gewinnen, die entsprechende Stabilität für den Kontinent garantiert und das natürlich unter den Vorzeichen der Demokratie; und an einer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, die es lohnenswert macht, in allen Teilen Europas zu leben.

    Gerner: In den Kommentaren zu Ihrer Person gestern in den Zeitungen war zu lesen, dass Sarkasmus Ihnen nicht fremd ist. Da tauchte ein Zitat auf, "Korruption gehöre quasi zur Kultur Südeuropas" haben sie unlängst gesagt, macht man sich damit in diesem Amt Freunde auf dem Balkan?

    Busek: Das ist wie so oft ein falsches Zitat. Ich habe einmal darauf hingewiesen, dass Korruptionszustände in Transformationsstadien, wo wir im Moment auch zweifellos sind, eine besondere Rolle spielen. Das war beispielsweise in der Nachkriegszeit bei uns genau so, dass eben die Dinge so und so gehen, das heißt aber nicht, dass noch viel Korruption eintritt, um Gottes willen.

    Gerner: Was wollen Sie bewegen in dem Amt, dass sie jetzt antreten? Wo wollen Sie die Politik von Bodo Hombach fortsetzen, wo wollen Sie eigene Impulse setzen?

    Busek: Das ist ganz selbstverständlich so, dass auf dem aufzubauen ist, was Herr Hombach bisher erreicht hat und die Linie des Stabilitätspakts so weiterzuführen. Der Stabilitätspakt gibt eine gewisse europäische Perspektive für diese Länder. Das ist auch gut, und wir engagieren andere wieder ihnen dabei zu helfen. Was wir fortsetzen wollen ist dass man unbedingt die Dinge ans laufen kriegen muss. Das heißt sie müssen funktionieren, damit die Menschen in dieser Region das Gefühl haben, es passiert auch etwas.

    Gerner: Und sie müssen auch erst mal anlaufen. Bodo Hombach hat bei seinem Ausscheiden kritisiert, dass ein Großteil der Projekte nicht angelaufen sei, dass die Bürokratie in Brüssel verzögere. Was können Sie dagegen tun und warum hakt es dort?

    Busek: Diese Klage ist ja eine allgemeine und hat nicht etwa mit dem Stabilitätspakt zu tun. Ich glaube dass es notwendig ist, dass die Länder der Region sich selber stärker artikulieren. Sie müssen eigentlich die beste Anwälte ihrer selbst sein.

    Gerner: Aber ich nehme mal ein konkretes Beispiel: Es gibt etwa eine Straße zwischen dem Kosovo und Mazedonien bei Blace, die gebaut werden soll. Die Mittel wurden auch gebilligt, es wurde angefangen, aber dann wurden die Arbeiten wieder eingestellt. Was ist da los?

    Busek: Das kann zum Teil an den lokalen Verhältnissen liegen, dass es da Hindernisse gibt. Mazedonien ist ja in letzter Zeit nicht gerade ein Ort der Ruhe gewesen. Hier muss man klar machen, dass rasches Handeln die beste Garantie für Stabilität ist.

    Gerner: Anderes konkretes Beispiel. Im Kosovo nimmt jetzt ein Parlament seine Arbeit auf, ein Präsident wird gewählt, Strom und Wasser funktionieren aber vielerorts immer noch nicht. Was kann der Stabilitätspakt da leisten?

    Busek: In der Frage relativ wenig, weil hier ja die Vereinten Nationen die direkte Verwaltungsverantwortung hat. Das was wir tun können ist Unterstützung anzubieten aus den einzelnen Ländern oder von Organisationen, die ein besonderes Verständnis haben. Umgesetzt werden muss es im lokalen Bereich.

    Gerner: Wenn Sie sagen, beim konkreten Fall Strom und Wasser für die Leute im Kosovo können Sie wenig ausrichten; was kann dann der Stabilitätspaket für die Menschen auf dem Balkan demnächst bewirken, Stichwort wirtschaftlicher Wiederaufbau, Stichwort Demokratisierung?

    Busek: Wir können die Assistenz der Länder Europas und anderer Länder anbieten und ihre Erfahrung. Und die Hilfe von einer Reihe von Institutionen, die bisher schon damit beschäftigt waren. Und wir können versuchen, grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erreichen. Es ist so, dass die Landkarte in Südosteuropa sehr reichhaltig ist. Aber wenn Sie an Verkehrsprobleme denken oder an ökologische Fragen, dass ist nur grenzüberschreitend zu lösen. Genauso gibt es dunkle Bereiche wie die Kriminalität, die man grenzüberschreitend bewältigen kann, indem man sie gemeinsam bekämpft.

    Gerner: Heißt das eine Ausweitung von Anti-Terror-Abmachungen der EU auf den Balkan?

    Busek: Das ist nur das eine. Aber schon vor dem 11. September war der Balkan eine Zone, wo es relativ leicht war Menschenhandel zu betreiben oder Waffenhandel. Wir haben auch schon ein entsprechendes Zentrum in Bukarest aufgebaut, wo Informationen ausgetauscht werden; das heißt, dass das eine Land weiß was das andere Land an Erkenntnissen hat und sie so zusammenwirken können. Denn das Verbrechen überschreitet viel leichter die Grenzen als die Bekämpfung.

    Gerner: Bodo Hombach hat die Entwicklung der Balkan-Staaten bisher mit sehr rosiger Perspektive dargestellt. Teilen Sie diese Ansicht?

    Busek: Ich glaube dass sie alle mittel- oder langfristig eine europäische Perspektive haben, aber es ist äußerst unterschiedlich wieweit die Länder fortgeschritten sind. Das muss man akzeptieren, denn es gibt Zonen, wo die Länder ihre Verantwortung wahrnehmen und andere, wo wir quasi Protektorate entwickelt haben wie in Bosnien oder im Kosovo. Und letztlich war es in Mazedonien auch nur durch ein europäisches Engagement möglich, halbwegs Stabilität zu erzielen.

    Gerner: Stichwort Stabilität: Demokratisierungshilfen leistet der Stabilitätspakt in Mark und Pfennig, unter anderem in den er großen Medienhäusern, privaten und öffentlich-rechtlichen, Geld gibt, damit die die Medien auf dem Balkan fördern. Es gab Stimmen die sagen, dass das Geld nicht immer im Sinne des Erfinders vergeben worden sei. Haben Sie sich da zur Aufgabe gemacht den Geldfluss transparenter zu machen?

    Busek: Dafür gibt es entsprechende Einrichtungen seitens der Europäischen Union. Das ist natürlich zu verfolgen, denn das Geld soll ja da ankommen, wofür es bestimmt ist.

    Gerner: Das ist nicht immer der Fall bisher?

    Busek: Das kann ich nicht sagen, weil ich es nicht beweisen könnte, wenn ich es jetzt behaupte. Aber es ist natürlich jedem Hinweis nachzugehen.

    Gerner: Kriegsausbrüche, Kriegsgefahr gab es zuletzt auf dem Balkan fast im Jahresrhythmus. Halten Sie aufgrund der aktuellen Friedenspläne für Mazedonien und das Kosovo eine Wiederholung für vorerst ausgeschlossen?

    Busek: Bis jetzt hat die internationale Staatengemeinschaft in Zusammenarbeit mit der Region schon einiges dazu gelernt. Wenn Sie daran denken, dass die ganze Sache mit dem Bosnien-Krieg begonnen hat, und Schritt für Schritt ist der Umgang hier besser und gezielter geworden. Das ist auch für uns in Gesamteuropa ein Lernstück, das wir hier zu bewältigen haben. Es ist natürlich schwer vorauszusagen, wo eine nächste Krise kommen könnte. Aber wenn, dann muss man sehr rasch da sein, damit es nicht zu kritischen Dingen kommt, wie wir sie bisher schon erlebt haben.

    Link: Interview als RealAudio