Gerd Breker: Morgen schon will die Gewerkschaft ver.di über Streiks bei der Telekom entscheiden. Heute erst begann am Vormittag hier in Köln die Hauptversammlung der Aktionäre der Deutschen Telekom. Natürlich begleitet von Protesten der Beschäftigten wegen der Pläne des Konzerns, mehr als 50.000 Mitarbeiter in so genannte Servicegesellschaften auszulagern und dann zu schlechteren Konditionen zu beschäftigen, frei nach dem Motto "mehr arbeiten für weniger Geld". Die Arbeitnehmervertreter betonten deshalb vor der Hauptversammlung auch die Verantwortung der Aktionäre für die Beschäftigten. Das mag sein, aber Aktionäre haben auch andere Interessen. (MP3-Audio, Bericht von Dietmar Reiche)
Am Telefon begrüße ich nun den Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Guten Tag, Herr Hüther!
Michael Hüther: Schönen guten Tag!
Breker: Die Konjunktur brummt und zeigt sogar Wirkung auf dem Arbeitsmarkt, wie wir gestern gelernt haben. Doch das sagt eigentlich nur der erste oberflächliche Blick. Tatsächlich, Herr Hüther, gibt es in diesem Aufschwung durchaus auch Verlierer.
Hüther: Es gibt in jedem Aufschwung Verlierer, weil der Strukturwandel ja nicht stehen bleibt und einfach überall linear die Dinge sich verbessern oder erhöhen. Aber im Aufschwung sind natürlich diejenigen, die mehr Chancen haben, die Gewinnpotenziale für sich erhöhen können, deutlich in der Überzahl. Das ist das, was wir sehen.
Was angesprochen ist mit dem Fall Telekom, ist ein solches Problem des Strukturwandels. Wir haben ein Unternehmen, das Anfang der 90er Jahre aus dem eigentlichen Staatssektor hinausgelassen wurde, als früheres Staatsunternehmen nun sich privat im Markt und mit anderen Wettbewerbsbedingungen auch von Europa her abfinden muss und sich dort sortieren muss. Das findet immer statt. Das ist unabhängig davon, wie Konjunktur läuft. Ein Stück weit ist das, was wir im Augenblick bei der Telekom beobachten, auch Ausdruck versäumter Anpassungen in früheren Jahren. Deswegen muss jetzt auch mit etwas größeren Maßnahmen darauf reagiert werden.
Breker: Das heißt, trotz guter Konjunktur, Herr Hüther, mehr arbeiten für weniger Geld. Dieses Motto werden wir auch in anderen Branchen häufiger zu hören bekommen.
Hüther: Na ja, wir haben einen Teil der Erklärung für den Aufschwung in der Tat in Veränderungen am Arbeitsmarkt, an strukturellen Veränderungen, und in der Lohnpolitik zu sehen. Das hat zu tun mit anderen Arbeitszeitmöglichkeiten, mit größerer Arbeitszeitflexibilisierung, auch mit einer Rückkehr zur 40-Stunden-Woche, die in vielen Branchen stattgefunden hat, wobei man sagen muss, die 35-Stunden-Woche war eine Illusion. Das ist von Ökonomen immer deutlich gemacht worden. Insofern sind wir einfach hier ein Stück weit durch die internationale Arbeitsteilung getrieben in die Realität zurückgekehrt. Und auf der anderen Seite hat die Lohnpolitik seit 1997 einen moderaten, beschäftigungsorientierten Kurs gefahren und das erklärt, warum wir jetzt diesen Aufschwung in der Beschäftigung auch sehen. Alleine 600.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sind in diesen Jahren seit '97 entstanden bis 2006, weil wir eine moderate Lohnpolitik gemacht haben. Wir müssen nur akzeptieren: Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Der Wettbewerb ist schärfer, und er weht aus allen Richtungen.
Breker: Eine Branche, der es sehr gut geht, Herr Hüther, das ist die Metall- und Elektroindustrie. Da stehen nun Tarifverhandlungen an. Da ist es auch durchaus gerecht, dass die Arbeitnehmer an der Gewinnerwartung beteiligt werden, und zwar angemessen beteiligt werden.
Hüther: Erster Hinweis: Metall und Elektro ist ja der Bereich gewesen, der auch in den letzten Jahren immer Reallohnanstiege gehabt hat mit Ausnahme eines einzelnen Jahres, 2001. Aber anders als wir für die Gesamtwirtschaft feststellen, wo wir zum Teil stagnierende Reallöhne gehabt haben in Jahren, ist das in Metall und Elektro nicht der Fall gewesen. Das heißt, es ist immer besser gezahlt worden als im Schnitt der deutschen Volkswirtschaft.
Was jetzt in der Diskussion steht, ist in der Tat die Frage, wie kann man in den Aufschwung hinein die Arbeitnehmer beteiligen, ohne dass der Aufschwung und der weitere Beschäftigungsaufbau gefährdet wird? Und die Idee zu kombinieren, einer in die Tabelle hineingehenden, also dauerhaften Anhebung und eines Konjunkturbonus, der dann zunächst einmal für die Laufzeit gilt, und dann kann man ja am Ende der Laufzeit sehen, wie ist die Konjunktur gelaufen, was ist nach vorne hin dann für die nächste Konjunkturphase zu erwarten, scheint mir von der Grundstruktur eine richtige Antwort zu sein.
Breker: Ist nicht eigentlich die Produktivitätsspanne, also die Steigerung der Produktivität, weiterhin auch die Spanne, innerhalb der dann Lohnerhöhungen erfolgen sollten?
Hüther: Das ist ohne Zweifel richtig. Produktivität, die trendmäßige Produktivität ist das, was für die Beschäftigungsorientierung wichtig ist. Daran gemessen liegen wir mit drei Prozent, wie es der Vorschlag der Arbeitgeber vorsieht, eigentlich schon am oberen Rande einer beschäftigungsneutralen Lohnpolitik. Deswegen ist ja die Frage, kann man das aufdröseln in eine dauerhafte Komponente und einen Konjunkturbonus, ein Hinweis, dass man einerseits die Produktivität im Blick hat, auf der anderen Seite aber eine ohne Zweifel dynamische Konjunktur sieht, die Arbeitnehmer beteiligt, ihnen aber auch klar macht, dass das alles nicht von Dauer ist. Wir reden im Augenblick über die Verteilung der Gewinne, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, und wir müssen sehen, dass das nach vorne hin nicht gefährdet in einer Lohnpolitik die Perspektiven des Investierens aus der Eigenfinanzierung der Unternehmen. Also das auszutarieren, muss gelingen. Produktivität ist das eine Maß, Konjunkturdynamik das andere, und hier ein Gleichgewicht zu finden, kann man mit einem solchen Instrument, einer solchen Koppelung, glaube ich, ganz gut versuchen.
Breker: Ihr Ziel, Herr Hüther, die Arbeit konkurrenzfähig in Deutschland zu halten, das ist ja nicht nur Sache der Tarifparteien. Da wäre ja auch die Politik gefragt. Wir haben nun einen Anstieg der Beschäftigung. Sollte man vielleicht hingehen und die Arbeitslosenversicherung weiter senken?
Hüther: Zunächst auch hier ein Hinweis: Wir sollten würdigen, dass seit Anfang des Jahrzehnts die gesamtwirtschaftliche Steuer- und Abgabenquote um 3,5 Prozentpunkte gesenkt wurde bis jetzt in den März hinein. Das hat zu tun mit Steuerreformen, das hat aber auch zu tun mit der Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages. Insofern ist erst einmal festzuhalten, dass hier auch eine Begleitmusik von Seiten der Finanz- und Steuer- und Abgabenpolitik gemacht wurde, die jetzt im Aufschwung auch ihre Wirkung zeigt. Dies ist für mich auch ein Teil der Erklärung der Stärke des Aufschwungs. Von daher nach vorne gedacht sollten jede Potenziale genutzt werden, die wir zur Senkung der Sozialbeiträge finden. Klar ist: Wir werden unter den gegebenen Bedingungen der Gesundheit in der Krankenkasse wenig finden. Wir werden in der Pflegeversicherung wenig finden. Wir sind in der Rentenversicherung durch mit den Reformen. So bleibt die Frage: Können wir in der Arbeitslosenversicherung, die unheimliche Effizienz- und Effektivitätsgewinne in den letzten zwei, drei Jahren realisiert hat, das Potenzial nutzen und an die Beschäftigten, an die Beitragszahler, aber auch an die Arbeitgeber zurückgeben? Da finde ich, ein halber Prozentpunkt ist etwas, was spätestens im zweiten Halbjahr beschlossen werden könnte. Das würde sicherlich zu einer Verstärkung, einer weiteren Verstetigung des Aufschwungs nach 2008 beitragen.
Breker: Im Deutschlandfunk war das der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Herr Hüther, danke für dieses Gespräch.
Hüther: Sehr gerne.
Am Telefon begrüße ich nun den Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Guten Tag, Herr Hüther!
Michael Hüther: Schönen guten Tag!
Breker: Die Konjunktur brummt und zeigt sogar Wirkung auf dem Arbeitsmarkt, wie wir gestern gelernt haben. Doch das sagt eigentlich nur der erste oberflächliche Blick. Tatsächlich, Herr Hüther, gibt es in diesem Aufschwung durchaus auch Verlierer.
Hüther: Es gibt in jedem Aufschwung Verlierer, weil der Strukturwandel ja nicht stehen bleibt und einfach überall linear die Dinge sich verbessern oder erhöhen. Aber im Aufschwung sind natürlich diejenigen, die mehr Chancen haben, die Gewinnpotenziale für sich erhöhen können, deutlich in der Überzahl. Das ist das, was wir sehen.
Was angesprochen ist mit dem Fall Telekom, ist ein solches Problem des Strukturwandels. Wir haben ein Unternehmen, das Anfang der 90er Jahre aus dem eigentlichen Staatssektor hinausgelassen wurde, als früheres Staatsunternehmen nun sich privat im Markt und mit anderen Wettbewerbsbedingungen auch von Europa her abfinden muss und sich dort sortieren muss. Das findet immer statt. Das ist unabhängig davon, wie Konjunktur läuft. Ein Stück weit ist das, was wir im Augenblick bei der Telekom beobachten, auch Ausdruck versäumter Anpassungen in früheren Jahren. Deswegen muss jetzt auch mit etwas größeren Maßnahmen darauf reagiert werden.
Breker: Das heißt, trotz guter Konjunktur, Herr Hüther, mehr arbeiten für weniger Geld. Dieses Motto werden wir auch in anderen Branchen häufiger zu hören bekommen.
Hüther: Na ja, wir haben einen Teil der Erklärung für den Aufschwung in der Tat in Veränderungen am Arbeitsmarkt, an strukturellen Veränderungen, und in der Lohnpolitik zu sehen. Das hat zu tun mit anderen Arbeitszeitmöglichkeiten, mit größerer Arbeitszeitflexibilisierung, auch mit einer Rückkehr zur 40-Stunden-Woche, die in vielen Branchen stattgefunden hat, wobei man sagen muss, die 35-Stunden-Woche war eine Illusion. Das ist von Ökonomen immer deutlich gemacht worden. Insofern sind wir einfach hier ein Stück weit durch die internationale Arbeitsteilung getrieben in die Realität zurückgekehrt. Und auf der anderen Seite hat die Lohnpolitik seit 1997 einen moderaten, beschäftigungsorientierten Kurs gefahren und das erklärt, warum wir jetzt diesen Aufschwung in der Beschäftigung auch sehen. Alleine 600.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sind in diesen Jahren seit '97 entstanden bis 2006, weil wir eine moderate Lohnpolitik gemacht haben. Wir müssen nur akzeptieren: Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Der Wettbewerb ist schärfer, und er weht aus allen Richtungen.
Breker: Eine Branche, der es sehr gut geht, Herr Hüther, das ist die Metall- und Elektroindustrie. Da stehen nun Tarifverhandlungen an. Da ist es auch durchaus gerecht, dass die Arbeitnehmer an der Gewinnerwartung beteiligt werden, und zwar angemessen beteiligt werden.
Hüther: Erster Hinweis: Metall und Elektro ist ja der Bereich gewesen, der auch in den letzten Jahren immer Reallohnanstiege gehabt hat mit Ausnahme eines einzelnen Jahres, 2001. Aber anders als wir für die Gesamtwirtschaft feststellen, wo wir zum Teil stagnierende Reallöhne gehabt haben in Jahren, ist das in Metall und Elektro nicht der Fall gewesen. Das heißt, es ist immer besser gezahlt worden als im Schnitt der deutschen Volkswirtschaft.
Was jetzt in der Diskussion steht, ist in der Tat die Frage, wie kann man in den Aufschwung hinein die Arbeitnehmer beteiligen, ohne dass der Aufschwung und der weitere Beschäftigungsaufbau gefährdet wird? Und die Idee zu kombinieren, einer in die Tabelle hineingehenden, also dauerhaften Anhebung und eines Konjunkturbonus, der dann zunächst einmal für die Laufzeit gilt, und dann kann man ja am Ende der Laufzeit sehen, wie ist die Konjunktur gelaufen, was ist nach vorne hin dann für die nächste Konjunkturphase zu erwarten, scheint mir von der Grundstruktur eine richtige Antwort zu sein.
Breker: Ist nicht eigentlich die Produktivitätsspanne, also die Steigerung der Produktivität, weiterhin auch die Spanne, innerhalb der dann Lohnerhöhungen erfolgen sollten?
Hüther: Das ist ohne Zweifel richtig. Produktivität, die trendmäßige Produktivität ist das, was für die Beschäftigungsorientierung wichtig ist. Daran gemessen liegen wir mit drei Prozent, wie es der Vorschlag der Arbeitgeber vorsieht, eigentlich schon am oberen Rande einer beschäftigungsneutralen Lohnpolitik. Deswegen ist ja die Frage, kann man das aufdröseln in eine dauerhafte Komponente und einen Konjunkturbonus, ein Hinweis, dass man einerseits die Produktivität im Blick hat, auf der anderen Seite aber eine ohne Zweifel dynamische Konjunktur sieht, die Arbeitnehmer beteiligt, ihnen aber auch klar macht, dass das alles nicht von Dauer ist. Wir reden im Augenblick über die Verteilung der Gewinne, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, und wir müssen sehen, dass das nach vorne hin nicht gefährdet in einer Lohnpolitik die Perspektiven des Investierens aus der Eigenfinanzierung der Unternehmen. Also das auszutarieren, muss gelingen. Produktivität ist das eine Maß, Konjunkturdynamik das andere, und hier ein Gleichgewicht zu finden, kann man mit einem solchen Instrument, einer solchen Koppelung, glaube ich, ganz gut versuchen.
Breker: Ihr Ziel, Herr Hüther, die Arbeit konkurrenzfähig in Deutschland zu halten, das ist ja nicht nur Sache der Tarifparteien. Da wäre ja auch die Politik gefragt. Wir haben nun einen Anstieg der Beschäftigung. Sollte man vielleicht hingehen und die Arbeitslosenversicherung weiter senken?
Hüther: Zunächst auch hier ein Hinweis: Wir sollten würdigen, dass seit Anfang des Jahrzehnts die gesamtwirtschaftliche Steuer- und Abgabenquote um 3,5 Prozentpunkte gesenkt wurde bis jetzt in den März hinein. Das hat zu tun mit Steuerreformen, das hat aber auch zu tun mit der Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages. Insofern ist erst einmal festzuhalten, dass hier auch eine Begleitmusik von Seiten der Finanz- und Steuer- und Abgabenpolitik gemacht wurde, die jetzt im Aufschwung auch ihre Wirkung zeigt. Dies ist für mich auch ein Teil der Erklärung der Stärke des Aufschwungs. Von daher nach vorne gedacht sollten jede Potenziale genutzt werden, die wir zur Senkung der Sozialbeiträge finden. Klar ist: Wir werden unter den gegebenen Bedingungen der Gesundheit in der Krankenkasse wenig finden. Wir werden in der Pflegeversicherung wenig finden. Wir sind in der Rentenversicherung durch mit den Reformen. So bleibt die Frage: Können wir in der Arbeitslosenversicherung, die unheimliche Effizienz- und Effektivitätsgewinne in den letzten zwei, drei Jahren realisiert hat, das Potenzial nutzen und an die Beschäftigten, an die Beitragszahler, aber auch an die Arbeitgeber zurückgeben? Da finde ich, ein halber Prozentpunkt ist etwas, was spätestens im zweiten Halbjahr beschlossen werden könnte. Das würde sicherlich zu einer Verstärkung, einer weiteren Verstetigung des Aufschwungs nach 2008 beitragen.
Breker: Im Deutschlandfunk war das der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Herr Hüther, danke für dieses Gespräch.
Hüther: Sehr gerne.