Mario Dobovisek: Mit 37 Jahren ist er der jüngste Bundeswirtschaftsminister Deutschlands, Karl-Theodor zu Guttenberg. Aber längst sind sie vorbei, die glorreichen Zeiten Ludwig Erhards, als die Union mit ihrem Wirtschaftsminister noch den Takt des rheinischen Kapitalismus angab. - Am Telefon begrüße ich Gero Neugebauer. Er ist Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Guten Tag, Herr Neugebauer.
Gero Neugebauer: Guten Tag, Herr Dobovisek.
Dobovisek: Was kann Karl-Theodor zu Guttenberg überhaupt in dieser Situation reißen?
Neugebauer: Er kann sich erst mal fragen, warum eigentlich nicht sein Parteikollege Dobrindt das geworden ist, der ja für die CSU wirtschafts- und forschungspolitischer Sprecher gewesen ist, das heißt, der genau die Funktionen im Bundestag in den Ausschüssen erfüllte, die in dem Ministerium gefragt worden wären. Und dann kann er sich wohl gratulieren, dass er in seiner eigenen politischen Entwicklung nicht zum Fallbeil Seehofers werden musste, sondern rechtzeitig aus der Generalsekretärsposition aussteigen und Minister werden konnte.
Dobovisek: Aber ist das nun gut für Herrn zu Guttenberg oder nicht?
Neugebauer: Wenn jemand in einem Amt, das an Bedeutung verloren hat, zumindest noch den Anschein erwecken will, dass damit nicht die Union in der Wirtschaftspolitik die Segel gestrichen hat, und alles Agieren sowohl in der Finanzwirtschaft als auch in der Realwirtschaft Herrn Steinbrück überlässt, dann ist er der richtige Mann.
Dobovisek: Warum hat das Bundeswirtschaftsministerium scheinbar an Bedeutung verloren?
Neugebauer: Es hat ja seine große Bedeutung unter Erhard gehabt, als es nämlich darum ging, die Bundesrepublik ökonomisch aufzubauen und gleichzeitig mit dem Implantieren von Wirtschaftspolitik in sehr verschiedenen Bereichen auch eine Art Leitlinie für die Wirtschaftspolitik überhaupt zu geben, die soziale Marktwirtschaft. Das heißt also eine Wirtschaftsordnung, in der Wettbewerb und Gewinnorientierung mit sozialem Ausgleich verbunden werden sollte. Das Ministerium hat auch seine Bezeichnung bis 1998 behalten. Dann ist unter Kanzler Schröder in der ersten Regierungsphase erst mal Technologie dazugekommen. Das entsprach der Parole, mit der die SPD angetreten war, nämlich Innovation in Deutschland voranzutreiben und auch in diesem Bereich etwas zu machen. Später hat man dann eher gesagt, na ja, der parteilose Herr Müller war eher der energiepolitische Beauftragte von Herrn Schröder. 2002 hat Herr Clement das Ministerium, diesmal dann um den Bereich Arbeit als Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, übertragen bekommen, um die Arbeitsmarktreformen - bekannt unter Hartz-Reformen - durchzuziehen, und Herr Glos hat wieder den früheren Titel "Wirtschaft und Technologie" übernommen. Gleichzeitig hat man aber festgestellt, dass immer mehr Verlagerung stattgefunden hat, einerseits auf die europäische Ebene, andererseits auch durch Untätigkeit der Minister. Man muss sagen, was wirtschaftspolitische Grundsatzlinien angeht ist der Herr von Lambsdorff in der damaligen sozial-liberalen Koalition wohl der letzte gewesen, der irgendetwas gesagt hat. Es hat eindeutig seine Bedeutung dadurch verloren: Es hat keine Beiträge mehr zur Ordnungspolitik geleistet.
Dobovisek: Aber warum, Herr Neugebauer, hat die Union nicht versucht, das Ministerium zum Beispiel mit Herrn Glos aufzuwerten?
Neugebauer: Ich schlucke etwas, weil ich denke, man müsste dann auf die innerbetrieblichen Verhältnisse in der Union zu sprechen kommen, nämlich wen duldet Frau Merkel neben sich. Duldet sie neben sich einen Wirtschaftsminister, den sie ja nicht aufgefordert hat, sie beispielsweise nach Davos zu begleiten. Wenn sie sich in einem Feld profilieren will - und hier muss man auf die Strategie von Frau Merkel eingehen -, setzt sie Zeichen, kündigt Projekte an und - erlauben Sie mir das Bild - kommt jedem, der dann die Furche beackern will, am Ende der Furche entgegen und sagt, ich bin auch hier. Wenn man dann allerdings an die Ernte geht stellt man fest, es ist nicht so viel geworden. Es ist bei Klima nicht so viel geworden, beim Weltwirtschaftsrat wird man abwarten können, aber die Skepsis auch in anderen Ländern ist so groß, und da kann man nicht einen Wirtschaftsminister haben, der einfach sagt, hoppla, hier greife ich mal - und das war ja nun die Position von Erhard, als idealtypische zu nehmen, der gesagt hat, nein, so geht das nicht, hier müssen wir ordnungspolitische Zeichen setzen, hier müssen wir nicht auf die Lösung von augenblicklichen Problemen achten, sondern grundsätzliche Fragen erst einmal beantworten. Und wenn man einen solchen Minister haben will, dann ist man in seiner eigenen Wirkungsmacht eingeschränkt.
Dobovisek: Welche Möglichkeiten hat Herr zu Guttenberg denn überhaupt noch, sich und auch die CSU in den kommenden sieben Monaten wirtschaftspolitisch zu profilieren?
Neugebauer: Herr zu Guttenberg beherrscht sehr gut das Spiel mit den Medien. Das heißt, er versucht, bestimmte Sachen auf die Tagesordnung zu setzen. Er wird vor allen Dingen, glaube ich, auch deutlich machen wollen, dass die Union dieses Amt besetzt und in diesem Amt aber ihn sozusagen als Kontrahenten von Herrn Steinbrück wohl installieren wird. Wenn man das ernsthaft nehmen will, wird man sagen, er kann gar nichts. Er macht sechs Monate Probezeit, dann haben wir die Bundestagswahlen und danach steht für ihn jedes andere Amt wieder offen, es sei denn, es kommt zur schwarz/gelben Koalition, und ob es dann Kontinuität im Amt, in der Person geben wird, das wage ich zu bezweifeln.
Dobovisek: Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer. Vielen Dank für das Gespräch.
Gero Neugebauer: Guten Tag, Herr Dobovisek.
Dobovisek: Was kann Karl-Theodor zu Guttenberg überhaupt in dieser Situation reißen?
Neugebauer: Er kann sich erst mal fragen, warum eigentlich nicht sein Parteikollege Dobrindt das geworden ist, der ja für die CSU wirtschafts- und forschungspolitischer Sprecher gewesen ist, das heißt, der genau die Funktionen im Bundestag in den Ausschüssen erfüllte, die in dem Ministerium gefragt worden wären. Und dann kann er sich wohl gratulieren, dass er in seiner eigenen politischen Entwicklung nicht zum Fallbeil Seehofers werden musste, sondern rechtzeitig aus der Generalsekretärsposition aussteigen und Minister werden konnte.
Dobovisek: Aber ist das nun gut für Herrn zu Guttenberg oder nicht?
Neugebauer: Wenn jemand in einem Amt, das an Bedeutung verloren hat, zumindest noch den Anschein erwecken will, dass damit nicht die Union in der Wirtschaftspolitik die Segel gestrichen hat, und alles Agieren sowohl in der Finanzwirtschaft als auch in der Realwirtschaft Herrn Steinbrück überlässt, dann ist er der richtige Mann.
Dobovisek: Warum hat das Bundeswirtschaftsministerium scheinbar an Bedeutung verloren?
Neugebauer: Es hat ja seine große Bedeutung unter Erhard gehabt, als es nämlich darum ging, die Bundesrepublik ökonomisch aufzubauen und gleichzeitig mit dem Implantieren von Wirtschaftspolitik in sehr verschiedenen Bereichen auch eine Art Leitlinie für die Wirtschaftspolitik überhaupt zu geben, die soziale Marktwirtschaft. Das heißt also eine Wirtschaftsordnung, in der Wettbewerb und Gewinnorientierung mit sozialem Ausgleich verbunden werden sollte. Das Ministerium hat auch seine Bezeichnung bis 1998 behalten. Dann ist unter Kanzler Schröder in der ersten Regierungsphase erst mal Technologie dazugekommen. Das entsprach der Parole, mit der die SPD angetreten war, nämlich Innovation in Deutschland voranzutreiben und auch in diesem Bereich etwas zu machen. Später hat man dann eher gesagt, na ja, der parteilose Herr Müller war eher der energiepolitische Beauftragte von Herrn Schröder. 2002 hat Herr Clement das Ministerium, diesmal dann um den Bereich Arbeit als Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, übertragen bekommen, um die Arbeitsmarktreformen - bekannt unter Hartz-Reformen - durchzuziehen, und Herr Glos hat wieder den früheren Titel "Wirtschaft und Technologie" übernommen. Gleichzeitig hat man aber festgestellt, dass immer mehr Verlagerung stattgefunden hat, einerseits auf die europäische Ebene, andererseits auch durch Untätigkeit der Minister. Man muss sagen, was wirtschaftspolitische Grundsatzlinien angeht ist der Herr von Lambsdorff in der damaligen sozial-liberalen Koalition wohl der letzte gewesen, der irgendetwas gesagt hat. Es hat eindeutig seine Bedeutung dadurch verloren: Es hat keine Beiträge mehr zur Ordnungspolitik geleistet.
Dobovisek: Aber warum, Herr Neugebauer, hat die Union nicht versucht, das Ministerium zum Beispiel mit Herrn Glos aufzuwerten?
Neugebauer: Ich schlucke etwas, weil ich denke, man müsste dann auf die innerbetrieblichen Verhältnisse in der Union zu sprechen kommen, nämlich wen duldet Frau Merkel neben sich. Duldet sie neben sich einen Wirtschaftsminister, den sie ja nicht aufgefordert hat, sie beispielsweise nach Davos zu begleiten. Wenn sie sich in einem Feld profilieren will - und hier muss man auf die Strategie von Frau Merkel eingehen -, setzt sie Zeichen, kündigt Projekte an und - erlauben Sie mir das Bild - kommt jedem, der dann die Furche beackern will, am Ende der Furche entgegen und sagt, ich bin auch hier. Wenn man dann allerdings an die Ernte geht stellt man fest, es ist nicht so viel geworden. Es ist bei Klima nicht so viel geworden, beim Weltwirtschaftsrat wird man abwarten können, aber die Skepsis auch in anderen Ländern ist so groß, und da kann man nicht einen Wirtschaftsminister haben, der einfach sagt, hoppla, hier greife ich mal - und das war ja nun die Position von Erhard, als idealtypische zu nehmen, der gesagt hat, nein, so geht das nicht, hier müssen wir ordnungspolitische Zeichen setzen, hier müssen wir nicht auf die Lösung von augenblicklichen Problemen achten, sondern grundsätzliche Fragen erst einmal beantworten. Und wenn man einen solchen Minister haben will, dann ist man in seiner eigenen Wirkungsmacht eingeschränkt.
Dobovisek: Welche Möglichkeiten hat Herr zu Guttenberg denn überhaupt noch, sich und auch die CSU in den kommenden sieben Monaten wirtschaftspolitisch zu profilieren?
Neugebauer: Herr zu Guttenberg beherrscht sehr gut das Spiel mit den Medien. Das heißt, er versucht, bestimmte Sachen auf die Tagesordnung zu setzen. Er wird vor allen Dingen, glaube ich, auch deutlich machen wollen, dass die Union dieses Amt besetzt und in diesem Amt aber ihn sozusagen als Kontrahenten von Herrn Steinbrück wohl installieren wird. Wenn man das ernsthaft nehmen will, wird man sagen, er kann gar nichts. Er macht sechs Monate Probezeit, dann haben wir die Bundestagswahlen und danach steht für ihn jedes andere Amt wieder offen, es sei denn, es kommt zur schwarz/gelben Koalition, und ob es dann Kontinuität im Amt, in der Person geben wird, das wage ich zu bezweifeln.
Dobovisek: Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer. Vielen Dank für das Gespräch.