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Fußball-WM in Katar
Schwache Quoten, etwas mehr Klicks

Im Vergleich zu früheren Weltmeisterschaften sind die TV-Quoten in Deutschland bei der WM in Katar gesunken. In anderen Ländern wurde das globale Event gefeiert wie eh und je. Eine positive Entwicklung gibt es in Deutschland bei der Digitalisierung.

Von Piet Kreuzer |
Zwei enttäuschte Fans in Katar.
In Katar waren verhältnismäßig wenige deutsche Fans zu sehen - auch daheim sahen weniger zu, als bei vergangengen Turnieren (picture alliance / GES / Marvin Ibo Güngör)
In Deutschland war diese Fußball-WM in Katar eine besondere: Keine leer gefegten Straßen, wie zu anderen Events. Und ein Novum: Im Jahr 2022 führt nicht ein Fußballspiel der Männer, sondern eines der Frauen die Bestenliste der Sportübertragungen an. Das Finale der Europameisterschaft im Sommer sahen fast 18 Millionen Menschen – etwas mehr als das Flick-Team bei den Gruppenspielen gegen Spanien und Costa Rica erreichte. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky stellt das Positive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Vordergrund:

Klicks gleichen schwache Quoten nicht aus

ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky stellt das Positive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Vordergrund: "Zufrieden waren wir mit dem, was wir im digitalen Bereich gezeigt haben. Das heißt, dass wir festgestellt haben, dass das Nutzungsverhalten von Zuschauerinnen und Zuschauern sich doch verändert und ein Teil der Menschen stärker digital sich engagiert und auch im Digitalen unsere Angebote wahrnimmt."
Der Einschätzung von Balkausky kann ZDF-Teamchef Christoph Hamm nur zustimmen, er schränkt aber ein: "Das gleicht aber nicht das aus, was im Fernsehbereich verloren gegangen ist. Ja, wir haben eine deutliche Erhöhung an Visits und Klicks, aber nicht in der Millionenzahl, vor allen Dingen nicht über diesen gewissen Zeitraum, den wir Sendung machen. Wir machen ja Sendung über sieben, acht, neun Stunden, das wird da nicht erreicht und das ersetzt das nicht."
Die Quoten von Übertragungen im linearen Fernsehen sind stark rückläufig. Vor vier Jahren in Russland wurden die Gruppenspiele der deutschen Mannschaft von mindestens 25 Millionen Menschen gesehen, in Katar waren es in der Spitze über 17 Millionen.

Schwache Quoten ein "deutsches Phänomen"

Erst in den K.O-Runden sind die Quoten angestiegen. Beim Halbfinale zwischen Frankreich und Marokko wurde die Zehn-Millionen-Marke geknackt. Trotzdem: Das alles lag deutlich unter den Zahlen früherer Turniere. Christoph Hamm erläutert: "Insgesamt war es ja zu erwarten, dass die Zuschauer in Deutschland diese WM nicht goutieren werden. Dass es allerdings in so großem Maße geschieht, so signifikant sich auf die Zahlen auswirkt - das hätten wir nicht gedacht."
Das sei ein deutsches Phänomen, meint der Medienwissenschaftler Marcus Bölz. Er ist Leiter des Instituts für Sportkommunikation der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover und erklärt: "Denn wenn sie alle anderen Länder auf der Welt betrachten, dann ist es so, dass die WM-Quoten ganz ähnlich sind, wie bei den Weltmeisterschaften zuvor. In Deutschland ist es so, dass die Quoten sehr, sehr gering ausfallen. Das heißt, wir reden hier über ein deutsches Phänomen, wie die WM im Fernsehen rezipiert wurde."
Aber wo genau liegen die Gründe für den Quotenrückgang? Für ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky spielen mehre Faktoren eine Rolle: Das eine ist, dass wir schon vor der WM festgestellt haben, dass das Interesse auch durch die Leitungen oder schwächer gewordenen Leistungen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft deutlich zurückgegangen ist. Also auch bei Länderspielen in der Nations League oder auch Freundschaftsspielen hat es schon einen Einbruch gegeben. Ich glaube, die Menschen waren nicht so optimistisch, was das Leistungsvermögen der deutschen Nationalmannschaft anbelangt.

Umdenken bei politischer Berichterstattung

Dazu kommt die Diskussion um den Veranstaltungsort mit verschiedenen Menschenrechtsthemen. Für die öffentlich-rechtlichen Sender und ihre Berichterstattung ein Spagat, der zweite in diesem Jahr nach den Winterspielen in Peking. Neben der Live-Übertragung von Spielen zeigten ARD und ZDF auch einige Dokumentationen zu den Missständen in Katar.
Christoph Hamm sagt: "Der Begriff fällt ja immer wieder, diesen Spagat zu schaffen, um das Eine zu machen, ohne das Andere zu lassen, heißt eben, diese Hintergrundberichterstattung darzubieten wie auch eine professionelle sportliche Aufarbeitung dieses globalen Events."
Während bei vergangenen Events eher abgelehnt wurde, sport- und landespolitische Hintergrundberichterstattung auch während der Wettkämpfe zu zeigen, deuten die Aussagen von ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky auf ein Umdenken hin: "Aber für uns ist es keine Frage, ob wir in Zukunft darauf verzichten. Also dann nehmen wir auch in Kauf, dass weniger Zuschauerinnen und Zuschauer uns sehen."

Medienpsychologe: "Leute mit dem Kopf bei anderen Herausforderungen"

Außerdem hätten viele Hardcore-Fußballfans nach Meinung von Balkausky die WM boykottiert, weil Katar für sie ein Symbol ist, für das, was nach ihrer Auffassung im Fußball falsch läuft. Zuletzt spielt nach Auffassung von Medienwissenschaftler Marcus Bölz auch die Medienpsychologie eine Rolle. Eine Fußball-Weltmeisterschaft im Winter sei in Deutschland schwer vermittelbar: Es gehörten Sommer, Sonne, Grillen oder Party dazu, meint Bölz: Außerdem: "Die Leute haben ihren Kopf wirklich bei den anderen Herausforderungen, die wir gesellschaftlich gerade haben. Und da ist auch nach meinem Begriff deswegen nicht WM-Stimmung erzeugt worden, weil wir psychologisch in der jetzigen Situation echt anderes zu tun haben, als uns auf Fußball einzustellen."
Trotz alledem ist man bei Magenta TV zufrieden. Der Streamingdienst der Telekom hat alle Partien der WM hinter der Pay-Wall übertragen – 16 davon sogar exklusiv. Armin Bautzen, der TV-Chef der Telekom, untermauert das damit, dass bei den Live-Spielen regelmäßig siebenstellige Nutzungszahlen erreicht wurden. Die online abrufbaren Highlight-Videos und die digitale Berichterstattung erreichten laut Bautzen mehr als 135 Millionen Videoaufrufe über die Social-Media-Kanäle der Telekom.
Bei der EM in Deutschland 2024, so die Hoffnung der Sender, sollen die Quoten insgesamt wieder steigen - ob die deutsche Nationalmannschaft dann allerdings besser funktioniert, steht in den Sternen.