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Wirtschaftsköpfe 2014
Mario Draghi bleibt wichtig

Als Präsident der Europäischen Zentralbank hat Mario Draghi einige Entscheidungen getroffen, die in Deutschland auf Kritik stießen. In anderen Ländern ist er dagegen der Held der Eurokrise.

Von Michael Braun |
    Das billige Geld der Zentralbanken mögen die Banken, klar. Genauso wollen sie aber, dass die Geldpolitik berechenbar ist. Und daran kamen Anfang November Zweifel auf, als EZB-Präsident Mario Draghi eine gesunkene Inflationsrate zum Anlass nahm, den Leitzins gen null zu treiben, auf nur noch 0,25 Prozent. Eine Überreaktion? Schließlich hatte Draghi selbst gesagt, eine Phase sinkender Preise, eine Deflation, sehe die EZB nicht, sondern nur eine Phase, lang anhaltender niedriger Inflationsraten:
    "We don’t see deflation. What we see is a protracted period of low inflation."
    Als vier Wochen später die Inflationsrate wieder leicht stieg, war klar, dass Draghi fast hektisch gehandelt hatte, demonstrativ, das wichtige Kriterium, verlässliche Signale zu senden, mit der voreiligen Zinssenkung verletzt hatte. Schon kamen Fragen auf, ob die Zinspolitik unter Draghi italienischer geworden sei - ein Vorwurf, gegen den Draghi sogar sein interner Widerpart, Bundesbankpräsident Jens Weidmann, verteidigte:
    "Es geht nicht darum, Geldpolitik für Italien zu machen oder für Deutschland. Es geht darum, eine Geldpolitik zu machen, die den Wert des Geldes sichert. Und darüber diskutieren wir. Und es ist auch ganz normal, dass man bei diesen Entscheidungen auch mal kontrovers diskutiert."
    Sicher ist, dass die Niedrigzinspolitik im sparfreudigen Deutschland schlechter ankommt als anderswo. Und als die Rede davon war, die EZB könne im nächsten Schritt von den Banken Negativzinsen verlangen, könne sie also dafür bezahlen lassen, wenn sie Geld bei der EZB anlegen, da gab es reservierte Kommentare, von Ulf Krauss etwa, dem geldpolitischen Analysten der Helaba:
    "Man kann sich vorstellen, was das für den Ruf der EZB, der in Deutschland ja ohnehin ziemlich angekratzt ist, bedeuten würde."
    Immerhin: Die Debatte zeigt, dass auch bei Zinsen nahe null der geldpolitische Instrumentenkasten nicht leer ist. Im Gegenteil, sagt Draghi, es stehe eine große Auswahl weiterer Maßnahmen bereit:
    "There is a wide range of instruments that we can activate if needed."
    Vorstellbar wären weitere mehrjährige, also langfristige Kredite an Banken. Damit Banken für das billige Geld aber nicht nur gut verzinste Staatsanleihen kaufen und mit Krediten an Unternehmen knausern, könnte die EZB diese langfristigen Geschäfte mit der Auflage verbinden, Banken müssten mindestens 30, 40 Prozent der Gelder als Kredit an Unternehmen weiterreichen. Die EZB könnte außerdem die Mindestreserve weiter kürzen, die Banken bei ihr hinterlegen müssen. Sie könnte ankündigen, Wertpapiere zu kaufen, mit denen Kredite an die Realwirtschaft refinanziert werden, also den sogenannten Verbriefungsmarkt reanimieren. Die EZB könnte sogar selbst als Kreditgeber für Unternehmen auftreten und diese Kredite - nach dem Vorbild der deutschen KfW - über Banken ausgeben. Dann würde die EZB zur Förderbank. Und sie könnte die "Bazooka" rausholen, also den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen aus Krisenländern angehen, sofern die eine Reformpolitik auflegen. Draghi hatte dieses Instrument voriges Jahr als Möglichkeit angekündigt und jeden Zweifel an seiner Ergiebigkeit zerstreut. Die EZB, sagte er, habe genügend Mittel:
    "And believe me: It will be enough."
    Die Märkte waren und sind beeindruckt. Gegen eine Zentralbank spekuliert niemand. Aber richtig bleibt auch: Die Kreditvergabe an die Unternehmen ist nicht nur eine Frage des Geldangebots. Sondern auch der Nachfrage.