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Wissen, wie viel Wärme fließt

Energie.- Beim Bau geothermischer Anlagen gibt es immer wieder Probleme mit der Dimensionierung. Forscher der TU Darmstadt haben ein Messgerät entwickelt, mit dem sich berechnen lässt, wie groß eine Erdwärmeanlage an einem bestimmten Standort sein muss, damit sie effektiv arbeitet.

Von Carina Frey |
    Geothermische Anlagen sind eine praktische Erfindung: Sie nutzen die in der Erdkruste gespeicherte Wärme, um damit zum Beispiel Wohnhäuser zu heizen. An potenziellen Standorten mangelt es in Deutschland nicht. Probleme gibt es vor allem bei der Dimensionierung der Anlagen. Sind sie zu klein, liefern sie nicht ausreichend Wärme. Zu große Anlagen arbeiten dagegen nicht effektiv, weil die Pumpen zu viel Strom fressen. Wissenschaftler der Technischen Universität Darmstadt haben nun ein Messgerät entwickelt, mit dem sich die Wärmeleitfähigkeit unterschiedlicher Böden unter verschiedenen Umweltbedingungen berechnen lässt – und damit, wie groß Erdwärmeanlagen an bestimmten Standorten gebaut werden müssen.

    "Es ist ein Messgerät, das speziell für die Wärmeleitfähigkeit von Lockergesteinen gedacht ist. Lockergesteine können in verschiedenen Formen im Boden vorliegen, in verschiedenen Verdichtungsstufen, mit verschiedenen Mineralgehalten, mit verschiedenen Wassergehalten. Und diese verschiedenen Zustandsformen, die können in diesem Gerät direkt abgebildet werden und das Lockergestein kann so vermessen werden wie es wirklich in der Natur vorliegt",

    erklärt Johannes Stegner, der das Messgerät mit Kollegen am Institut für Angewandte Geothermie entwickelt hat. Bis in einen Kilometer Tiefe besteht der Boden aus Lockergesteinen wie Schotter, Kies, Ton oder Sand, dazwischen lagern Wasser und Luft. Die höchste Wärmeleitfähigkeit haben die Körner selbst, Wasser leitet Wärme mittelmäßig, Luft wiederum ist ein guter Isolator. Nur wenn Bauherren die Zusammensetzung des Bodens kennen, können sie berechnen, wie viele Erdwärmesonden in welcher Tiefe verlegt werden müssen.

    "Die üblichen Vorgehensweisen sind bei ganz kleinen Anlagen wie bei Einfamilienhäusern, dass eine Abschätzung des zu erwartenden Energievolumens getroffen wird Bei größeren Anlagen wird eine Testsonde eingebaut und dann wird ein Geothermal-Response-Test durchgeführt, dabei wird heißes Wasser durch die Sonden zirkuliert, und es wird über die Zeit gemessen, wie die Wärme dann abtransportiert wird."

    Solche Messverfahren sind aufwendig. Außerdem bieten sie nur eine Momentaufnahme. Der Grundwasserfluss im Boden beispielsweise kann aber schwanken, was die Ergebnisse verzerrt. Künftig reicht es aus, Bodenproben aus einer definierten Tiefe zu nehmen und in dem neuen Messgerät zu untersuchen.

    "Es besteht am unteren Ende aus einer Kühlplatte, am oberen Ende aus einer Heizplatte. Mit der Kühl- und der Heizplatte wird ein Temperaturstrom durch eine dazwischen eingebaute Bodenprobe hervorgerufen. Zwischen Kühlplatte und Bodenprobe ist noch eine Vergleichsplatte mit einer bekannten Wärmeleitfähigkeit eingebaut. Die Temperatur von Kühl- und Heizplatte werden geregelt und in der Vergleichsplatte mit der bekannten Wärmeleitfähigkeit wird die entstehende Temperatur gemessen. Auf Basis dieser Messwerte kann dann die Wärmeleitfähigkeit des unbekannten Materials des Bodens bei bekannter Dicke der Bodenprobe errechnet werden."

    Mit einer hydraulischen Presse lassen sich die Druckverhältnisse ändern. Über seitlich angebrachte Filter kann Wasser zugeführt und entnommen werden. Die Wissenschaftler können so testen, welche Einflüsse starke Regenfälle oder eine höhere Verdichtung des Bodens auf die Wärmeleitfähigkeit haben. Das ist auch wichtig zu wissen, wenn Stromkabel im Boden verlegt werden.

    "In einem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigen wir uns mit der Wärmeableitung von erdverlegten Mittel- und Niederspannungskabeln. Momentan ist eine Norm vorhanden, mit dieser Norm wird die erlaubte Strommenge festgelegt, die durch diese Kabel geschickt werden darf. Und bei der gewährleistet ist, dass eine Aufwärmung des Kabels über 90 Grad nicht stattfindet."

    Kommt es zur Überhitzung, können die Kabel vorzeitig altern oder sogar zerstört werden. Auch Kurzschlüsse sind möglich. Die Forscher wollen mithilfe ihres Messgerätes untersuchen, wie viel Strom tatsächlich durch die Kabel fließen kann.

    Drei Jahre lang haben die Wissenschaftler das neue Messgerät entwickelt. Ende 2012 sollen die ersten zwei Exemplare auf den Markt kommen – und einen Beitrag leisten, die Energiewende in Deutschland weiter voranzubringen.