Bettina Klein: Bei mir im Studio ist jetzt Thorsten Galert. Er arbeitet an der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen. Guten Morgen, Herr Galert.
Thorsten Galert: Guten Morgen.
Klein: Statt eines Kaffees am Morgen dann eben ganz einfach die Tablette mit den unverzichtbaren Glücks- und Leistungsbringern. Wäre das eine unbedenkliche Alternative aus Sicht Ihrer Akademie?
Galert: Na ja, es ist tatsächlich zu fragen, was dagegen spräche, jedenfalls wenn sich Erwachsene dazu entscheiden, die Risiken auf sich zu nehmen, die die Einnahme solcher Psychopharmaka mit sich bringt. Ich würde die Sache anders beurteilen bei Kindern und Jugendlichen.
Klein: Ist denn das ein Trend, den Sie erkennen können, dass man tatsächlich dahin kommt, das als eine normale Droge, als ein normales Doping irgendwann dann anzusehen?
Galert: Ich sehe ein bisschen ein Problem auch darin, dass man eigentlich keine verlässlichen Zahlen dazu hat, in welchem Umfang das tatsächlich schon von Leuten gemacht wird. Man muss auch ein bisschen aufpassen, dort nicht so einen Medienrummel zu erzeugen, so dass dann die Leute denken, sie müssten das machen, weil es machen schon alle anderen. Verlässliche Zahlen gibt es eigentlich nur aus den USA und auch dort eigentlich nur dazu, in welchem Umfang College-Studenten auf Medikamente wie Ritalin zu nichtmedizinischen Zwecken zurückgreifen. Wie weit verbreitet das Ganze wirklich ansonsten ist, weiß man nicht.
Sie hatten auf die Nature-Umfrage angespielt und dort ist es so: Das ist ja keine repräsentative Umfrage gewesen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass erst mal nur solche Leute, die schon irgendwie Erfahrungen damit gemacht haben, tatsächlich dann auch sich an dieser Umfrage überhaupt beteiligt haben.
Klein: Aber die Wissenschaftler fragen ja, weshalb soll man diese Art des Dopens nicht freigeben? Wäre das nicht gerechter, wenn sowieso einige Leute versuchen, die Leistungen darüber zu steigern? Warum sagt die Gesellschaft dann nicht bitte schön, dann dürfen das auch alle tun?
Galert: Ja. Tatsächlich müsste man sagen, wenn sich das Ganze sowieso schleichend durchsetzt, dann wäre es auch vernünftig, zunächst einmal wirklich gezielte Forschungen in dieser Richtung zu machen und wirklich herauszufinden erstens, wirken diese Medikamente überhaupt vernünftig. Man hat darüber keine verlässlichen Erkenntnisse, was einfach damit zusammenhängt, dass die Pharmafirmen sich nicht wirklich herantrauen an dieses Thema. Denen ist das ganze einfach zu heikel, weil sie selbstverständlich spüren, dass in der Gesellschaft da eine eher feindselige Stimmung gegenüber dieser Möglichkeit, Psychopharmaka zu nichttherapeutischen Zwecken zu nehmen, vorhanden ist. Deshalb schrecken die davor zurück. Das heißt, die wenigen Studien, die es gibt, sind meistens eher von Universitäten, unabhängigen Forschungseinrichtungen, und die haben häufig einfach nicht das Kapital, um wirklich große Studien auch über einen langen Zeitraum durchzuführen. Eine wichtige Frage ist ja auch die der Langzeitnebenwirkungen, über die man tatsächlich herzlich wenig weiß.
Klein: Wenn wir uns die Vergabe von Ritalin an Kinder anschauen, die ja offenbar zunimmt – das beobachten Erzieher und beobachten auch Ärzte -, worin sehen Sie die größte Gefahr dabei?
Galert: Da muss man jetzt sehr aufmerksam differenzieren, weil da haben wir es ja nun mit einer therapeutischen Anwendung zu tun. Man kann sich natürlich darüber unterhalten, ob man ADHS überhaupt als ein wirkliches Krankheitsbild anerkennen möchte, aber das wäre ein anderes Thema. Wenn wir also wirklich jetzt über Brain-Doping oder Neuro-Enhancement sprechen, dann handelt es sich ja um die Anwendung, ohne dass irgendein therapeutischer Nutzen damit erzielt werden soll.
Klein: Aber ein Nutzen, der zumindest dann auch für Kinder und Jugendliche in einer gewissen Leistungssteigerung besteht, und die Frage ist ja, wo muss die Gesellschaft da eine Grenze setzen.
Galert: Ja. Ich würde es bei Kindern und Jugendlichen deshalb für so problematisch halten, tatsächlich dort auf Psychopharmaka zur Leistungssteigerung zu setzen, weil es eben wichtig ist, in der Entwicklung die Erfahrung zu machen, dass man bestimmte Dinge leisten und bewältigen kann, ohne dafür auf irgendwelche anderen Hilfsmittel zurückzugreifen. Ich denke, dass Kinder und Jugendliche sehr stark dazu tendieren werden, so eine Art psychischer Abhängigkeit in der Weise auszubilden, dass sie nach kurzer Zeit das Gefühl haben, meine Güte, ich kann überhaupt keine Prüfung mehr bewältigen, wenn ich nicht vorher Ritalin oder was auch immer genommen habe.
Klein: Die Einschätzungen von Thorsten Galert von der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen. Vielen Dank für den Besuch im Studio.
Thorsten Galert: Guten Morgen.
Klein: Statt eines Kaffees am Morgen dann eben ganz einfach die Tablette mit den unverzichtbaren Glücks- und Leistungsbringern. Wäre das eine unbedenkliche Alternative aus Sicht Ihrer Akademie?
Galert: Na ja, es ist tatsächlich zu fragen, was dagegen spräche, jedenfalls wenn sich Erwachsene dazu entscheiden, die Risiken auf sich zu nehmen, die die Einnahme solcher Psychopharmaka mit sich bringt. Ich würde die Sache anders beurteilen bei Kindern und Jugendlichen.
Klein: Ist denn das ein Trend, den Sie erkennen können, dass man tatsächlich dahin kommt, das als eine normale Droge, als ein normales Doping irgendwann dann anzusehen?
Galert: Ich sehe ein bisschen ein Problem auch darin, dass man eigentlich keine verlässlichen Zahlen dazu hat, in welchem Umfang das tatsächlich schon von Leuten gemacht wird. Man muss auch ein bisschen aufpassen, dort nicht so einen Medienrummel zu erzeugen, so dass dann die Leute denken, sie müssten das machen, weil es machen schon alle anderen. Verlässliche Zahlen gibt es eigentlich nur aus den USA und auch dort eigentlich nur dazu, in welchem Umfang College-Studenten auf Medikamente wie Ritalin zu nichtmedizinischen Zwecken zurückgreifen. Wie weit verbreitet das Ganze wirklich ansonsten ist, weiß man nicht.
Sie hatten auf die Nature-Umfrage angespielt und dort ist es so: Das ist ja keine repräsentative Umfrage gewesen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass erst mal nur solche Leute, die schon irgendwie Erfahrungen damit gemacht haben, tatsächlich dann auch sich an dieser Umfrage überhaupt beteiligt haben.
Klein: Aber die Wissenschaftler fragen ja, weshalb soll man diese Art des Dopens nicht freigeben? Wäre das nicht gerechter, wenn sowieso einige Leute versuchen, die Leistungen darüber zu steigern? Warum sagt die Gesellschaft dann nicht bitte schön, dann dürfen das auch alle tun?
Galert: Ja. Tatsächlich müsste man sagen, wenn sich das Ganze sowieso schleichend durchsetzt, dann wäre es auch vernünftig, zunächst einmal wirklich gezielte Forschungen in dieser Richtung zu machen und wirklich herauszufinden erstens, wirken diese Medikamente überhaupt vernünftig. Man hat darüber keine verlässlichen Erkenntnisse, was einfach damit zusammenhängt, dass die Pharmafirmen sich nicht wirklich herantrauen an dieses Thema. Denen ist das ganze einfach zu heikel, weil sie selbstverständlich spüren, dass in der Gesellschaft da eine eher feindselige Stimmung gegenüber dieser Möglichkeit, Psychopharmaka zu nichttherapeutischen Zwecken zu nehmen, vorhanden ist. Deshalb schrecken die davor zurück. Das heißt, die wenigen Studien, die es gibt, sind meistens eher von Universitäten, unabhängigen Forschungseinrichtungen, und die haben häufig einfach nicht das Kapital, um wirklich große Studien auch über einen langen Zeitraum durchzuführen. Eine wichtige Frage ist ja auch die der Langzeitnebenwirkungen, über die man tatsächlich herzlich wenig weiß.
Klein: Wenn wir uns die Vergabe von Ritalin an Kinder anschauen, die ja offenbar zunimmt – das beobachten Erzieher und beobachten auch Ärzte -, worin sehen Sie die größte Gefahr dabei?
Galert: Da muss man jetzt sehr aufmerksam differenzieren, weil da haben wir es ja nun mit einer therapeutischen Anwendung zu tun. Man kann sich natürlich darüber unterhalten, ob man ADHS überhaupt als ein wirkliches Krankheitsbild anerkennen möchte, aber das wäre ein anderes Thema. Wenn wir also wirklich jetzt über Brain-Doping oder Neuro-Enhancement sprechen, dann handelt es sich ja um die Anwendung, ohne dass irgendein therapeutischer Nutzen damit erzielt werden soll.
Klein: Aber ein Nutzen, der zumindest dann auch für Kinder und Jugendliche in einer gewissen Leistungssteigerung besteht, und die Frage ist ja, wo muss die Gesellschaft da eine Grenze setzen.
Galert: Ja. Ich würde es bei Kindern und Jugendlichen deshalb für so problematisch halten, tatsächlich dort auf Psychopharmaka zur Leistungssteigerung zu setzen, weil es eben wichtig ist, in der Entwicklung die Erfahrung zu machen, dass man bestimmte Dinge leisten und bewältigen kann, ohne dafür auf irgendwelche anderen Hilfsmittel zurückzugreifen. Ich denke, dass Kinder und Jugendliche sehr stark dazu tendieren werden, so eine Art psychischer Abhängigkeit in der Weise auszubilden, dass sie nach kurzer Zeit das Gefühl haben, meine Güte, ich kann überhaupt keine Prüfung mehr bewältigen, wenn ich nicht vorher Ritalin oder was auch immer genommen habe.
Klein: Die Einschätzungen von Thorsten Galert von der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen. Vielen Dank für den Besuch im Studio.