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Wirtschaftsexperte: Konsumgutscheine sind "ein interessanter Vorschlag"

Vor dem Hintergrund der Debatte um Konsumgutscheine hat der Projektleiter bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GFK), Rolf Bürkl, auf die Gefahr hingewiesen, dass die Empfänger das Geld lieber sparen, als es sofort auszugeben. Allerdings hätten die USA aufgrund einer niedrigen Sparquote mit solchen Gutscheinen gute Erfahrungen gemacht, so Bürkl.

Rolf Bürkl im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Die Debatte um staatliche Konjunkturprogramme schien eigentlich abgeschlossen. Zumindest wollte die Regierungskoalition diesen Eindruck in den vergangenen Tagen und Wochen vermitteln. Aber die Frage, was der Staat tun sollte, was er tun muss, und vor allem wie schnell er eingreifen muss, um den Abwärtstrend der Wirtschaft zu stoppen, diese Frage steht nach wie vor im Raum und immer mehr Politiker fordern eine Antwort. Deutliche Steuersenkungen noch vor der nächsten Bundestagswahl sind nach wie vor populär. Aus der SPD kommt jetzt außerdem der Vorschlag, die Bürger mit Konsumgutscheinen zum Geldausgeben zu bringen. Kurz vor der Sendung habe ich mit Rolf Bürkl gesprochen. Er ist Projektleiter bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GFK) und ich habe ihn gefragt, ob er Konsumgutscheine für eine gute Idee hält.

    Rolf Bürkl: Es ist sicherlich ein interessanter Vorschlag. Die Vereinigten Staaten haben damit recht gute Erfahrungen gemacht in der Vergangenheit. Es hat zu einer signifikanten Stimulierung des Konsums beigetragen. Allerdings haben wir für die Bundesrepublik bislang keinerlei derartige Erfahrungen, wie die Verbraucher auf derartige Konsumgutscheine reagieren. Aber es ist sicherlich ein überlegenswerter Vorschlag.

    Armbrüster: Jetzt sagen viele Kritiker, Konsumgutscheine, das ist eine Art Strohfeuer, das verpufft schnell, die Konsumscheine sind schnell ausgegeben. Was sagen Sie dazu?

    Bürkl: Das ist natürlich richtig. Das ist ein einziger Impuls, der allerdings natürlich auch aber doch für eine Initialzündung sorgen könnte, dass generell der Konsum dann auch wieder anspringen kann. Aber es ist natürlich der Hinweis berechtigt, dass es nur ein einmaliger Effekt ist, der hier zu Tage kommt.

    Armbrüster: Wie sollten diese Konsumgutscheine in Deutschland denn Ihrer Meinung nach aussehen?

    Bürkl: Es wäre einerseits möglich zum Beispiel über Schecks, die man an die Haushalte herausgibt, mit denen sie dann einkaufen gehen können.

    Armbrüster: Mit einem Verfallsdatum?

    Bürkl: Das wäre eine Möglichkeit, um wirklich den Effekt oder diesen stimulierenden Effekt möglichst schnell auch zu erhalten. Allerdings muss man natürlich auch sagen, wenn es ein Barscheck ist, wenn den Leuten zum Beispiel Bargeld in die Hand gegeben wird, besteht natürlich auch die Gefahr, dass dieses Geld auch gespart wird, also auf die hohe Kante gelegt wird und nicht unbedingt in den Konsum fließt. Diese Gefahr besteht natürlich auch.

    Armbrüster: Nun haben Sie gesagt, es könnte sich hierbei um eine Initialzündung handeln. Das heißt, man verleitet die Leute sozusagen dazu, dann auch gleich mehr einzukaufen. Wieso sollte das passieren? Ich meine, wenn man einen Scheck über 500 Euro in die Hand gedrückt bekommt, den man ausgeben kann, was sollte einen dazu verleiten, noch mehr auszugeben oder auch in den kommenden Monaten mehr einkaufen zu gehen?

    Bürkl: So ein einmaliger Stimulus könnte natürlich für eine gewisse Stabilität auch beim privaten Verbrauch sorgen. Das betrifft natürlich dann auch den Handel, die Hersteller, die hier sich dann auch künftig noch eine bessere Entwicklung davon versprechen können, dass sie weniger gezwungen sind, zum Beispiel jetzt auch Arbeitskräfte auszustellen aufgrund der Krise. Das würde auf den Verbrauchern letztendlich auch wieder psychologisch natürlich positiv einwirken, so dass man doch einen länger anhaltenden Effekt hätte.

    Armbrüster: Jetzt haben Sie als Beispiel die USA genannt. Dort sollen auch Konsumgutscheine ausgegeben werden. Kann man diese beiden Konsumgesellschaften USA und Deutschland denn überhaupt vergleichen?

    Bürkl: Das ist sehr schwer zu vergleichen. Deshalb auch mein Hinweis, dass wir in Deutschland noch keine Erfahrungen damit haben. In den USA wurden sehr gute Erfahrungen gemacht. Es wurden ja auch in diesem Jahr im Frühjahr entsprechende Konsumgutscheine herausgegeben und die ersten Untersuchungen, die mir hier bekannt sind, zeigen doch ein recht positives Bild, dass hier dem Konsum doch etwas geholfen werden konnte. Allerdings muss man auch in Rechnung stellen, dass in den USA erfahrungsgemäß die Sparquote sehr niedrig ist, im Gegensatz zur Bundesrepublik, und bei uns natürlich die Gefahr besteht oder die Wirkung besteht, dass ein Teil dieses Geldes aus diesen Gutscheinen auf die hohe Kante gelegt wird und nicht dem Konsum zugute kommt.

    Armbrüster: Könnte man nicht denn da nicht vielleicht einen anderen Ansatz finden, um sozusagen die Leute dazu zu verleiten, mehr von ihrem gesparten Geld auszugeben?

    Bürkl: Wenn man die Leute verleiten will, mehr von ihren Rücklagen auszugeben, dann benötigen sie in erster Linie auch Planungssicherheit. Da spielt auch sehr viel Psychologie mit rein. Sie müssen auf der einen Seite auch wissen oder abschätzen können, wie sicher ist ihr Arbeitsplatz, laufen sie Gefahr, arbeitslos zu werden. Ein anderer Effekt ist das Thema Inflation, muss ich mit starken Preiserhöhungen rechnen? Dann sind die Verbraucher immer erfahrungsgemäß sehr zurückhaltend. Das Thema Inflation ist im Moment bei uns wieder sehr entschärft. Die Inflationsrate ist zurückgegangen. Aber es müssen die Rahmenbedingungen natürlich auch stimmen, damit Geld aus Rücklagen in den Konsum fließt.

    Armbrüster: Wie wichtig würden Sie denn sagen ist der private Konsum überhaupt in Deutschland? Viele Leute sagen ja, man sollte da eher einen anderen Ansatz finden und etwa öffentliche Investitionen fördern, also große Bauprojekte zum Beispiel.

    Bürkl: Der private Verbrauch hat am Bruttoinlandsprodukt in der Bundesrepublik etwa einen Anteil von knapp 60 Prozent. Er ist der mit Abstand größte Teilbereich aus dem Bruttoinlandsprodukt. Demnach spielen die Verbraucher natürlich eine ganz wichtige Rolle, auch wenn es um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung geht. Gerade die Entwicklung des Konsums wird im kommenden Jahr ganz entscheidend sein für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, auch zur Stützung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, denn gerade die Exporte werden im Jahr 2009 doch sehr schwächeln.

    Armbrüster: Jetzt wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Politiker mit solchen Konjunkturdebatten auch einen ganz anderen Effekt erzielen, nämlich dass sie die Verbraucher möglicherweise verunsichern. Können Sie als Konsumforscher das belegen? Ist dieses Reden über eine Konjunkturkrise auch schädlich für die Konjunktur?

    Bürkl: Ja, natürlich. Wenn sich die Negativmeldungen häufen, hat es natürlich psychologische Auswirkungen auch auf die Verbraucher und deren Konsumverhalten. Wir messen es derzeit ganz klar bei uns an den Konjunkturerwartungen, die wir bei den Verbrauchern abfragen, und die spiegeln immer so auch das Bild in den Medien wieder. Die haben jetzt aktuell im November einen historischen Tiefststand erreicht. Also hier sehen die Verbraucher - und das wird ihnen in den Medien ja auch entsprechend suggeriert -, "Deutschland ist in der Rezession, es kommen schwierige Zeiten", und anhand der Konjunkturerwartungen können wir das ganz klar messen.

    Armbrüster: Allgemein spielt die Koalition in Berlin, man hat den Eindruck, so ein bisschen auf Zeit. Zunächst mal steht das erste Konjunkturprogramm, über einen weiteren Schritt wollen die Politiker so wie es aussieht erst im kommenden Jahr wieder beraten. Ist das für Sie zu spät?

    Bürkl: Falls es doch noch zu weiteren Entlastungen kommen sollte und noch ein weiteres Konjunkturprogramm oder Konjunkturpakete aufgesetzt werden sollen, ist es aus meiner Sicht unbedingt notwendig, dass man relativ schnell handelt. Sonst würde nämlich der Effekt eintreten, wenn ich die positiven Wirkungen aus diesen Konjunkturprogrammen erst recht viel später, zum Beispiel im Jahr 2010 haben würde und die Wirtschaft wäre dann bereits wieder im Aufschwung, dann wäre das kontraproduktiv und das wäre ein prozyklisches Verhalten. Wir brauchen eigentlich jetzt die Entlastung auch bei den Verbrauchern und wir brauchen jetzt eine Stimulanz für den privaten Konsum, um etwas weniger schwierig aus dieser Rezession herauszukommen.

    Armbrüster: Rolf Bürkl war das, Projektleiter bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GFK), zur Debatte um Konsumgutscheine und zur Frage, wie man den privaten Konsum in Krisenzeiten stimulieren kann. Dieses Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.