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Wirtschaftswissenschaftler kritisiert Höhe der Vorstandsgehälter

Der Wirtschaftswissenschaftler Jobst Fiedler hat die Höhe der Managergehälter in Deutschland als "ungesund" bezeichnet. Er sprach sich für mehr Transparenz bei den Vorstandsgehältern aus und verwies gleichzeitig auf die Spitzenposition Deutschlands im europäischen Vergleich.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Und wir bleiben beim Thema: Mitgehört hat gerade schon Jobst Fiedler, der Politik- und Wirtschaftswissenschaftler, früher Mitglied in der Hartz-Kommission, ist stellvertretender Dekan an der Hertie School of Governance. Auch mit ihm möchte ich über den Fall Jürgen Schrempp sprechen und darüber, welche Konsequenzen Wirtschaft und Politik ziehen sollten. Wir haben gerade schon über mögliche Hintergründe für Schrempps plötzlichen Rückzug ohne Abfindung gesprochen: Was vermuten Sie dahinter, Herr Fiedler?

    Jobst Fiedler: Also ich vermute, dass Herr Kopper, der natürlich die Hauptstütze im Aufsichtsrat war, gesehen hat, dass ein möglichst in der Sommerpause gelegener Zeitpunkt, wo die Aufmerksamkeit ein bisschen ablenkbar ist, gewählt wird, um ein unvermeidliches Ende sozusagen der Vorstandszeit einzuleiten. Und das unter Bedingungen, dass Herr Schrempp dann nicht mehr verhandeln konnte. Also das heißt, im Grunde eine von oben auferlegte Beendigung der Zeit. Das hat man aber nicht gekleidet eben in die einfache Vertragskündigung - das hätte sonst, wie Herr Grässlin gesagt hat, eine hohe Abfindung noch nach sich gezogen. Ich denke mal, auch für Herrn Kopper und den Aufsichtsrat war wichtig, dass natürlich noch mal solche zirka 20 Millionen ein publizistisches Eigenleben geführt hätten. Ich habe keine Informationen außer denen, die wir haben: dass Herr Schrempp seine eigenen Ansprüche nicht erfüllt hat und dass es dem Aktienkurs schlecht ging und dass es auch den neuen Entwicklungen nicht gut geht - über irgendwelche vorwerfbaren Einzelpunkte, die habe ich nicht. Aber jedenfalls ist es ein ungewöhnlicher Abgang, ohne Dank und vor allen Dingen ohne die sonst meistens verhandelten Auszahlungen des Restvertrages.

    Heuer: Jürgen Schrempps Fehlentscheidungen haben DaimlerChrysler über die Jahre geschätzt 50 Milliarden Euro an der Börse gekostet - wer haftet denn dafür? Die Angestellten und die Aktionäre?

    Fiedler: Also wenn man sich das unter Gesichtspunkten der öffentlichen Wertung anschaut, dann ist auf der einen Seite festzustellen: Natürlich gehen Vorstände hohe Risiken ein und deswegen sind auch - das muss man mal sagen - im Durchschnitt der Fälle oft nur noch fünf Jahre Vorstandszeit üblich. Das heißt also, es wird durchaus auch gehaftet für Erfolg oder Misserfolg. Im Fall von Herrn Schrempp ist ja schon seit längerer Zeit absehbar, dass er gerade seinen Ansprüchen auf Verbesserung des Aktienwertes - diese berühmte Debatte Shareholder-Value-Steigerung - nicht gerecht geworden ist. Daran gemessen hat seine Zeit unglaublich lang gedauert. Und da ist ein gewisser Mangel. Eigentlich müssen die Reaktionen bei hohen Gehältern und auch bei hohen Risiken, die man im Weltmarkt hat, und um zurechtzukommen müssen die Reaktionen auch sehr schnell kommen. Es muss dann auch eine Bewertung von Erfolg und Misserfolg geben.

    Heuer: Eine Bewertung von Erfolg und Misserfolg, nicht nur, was die Verweildauer im Vorstand angeht, sondern vielleicht auch, was die Gehaltsauszahlung angeht?

    Fiedler: Also es ist ja mit dem Namen Schrempp -später dann mit anderen -verbunden, dass sich die Vorstandsgehälter in Deutschland mindestens vervierfacht haben. Und die lagen natürlich ohnehin immer deutlich höher als das, was in anderen Berufen - wenn man mal von Fußballstars oder Ähnlichem absieht - erzielbar ist. Es ist deswegen völlig berechtigt, die Frage zu stellen: Tut es einem Gemeinwesen und auch der sozialen Kohäsion, dem Zusammenhalt, eigentlich gut, wenn es jetzt in diese Höhen gegangen ist? Das heißt, im Regelfall liegen eben die, sagen wir - nehmen wir mal den Bundeskanzler auf der einen Seite und Herrn Schrempp auf der anderen Seite, oder ein weiteres Vorstandsmitglied und einen Finanzminister, dann ist da eine Relation von eins zu 15, das heißt also, es ist fünfzehnmal höher als das, was jeweils auf der anderen, politischen Verantwortungsebene gezahlt wird. Das kann nicht gut sein. In der Politik wird viel verlangt, in der Politik muss auch sanktioniert werden, es gibt Neuwahlen, es gibt Rücktritte, und ich bedauere diese Entwicklung der letzten Jahre, die auch in Deutschland eine ganz forcierte Nachholentwicklung war.

    Heuer: Herr Fiedler, Einwand: In anderen Industrienationen - so heißt es immer wieder - verdienten Manager viel mehr als in Deutschland. Ist das falsch?

    Fiedler: Das stimmt nicht. In Amerika ist diese Entwicklung - die übrigens auch kritisch kommentiert wird - in zum Teil noch abenteuerlichere Dimensionen gegangen: Da hat es auch schon Vorstandskollegen, die zusammen mit den Ausschüttungen, die sie da noch bekommen und den Optionen, die sie hatten, 80 oder 90 Millionen Dollar verdient haben. Aber im europäischen Vergleich ist die deutsche Sonderentwicklung schon - ohne dass man in eine billige Neid-Debatte kommt -, ist sie ungesund und sie liegt übrigens auch höher. Und das Kernargument, wir hätten Manager, die in jedem Fall ja auch auf dem internationalen Markt sonst, wenn wir sie zu niedrig bezahlen würden, sozusagen gleiche Chancen hätten und deswegen nicht zur Verfügung stünden, das gilt natürlich für viele nicht. Also mit dem Namen Schrempp und mit seinem Abgang muss man auch sagen, mit der Transparenz, die jetzt zum Glück kommt, was Vorstandsgehälter angeht, hier muss der öffentliche Druck - Kriegen wir eigentlich den Gegenwert an Leistung für ungewöhnlich hohe Gehälter? -, der muss jetzt transparent und öffentlich geführt werden, muss vielleicht auch tatsächlich zu einer Teilkorrektur der Entwicklung führen.