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"Wo fangen wir an, wo hören wir auf?"

Vor der Entscheidung im Kabinett lobt der CDU-Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitiker Jochen Konrad Fromme die Abwrackprämie als "zusätzlichen Impuls" - spricht sich aber gegen eine Ausweitung auf Konsumgüter aus. Subventionsprogramme für Konsumgüter seien der falsche Weg.

Von Bettina Klein | 08.04.2009
    O-Ton Gerd Lottsiepen: Wir sind dafür, diesen Unfug sofort zu stoppen. Es ist auch ökonomisch höchst gefährlich, denn je länger es diese Abwrackprämie gibt, je häufiger sie verlängert wird, desto tiefer wird nachher das Loch, in das die Autoindustrie plumpst.

    Bettina Klein: Gerd Lottsiepen vom Verkehrsklub Deutschland am Montag hier bei uns im Deutschlandfunk - eine Stimme zur sogenannten Abwrackprämie. Dieser, wie er es nennt, Unfug wird nun nicht gestoppt, sondern verlängert in bisheriger Höhe bis zum Ende des Jahre. Darauf haben sich Spitzenpolitiker der Koalition am Abend im Kanzleramt verständigt.
    Insgesamt nun fünf Milliarden statt bisher vorgesehener 1,5 Milliarden. Woher soll das Geld kommen? - Darüber will ich jetzt sprechen mit dem Haushaltspolitiker und CDU-Bundestagsabgeordneten Jochen Konrad Fromme. Ich grüße Sie!

    Jochen Konrad Fromme: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Herr Fromme, die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende zum Beispiel hatte den Betrag ja zunächst absenken wollen. Warum konnte sie sich dann nicht durchsetzen, oder wollte sie gar nicht mehr?

    Fromme: Nach dem, wie es gelaufen ist, darf man kein Vertrauen enttäuschen von Menschen, und wenn man jetzt den Betrag drastisch abgeschöpft hätte, dann hätte man nicht diejenigen, die sich jetzt auf die Prämie eingestellt haben, befriedigen können.

    Klein: Aber da hat die Kanzlerin dann auch umgedacht und dazugelernt, denn sie war ja zunächst anderer Meinung.

    Fromme: Wir stehen immer vor dem Spagat Haushaltskonsolidierung einerseits und andererseits genug für die Konjunktur zu tun. Unter dem Gesichtspunkt Konsolidierung will man möglichst wenig tun. Auf der anderen Seite muss man natürlich wirksame Impulse setzen.

    Klein: Einige Medien haben ziemlich zugelangt und haben ihr Wortbruch vorgeworfen. War das eigentlich der Hauptgrund dafür, dass sie sich nun für die Beibehaltung ausgesprochen hat?

    Fromme: In einer Koalition muss man immer Kompromisse machen und im Laufe eines Verfahrens gewinnt man neue Erkenntnisse. Hier von Wortbruch zu sprechen, halte ich für völlig verfehlt, denn wir waren in einem Diskussionsprozess.

    Klein: Auf der anderen Seite haben Sie auch gesagt, das Vertrauen der Menschen sollte nicht enttäuscht werden. Die Meinungen und Bewertungen dazu gehen ja sehr weit auseinander. Wir haben jetzt gerade eine Stimme mal eingespielt, von jemandem, der das wirklich als ökonomischen Unfug bezeichnet, weil dann dafür der Einbruch in den Absätzen im nächsten Jahr in der Autobranche eben kommen würde. Was halten Sie dem entgegen, oder stimmen Sie da sogar zu?

    Fromme: Erstens ist natürlich die Frage der Folgen eine Prognose, aber ich muss sagen, ich habe mich mit sehr vielen Autohändlern unterhalten und die sagen mir, es ist nicht der normale Autokäufer, der alle paar Jahre seinen Wagen wechselt, der jetzt kommt, sondern es sind Käufer, die man seit Jahrzehnten im Laden nicht gesehen hat, die mit Bargeld kommen. Also spricht sehr viel dafür, dass hier tatsächlich ein zusätzlicher Impuls ausgelöst ist.

    Klein: Aber es sind Prognosen, und die sind ja bekanntlich besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Das heißt, im Grunde genommen kann niemand wirklich vorhersagen, wie das ausgehen wird, wie der Effekt für die Autobranche eigentlich aussehen wird im nächsten Jahr?

    Fromme: Was könnten wir Gutes entscheiden, wenn wir wüssten, wie es ausginge. So ist das Leben nun mal nicht, sondern man muss in einer konkreten Situation handeln und die Indizien, die man hat, die einem sozusagen auf dem Handlungswege helfen, sprechen dafür, dass es zusätzlich ist, dass dieses befürchtete Loch nicht eintritt. Die Gefahr ist gegeben, das ist gar keine Frage.

    Klein: Und was dann?

    Fromme: Dann müssen wir uns überlegen, ob wir andere Maßnahmen ergreifen können, beziehungsweise dann kann man eben mit staatlichen Impulsen der Automobilindustrie nicht weiterhelfen. Ich glaube aber, dass sie jetzt in dieser Phase genug Luft pumpen kann, genug Kraft schöpfen kann, dass sie dann auch eine gewisse Flaute überstehen kann.

    Klein: Staatliche Impulse nicht mehr, aber welche anderen Impulse dann gesetzt werden könnten, darüber haben Sie noch keine Vorstellung?

    Fromme: Wir gehen ja davon aus, dass auch eine Rezession irgendwann beendet ist, und wenn wir es schaffen, mit Hilfe der Abwrackprämie für die Automobilindustrie dieses Loch, was ein Abflauten betrifft, mildern kann, dann hat das auf jeden Fall einen positiven Effekt.

    Klein: Ich frage deswegen nach, weil ja klar ist: eine weitere Aufstockung wird es nicht geben. Aber nun ist zumindest mal der Topf auf fünf Milliarden Euro aufgestockt. Anfangs waren es 1,5 Milliarden. Das ist eine ziemlich große Summe, Herr Fromme. Wo soll die herkommen?

    Fromme: Wir finanzieren das ganze ja über ein Sondervermögen, wo auch von Vornherein festgelegt ist, wie es getilgt werden soll, und insofern stellt das zurzeit noch kein Problem dar.

    Klein: Wie wird das denn getilgt?

    Fromme: Es wird getilgt aus den Bundesbankgewinnen, die künftig dann nicht mehr dem allgemeinen Haushalt zur Verfügung stehen, also die dem allgemeinen Konsumkreislauf entzogen werden.

    Klein: Finanzminister Peer Steinbrück war auch dafür, diese Summe der Abwrackprämie abzuschmelzen, sprich wenn sie verlängert wird, weniger dafür auszugeben. Er hat jetzt wohl klar gemacht über das "Handelsblatt", auf einen Nachtragshaushalt wird er sich auf gar keinen Fall einlassen. Wird die Bundesregierung darum tatsächlich herumkommen?

    Fromme: Für diese Maßnahme braucht es keinen Nachtrag. Ob es aus anderen Gründen einen Nachtrag geben muss, das kann im Augenblick niemand sagen. Das ist auch nicht eine Frage einer politischen Entscheidung, sondern das ist häufig auch gesetzlich intendiert, wenn zum Beispiel Einnahmen wegbrechen oder wenn andere, nicht vorhersehbare Entwicklungen eintreten.

    Klein: Also ausschließen wollen Sie es nicht?

    Fromme: Das kann niemand. Wir sind im vierten Monat des Haushaltsjahrs und wenn ich das ausschließen könnte, dann wäre ich Prophet.

    Klein: Die Neuverschuldung wird vermutlich über 40 Milliarden jetzt steigen. Und das lohnt sich?

    Fromme: Wir haben eine krisenhafte Entwicklung, und in einer krisenhaften Entwicklung muss man auch zu Sondermaßnahmen greifen. Das haben wir ja auch in dem gesamten Paket der Schuldenbremse so vorgesehen. Entscheidend ist, dass die zusätzliche Verschuldung auch tatsächlich gleichzeitig auf den Tilgungsweg gebracht wird, und das haben wir eingehalten.

    Klein: Herr Fromme, jetzt ist die Rede davon, wenn dieses Modell der Abwrackprämie für Kraftfahrzeuge dann wirklich Erfolg zeitigen würde, also sich nicht nur Beliebtheit bei den Bürgern erfreut, sondern tatsächlich auch der Branche und dem Wirtschaftszweig etwas bringt, dass man dieses Modell möglicherweise auf andere Zweige auch ausweiten könnte. Die Rede ist davon, die Förderung von "weißer Ware" vielleicht ins Auge zu fassen, das heißt etwa Kühlschränke, die als besonders ökologisch gelten, oder auch Waschmaschinen, ein Vorschlag der SPD. Was sagen Sie dazu?

    Fromme: Ich bin gegen grundsätzliche Subventionsprogramme für Konsumgüter. Die Automobilindustrie ist eine Schlüsselindustrie. Wenn wir hier einen besonderen Impuls gesetzt haben, dann lässt sich das nicht ohne weiteres auf andere Branchen übertragen.

    Klein: Weshalb denn nicht?

    Fromme: Weil es dann zu einer allgemeinen Konsumsubvention käme, und das dürfen wir nicht machen. Wo fangen wir an, wo hören wir auf? Dann kriegt man wahnsinnige Gerechtigkeitsprobleme, man kriegt Haushaltsprobleme. Wichtiger ist es, etwas zu tun, dass die Konjunktur insgesamt sich verbessert, damit dann auch die notwendige Konsumkraft gegeben ist.

    Klein: Also bei den erwähnten ökologischen Haushaltsgeräten zum Beispiel könnte ja sozusagen ein Impuls in eine möglicherweise politisch gewollte Richtung gesetzt werden. Das geht noch mal über das Konsumverhalten und das Ankurbeln einer Branche hinaus.

    Fromme: Wir sind immer auf der Grenze zwischen Konsumförderung und Impuls setzen, und ich bin da eher für einen restriktiven Kurs und bin der Meinung, mit der Autoprämie muss es dann sein Bewenden haben.

    Klein: Die Meinung von Jochen Konrad Fromme, CDU-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Haushaltsausschuss. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Fromme.

    Fromme: Bitte schön!