
Der Wolf ist zurück – und das schon länger. Für die einen - vor allem Umweltschützer und Naturfreunde - ist das ein Erfolg des Artenschutzes. Für andere – vor allem Landwirte - ein Alarmsignal. Und auch die Politik hat das Thema erkannt. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Wolf „umgehend“ ins Jagdrecht aufzunehmen.
Wie viele Wölfe gibt es in Deutschland und Europa und wo leben sie?
Lange Zeit war der Wolf ganz verschwunden. So verlieren sich in Deutschland nach Angaben des Naturschutzbundes (NABU) die letzten Hinweise auf ein Wolfsrudel im Jahr 1850. Die Tiere wurden dann im Jahr 1990 bundesweit unter gesetzlichen Schutz gestellt. Seitdem wächst die Population kontinuierlich an.
Im Wolfsjahr 2023/24 wurden in Deutschland laut der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) 209 Rudel, 46 Paare und 19 Einzelwölfe nachgewiesen. Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es 184 Rudel, 47 Paare und 22 territoriale Einzeltiere.* Ein Wolfsjahr reicht von der Geburt der Welpen Ende April bis zum Ende ihres ersten Lebensjahrs Anfang Mai.

Die meisten Wölfe leben im Osten Deutschlands und in Niedersachsen. Wie viele Wölfe es insgesamt sind, da gehen die Angaben weit auseinander. Je nachdem, ob man nur erwachsene Wölfe zählt oder auch Jungwölfe. Laut dem Bundesamt für Naturschutz wurden im Monitoring-Jahr 2023/24 in Deutschland 1601 Wölfe in bestätigten Territorien gezählt. Der Deutsche Bauernverband (DBV) schätzt die Zahl der Wölfe sogar deutlich höher – auf bis zu 3300 Tiere.
Experten schätzen, dass sich die Zahl der Wölfe in den europäischen Mitgliedsländern in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hat. Insgesamt sollen in der EU bis zu 20.300 Wölfe leben - in Bulgarien, Griechenland, Italien, Polen, Rumänien und Spanien jeweils mehr als 1000.
Wie gefährlich sind Wölfe?
Weltweit gab es in den vergangenen 20 Jahren knapp 500 Wolfsangriffe auf Menschen, davon 26 tödliche, der größte Teil allerdings in Zusammenhang mit Tollwut. In Deutschland kam es zu keinen Angriffen auf Menschen. Laut Bundesumweltministerium gab es in der Vergangenheit nur wenige Fälle, in denen gesunde Wölfe einen Menschen angegriffen oder gar getötet haben. Wolfsangriffe auf Menschen lassen sich demnach vor allem auf drei Ursachen zurückführen: Tollwut, Provokation und "Futterkonditionierung".
Der Wolf jagt in der Regel das, was er am leichtesten bekommt: Rehe und Frischlinge, aber eben auch Schafe, Ziegen und Kälber. Ganz selten werden auch Pferde angegriffen. Ein Wolfsrudel besteht in der Regel aus fünf bis zwölf Tieren, die strategisch und arbeitsteilig jagen. Wenn Schafe auf der Weide nicht wegrennen, kann ein Rudel Wölfe bis zu 40 von ihnen reißen.
Laut der DBBW sind die Zahlen der Übergriffe und der getöteten Nutztiere in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Im Jahr 2024 wurden 4300 Tiere von Wölfen gerissen – vor allem Schafe.** Landwirte erhalten für getötete Tiere eine Entschädigung. Auch Schutzmaßnahmen wie Zäune oder Herdenschutzhunde sowie deren Pflege werden von den Bundesländern gefördert.
Welchen Schutz genießen Wölfe und wann darf man sie schießen?
Der Abschuss eines Wolfes ist laut Umweltministerium nur in Ausnahmefällen möglich – etwa wenn der Wolf sich auffällig gegenüber Menschen verhält. Das gilt auch für Wölfe, die sich mehrmals auffällig gegenüber Herdenschutzmaßnahmen gezeigt haben - also entsprechende Zäune und andere Hindernisse überwunden haben.
Bis zum März 2025 hatten Wölfe den höchstens Status als „streng geschützte Tierart“. In Europa sind Wölfe seit 1979 geschützt. Da wurde der Wolf in die Berner Konvention aufgenommen - eine Naturschutzvereinbarung aller europäischen Länder.
Zukünftig könnten Abschüsse erleichtert werden, denn der Schutzstatus wurde auf „geschützte Tierart“ gesenkt. Gerade prüft die Bundesregierung, wie der niedrigere Schutzstatus in nationales Recht übersetzt werden kann. Es brauche dazu Änderungen am Bundesnaturschutzgesetz und gegebenenfalls auch am Bundesjagdgesetz. Bis zur Umsetzung gelten die bisherigen Regeln weiter.
Wie argumentieren Abschuss-Gegner?
Die Naturschutzverbände Nabu und BUND in Brandenburg sowie der Deutsche Tierschutzbund wenden sich gegen Abschussquoten für Wölfe. Sie sehen die Priorität beim Herdenschutz. „Es ist doch noch gar nicht lange her, dass wir den bei uns einst ausgerotteten Wolf wieder willkommen heißen konnten“, sagte der Nabu-Vorsitzende Björn Ellner. „Wir müssen lernen, miteinander zu leben, anstatt bei auftretenden Problemen gleich wieder zum Jagdgewehr zu greifen.“
Eine Entnahme von Wölfen führe nicht zu weniger Weidetier-Rissen, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat. Ein Lichtblick im Passus des Koalitionsvertrages sei dagegen die geplante Unterstützung für den Herdenschutz.
Moritz Klose vom WWF verweist darauf, dass es Spielräume gebe, die aber kaum ausgenutzt würden. Wenn man nachweisen könne, dass mildere Mittel nicht helfen, könne man nach EU-Recht auch Wölfe töten. Insgesamt gehe es darum, wie man Schafe und Ziegen schütze. Eine Quotenregelung, nach der eine bestimmte Anzahl von Wölfen jedes Jahr "wahllos" getötet oder gefangen werde, helfe auch nicht weiter, so Klose. Dadurch seien die Tiere nicht besser geschützt.
Ilse Storch, die an der Universität Freiburg eine Professur für Wildtierökologie innehat, verweist auf die Bedeutung des Wolfes für das Ökosystem: „Die Rückkehr des Wolfes ist ein wichtiger Schritt zum Erreichen natürlicher, voll funktionsfähiger Ökosysteme mit einem vollständigen Arteninventar, ihren vielfältigen Wechselwirkungen und natürlichen Prozessen."
Wie argumentieren Abschuss-Befürworter?
Der Landesjagdverband in Brandenburg nannte die Pläne zum Umgang mit dem Wolf einen weiteren wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Es brauche endlich praktikable Lösungen, um den Wolfsbestand zu reduzieren, sagte Verbandsgeschäftsführer Kai Hamann.
Der Deutsche Bauernverband sagt, der Wolf sei keine akut gefährdete Art mehr. Hinzu komme, dass das Ausmaß der Wolfsrisse bei Schafen „unerträglich“ geworden sei, schreibt der Verband auf seiner Homepage.
Der DBV spricht sich für eine „Entnahmequote“ aus. Ohne eine Regulierung des Wolfsbestands könne weder die Zukunft der Weidetierhaltung gesichert, noch die Akzeptanz für den Wolf erhalten werden. Der sogenannte Herdenschutz von Wildtieren – etwa durch Elektrozäune und speziell ausgebildete Hunde – reiche nicht aus.

Der Wildbiologe Norman Stier von der TU Dresden betont, dass immer zuerst ein günstiger Erhaltungszustand festgestellt werden müsse – also eine ausreichende Individuenzahl, die den Fortbestand sichert und ein Aussterben ausschließt.
„Wenn wir also einen Populationszuwachs von 20 bis 25 Prozent haben, dann ist klar, dass die Abschussquote auf keinen Fall darüber liegen kann, weil wir dann ja eine Rückwärtsentwicklung hätten und aus diesem Erhaltungszustand wieder herauskommen.“ (***)
Eine Bejagung sollte ihm zufolge nicht gleichmäßig erfolgen, sondern schwerpunktmäßig dort, wo es vermehrt zu Nutztierübergriffen kommt. Sollte man Tiere aus unproblematischen Rudeln töten, könne die Lage nur schlechter werden.
Afp, dpa, nm, pto, leg
*Wir haben die Zahl der Wölfe im Monitoring-Jahr 2022/2023 korrigiert.
** Wir haben eine falsche Zahl über getötete Nutztiere entfernt.
*** Wir haben einen falschen Zahlenbezug korrigiert.