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Wo das weiße Gold quillt

Wo die Anfänge der Salzgewinnung in Europa liegen, untersuchen Wissenschaftler vom nationalen französischen Forschungsinstitut CNRS. Dabei konzentrieren sie sich nicht nur auf das Alter der Fundstätten, sondern auch auf die einzelnen Produktionstechniken.

Von Michael Stang |
    Weder Mensch noch Tier können ohne Salz überleben, sagt Oliver Weller. Der Archäologe vom nationalen französischen Forschungsinstitut CNRS untersucht die Ursprünge der Salzproduktion. Seiner Überzeugung nach muss nicht nur das Salz an sich in der menschlichen Geschichte schon lange bekannt gewesen sein, sondern auch das Wissen, wo und wie man diesen Rohstoff erhält.

    "Die älteste Salzproduktionsstätte, die wir mittlerweile kennen, befindet sich in Rumänien. Sie stammt aus der frühen Jungsteinzeit, aus der Zeit der ersten Bauern in Europa, also aus dem Zeitraum etwa 5700 Jahre vor Christus."

    Dort, im Osten des heutigen Rumäniens, haben zu Beginn der Jungsteinzeit, als sesshafte Bauern allmählich nomadisierende Jäger und Sammler ablösten, die Menschen erstmals Salz professionell hergestellt. Das Salz stammte aus einer unterirdischen Mineralquelle. Der braune Mineralschlamm wurde mithilfe von Brunnen gefördert. Um das Salz zu gewinnen, waren mehrere Arbeitsschritte vonnöten.

    "Die Salzbauern haben Keramikgefäße benutzt, in die sie das braune Mineralwasser geschüttet haben. Diese Behälter haben sie dann ins Feuer gestellt. Danach mussten sie die Salzklumpen nur noch von der Asche und der Holzkohle befreien."

    In den folgenden Generationen erblühte eine regelrechte Salzproduktionskultur. Rund 200 Salzquellen sind in dem Gebiet Rumänien und Moldawien mittlerweile bekannt, aus denen einst das "weiße Gold" sprudelte.

    "Etwa 1000 bis 2000 Jahre später häufen sich die archäologischen Beweise, dass die Salzproduktion dort professionalisiert wurde. Die Salzproduzenten nutzen dann vermehrt weiterentwickelte Lehm- und Tongefäße, um das Salz schneller und effektiver im Brennvorgang zu gewinnen."

    Aber nicht nur die Produktionsmethoden wurden verfeinert, ebenso breiteten sich die Produktionsstätten aus. Denn Salz wurde nicht mehr nur aus Mineralquellen gewonnen, sondern auch aus Gestein und in Küstennahen Gebieten aus Meerwasser. Die Abbaumethoden variieren erheblich, so Olivier Weller. Bei manchen Ausgrabungsstätten sei anfangs gar nicht klar gewesen, dass es sich um eine Salzproduktionsstätte handelte: denn der Rohstoff hatte sich im Laufe der Zeit aufgelöst und die Archäologen fanden nur leere Lagerräume vor. Erst im Labor mit bildgebenden und chemischen Verfahren wurde klar, dass es dort Massen an Salzkristallen gab: in den Werkstätten, den Lagerräumen, eigentlich überall. Also muss dort Salz abgebaut und produziert worden sein.

    "Wir beschäftigen uns mittlerweile auch mehr mit der Frage der Bedeutung des Salzes für die prähistorische Gesellschaft als mit der Aufklärung einzelner Produktionstechniken. Auf der einen Seite steht der Konsum des Salzes von Mensch und Tier, aber auch die Lagerung und vor allem der Tausch und Handel von Salz über große Strecken hinweg wollen wir erforschen."

    Möglicherweise wurde Salz auch schon in der Jungsteinzeit als Zahlungsmittel und nicht nur als Ware eingesetzt. Spätere schriftliche Hinterlassenschaften zeigen, dass Salz zunehmend auch eine religiöse und wichtige kulturelle Bedeutung zukam. Und wie lebenswichtig Salz auch heute noch sei, so der französische Forscher, zeige auch der Brauch in vielen Ländern Europas: Brot und Salz werde als symbolhaftes Geschenk beim Einzug in ein neues Heim oder bei einer Hochzeit überreicht.