Lassen wir am besten einfach all den karrierefördernden Schnickschnack weg, übergehen wir auch all die naheliegenden inhaltlichen Einwände gegen Hegemanns biographischen Zettelkasten: etwa, dass darin nichts als ungeordnete Notizen steckten, und vor allem ganz viel Spekulation über den autobiographischen Hintergrund dieser Textsplitter über ein zutiefst entwurzelt wirkendes Mädchen.
"Und bitte! Das ist mein Leben – Stahl, Dreck, Hitze, Achsel, Schweiß, Geruch; dies ist eine Parallelwelt! --- Uuuuh."
Wie gesagt – all das bleibt besser außen vor mit Blick auf das, was im Theater, speziell im Theater, daraus werden kann; und was im Thalia-Theater in der offiziellen Uraufführungsarbeit des jungen Regisseurs Bastian Kraft daraus geworden ist. Das Übermaß an Mühe, das Kraft sich mit der Umsetzung gegeben hat, lässt allerdings darauf schließen, dass auch er schnell weg wollte von jedweder biographischen Spekulation über irgendwelche Authentizitäten – und dafür hin zu forcierter Künstlichkeit in der Behauptung auf der Bühne; einer Künstlichkeit obendrein, die sich selbst als solche aber unentwegt ausstellt. Alles nur Kulissenschieberei, alles nur Kostüme, Tricks und Requisite – das sagt dieser 90 Minuten schnelle Theaterabend mit großer Lust am Detail; und extrem schweißtreibend ist er auch für immerhin vier Requisiteure und Bühnen-Arbeiter.
Immerhin haben Kraft und der Bühnenbildner Peter Baur ein leibhaftiges Laufband in die Bühne integriert; wann hat es das seit Erwin Piscators Tagen jemals wieder gegeben? Personal und Material rollt auf diesem Laufband von links nach rechts durch’s Bild, eine nach dem anderen aus dem Ensemble steigt auch mal aus, stoppt die Geisterbahn und sagt den magischen Satz des Textes: "Das ist mein Leben!" Mit monströsen Riesen-Requisiten agieren alle, als seien sie lebenslang winzig klein und die Dinge immer viel zu groß – so wird eines der weiteren wichtigen Hegemann-Motive ins Bild gesetzt: dass nämlich "Mifty", das Erzähler-Ich, ums Verrecken nicht erwachsen werden will; statt dessen das Kind, für das die geliebt-gehasste Mama immer lebendig bleibt.
"Du hast die Sprache zerstört! Und darum ist alles, was Du sagst, immer nur gelogen. Es ist mir egal, ob Du Deinen Schulabschluss verkackst, keine Arbeit findest und später als Prostituierte arbeiten musst – aber dass Du mich immerzu belügst, das ist das Letzte!"
Dagmar Balds Kostüme forcieren noch den Tingeltangel- und Jahrmarkts-Charakter der Inszenierung – wie für die Schaubude auf dem Rummelplatz. Der Soundtrack tut das seine dazu: von Bigband-Swing bis zur "Raumpatrouille Orion".
Als Übertrick aber ist vor Bühne ein kleines Drehpodest platziert, in dessen Rand eine kleine, sich stetig drehende Galerie montiert ist, auf der weitere Requisiten kreisen, Quietsche-Enten in der Badewanne und ähnlich köstliches Zeug; per Live-Kamera werden die Details dieses Mini-Panoptikums als Bühnenhintergründe projiziert. Und wenn später am Abend eine große Wasserschale wie eine Foto-Linse vor der Kamera steht, ändert prompt die Drehung die Richtung – so immens viel Aufwand lässt vermuten, dass das Produktionsteam der Kraft des Textes nicht ganz vertraut hat.
"Was hast Du eigentlich davon, wenn wir hier ein Hausmädchen haben, Mifty? - Nein, ich bin Mifty! - Stimmt doch gar nicht. Ich bin Mifty."
Ohnehin ist der stark verknappt und auf zentrale Motive verdichtet; auch auf die Mitglieder dieser immer eiligen Familie. Zwar ist jeder und jede (Birte Schnöink und Lisa Hagmeister, Catherine Seifert und Victoria Trautmannsdorf sowie Sebastian Zimmler) immer wieder mal wieder "Mifty", aber klar sind auch Bruder und Schwester, Mutter und Vater sowie Miftys viel reifere Geliebte markiert, eine Mittvierzigerin, die (angeblich) Mutters statt annimmt und zugleich eine Art Liebhaberin ist. Aber (drittes Hegemann-Motiv!) fast alles ist ja erstunken und erlogen – Krafts Inszenierung setzt dagegen Inseln der Ruhe, wo die Figuren plötzlich und ernstlich Profil gewinnen. Kraft schafft Ordnung, schafft Profil.
Ob der Autorin all das so gefallen haben mag? Keine Ahnung. Aber Ende dieser Woche kommt ja die von ihr selber mit produzierte Fassung von Berlin nach Hamburg – "Das Helmi", eine hippe Puppen-Truppe aus dem "Ballhaus Ost", hat sie gemeinsam mit Hegemann erarbeitet; und da die Uraufführungsrechte dummer- oder glücklicherweise schon nach Hamburg vergeben waren, bekam "Axolotl Roadkill" einen Parallelwelt- oder Allerweltstitel: "Axel hol den Rotkohl". Tja. Wie viel Weltuntergangspoesie Helene Hegemann auch immer generieren mag, Humor hat sie auch. Wie schön.
"Und bitte! Das ist mein Leben – Stahl, Dreck, Hitze, Achsel, Schweiß, Geruch; dies ist eine Parallelwelt! --- Uuuuh."
Wie gesagt – all das bleibt besser außen vor mit Blick auf das, was im Theater, speziell im Theater, daraus werden kann; und was im Thalia-Theater in der offiziellen Uraufführungsarbeit des jungen Regisseurs Bastian Kraft daraus geworden ist. Das Übermaß an Mühe, das Kraft sich mit der Umsetzung gegeben hat, lässt allerdings darauf schließen, dass auch er schnell weg wollte von jedweder biographischen Spekulation über irgendwelche Authentizitäten – und dafür hin zu forcierter Künstlichkeit in der Behauptung auf der Bühne; einer Künstlichkeit obendrein, die sich selbst als solche aber unentwegt ausstellt. Alles nur Kulissenschieberei, alles nur Kostüme, Tricks und Requisite – das sagt dieser 90 Minuten schnelle Theaterabend mit großer Lust am Detail; und extrem schweißtreibend ist er auch für immerhin vier Requisiteure und Bühnen-Arbeiter.
Immerhin haben Kraft und der Bühnenbildner Peter Baur ein leibhaftiges Laufband in die Bühne integriert; wann hat es das seit Erwin Piscators Tagen jemals wieder gegeben? Personal und Material rollt auf diesem Laufband von links nach rechts durch’s Bild, eine nach dem anderen aus dem Ensemble steigt auch mal aus, stoppt die Geisterbahn und sagt den magischen Satz des Textes: "Das ist mein Leben!" Mit monströsen Riesen-Requisiten agieren alle, als seien sie lebenslang winzig klein und die Dinge immer viel zu groß – so wird eines der weiteren wichtigen Hegemann-Motive ins Bild gesetzt: dass nämlich "Mifty", das Erzähler-Ich, ums Verrecken nicht erwachsen werden will; statt dessen das Kind, für das die geliebt-gehasste Mama immer lebendig bleibt.
"Du hast die Sprache zerstört! Und darum ist alles, was Du sagst, immer nur gelogen. Es ist mir egal, ob Du Deinen Schulabschluss verkackst, keine Arbeit findest und später als Prostituierte arbeiten musst – aber dass Du mich immerzu belügst, das ist das Letzte!"
Dagmar Balds Kostüme forcieren noch den Tingeltangel- und Jahrmarkts-Charakter der Inszenierung – wie für die Schaubude auf dem Rummelplatz. Der Soundtrack tut das seine dazu: von Bigband-Swing bis zur "Raumpatrouille Orion".
Als Übertrick aber ist vor Bühne ein kleines Drehpodest platziert, in dessen Rand eine kleine, sich stetig drehende Galerie montiert ist, auf der weitere Requisiten kreisen, Quietsche-Enten in der Badewanne und ähnlich köstliches Zeug; per Live-Kamera werden die Details dieses Mini-Panoptikums als Bühnenhintergründe projiziert. Und wenn später am Abend eine große Wasserschale wie eine Foto-Linse vor der Kamera steht, ändert prompt die Drehung die Richtung – so immens viel Aufwand lässt vermuten, dass das Produktionsteam der Kraft des Textes nicht ganz vertraut hat.
"Was hast Du eigentlich davon, wenn wir hier ein Hausmädchen haben, Mifty? - Nein, ich bin Mifty! - Stimmt doch gar nicht. Ich bin Mifty."
Ohnehin ist der stark verknappt und auf zentrale Motive verdichtet; auch auf die Mitglieder dieser immer eiligen Familie. Zwar ist jeder und jede (Birte Schnöink und Lisa Hagmeister, Catherine Seifert und Victoria Trautmannsdorf sowie Sebastian Zimmler) immer wieder mal wieder "Mifty", aber klar sind auch Bruder und Schwester, Mutter und Vater sowie Miftys viel reifere Geliebte markiert, eine Mittvierzigerin, die (angeblich) Mutters statt annimmt und zugleich eine Art Liebhaberin ist. Aber (drittes Hegemann-Motiv!) fast alles ist ja erstunken und erlogen – Krafts Inszenierung setzt dagegen Inseln der Ruhe, wo die Figuren plötzlich und ernstlich Profil gewinnen. Kraft schafft Ordnung, schafft Profil.
Ob der Autorin all das so gefallen haben mag? Keine Ahnung. Aber Ende dieser Woche kommt ja die von ihr selber mit produzierte Fassung von Berlin nach Hamburg – "Das Helmi", eine hippe Puppen-Truppe aus dem "Ballhaus Ost", hat sie gemeinsam mit Hegemann erarbeitet; und da die Uraufführungsrechte dummer- oder glücklicherweise schon nach Hamburg vergeben waren, bekam "Axolotl Roadkill" einen Parallelwelt- oder Allerweltstitel: "Axel hol den Rotkohl". Tja. Wie viel Weltuntergangspoesie Helene Hegemann auch immer generieren mag, Humor hat sie auch. Wie schön.