Jürgen Zurheide: Innenminister Wolfgang Schäuble hat gestern die politische Öffentlichkeit aufgeschreckt und vor allen Dingen viele in den Ländern, denn er möchte die Abstimmungsregeln im Bundesrat ändern. Die Ja-Stimmen sollen mehr Gewicht bekommen, das ist die Kurzfassung seines Vorschlages, vor allen Dingen die Enthaltungen, die ja wie ein Nein wirken, denen möchte er weniger Gewicht geben. Wir wollen über dieses Thema reden mit dem nordrhein-westfälischen Innenminister Ingo Wolf, dem Liberalen, der jetzt am Telefon ist. Guten Morgen, Herr Wolf!
Ingo Wolf: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Herr Wolf, zunächst einmal – Sie haben schon klar Nein gesagt. Warum?
Wolf: Unmittelbar noch auf der Pressekonferenz habe ich ihm das entgegnet. Das kann aus unserer Sicht nicht sein, dass es darum geht, sich leichter Mehrheiten zu beschaffen und dabei letztendlich die Enthaltungen auszuhebeln. Das ist guter Brauch, auch im föderalen System, dass man die Mehrheit sich beschaffen muss, und das soll auch so bleiben.
Zurheide: Jetzt könnte man sagen, weil er das im Moment mit dem BKA-Gesetz verknüpft hat, macht er sich die Argumentation natürlich besonders schwer. Ist das für Sie der entscheidende Grund, dass es jetzt vor dem Hintergrund des BKA-Gesetzes passiert, oder sagen Sie, nein, grundsätzlich müssen wir eben im Föderalismus weiter zulassen, dass Länder sich enthalten?
Wolf: Der Anlass mag falsch gewählt sein oder auch nicht. Natürlich ist ein Stück Ärger dahinter, dass jetzt sozialdemokratische Landesregierungen letztendlich auch nicht mitgemacht haben. Die FDP-mitregierten Länder haben ja von vornherein gesagt, dass wir gegen das BKA-Gesetz sind, und das nicht mittragen werden. Aber für mich ist das eine Grundsatzfrage. Wir haben eine ganz klare Situation, es braucht die Mehrheit in Ländern, genauso wie Herr Schäuble sich zunächst einmal natürlich auch im Bund Mehrheiten suchen muss. Und wenn beispielsweise die SPD ein Vorhaben der CDU nicht mitträgt, dann kommt es nicht. Und in gleicher Weise ist es bei zustimmungspflichtigen Gesetzen: Wenn der Bundesrat etwas nicht mitträgt, dann kommt es eben nicht. So einfach ist die Situation. Und man muss ja eins hinzufügen: Diese Enthaltungen sind ja im Grunde genommen eine charmante Form des Neins. Die Koalitionsregierungen haben sich verständigt, in solchen Fällen in den Ländern mit Enthaltung zu stimmen. Man würde natürlich in Zukunft auch darüber nachdenken müssen, dass in solchen Fällen die Koalitionsverträge dann sagen: keine Zustimmung gleich nein, also ist auch wenig gewonnen. Aber vom Grundsatz her meine ich kann es nicht richtig sein, die Länder sind gleichberechtigte Partner und keine Abnick-Kammer, wo im Grunde genommen Bundesgesetze nur noch vollzogen werden, dann jedenfalls, wenn Zustimmungspflicht gegeben ist.
Zurheide: Nun, in der Tat haben wir Koalitionen und auch Sie in Nordrhein-Westfalen haben ja entsprechende Regeln in Ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Man könnte natürlich andersherum sagen: Wenn man das, was Herr Schäuble vorschlägt, bis zu Ende denkt, könnte es theoretisch so sein, dass sich fast alle Länder oder alle Länder enthalten bis auf ein einziges Land, das dann mit Ja stimmt. Im Umkehrschluss würde es bedeuten, dass man mit einem einzigen Land eine Mehrheit bestimmen könnte. Das kann ja auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, oder?
Wolf: Die Enthaltung wirkt wie ein Nein. Ich hatte das ja gerade skizziert als eine charmante Form des Neins. Insofern ist das nicht richtig. Wenn keine Zustimmung vorliegt, und das ist bei einer Enthaltung so, dann gibt es eben dafür keine Mehrheit. So simpel ist das. Die FDP wird dafür nicht stimmen, es wird also auch eine Grundgesetzänderung nach jetziger Einschätzung auch gar nicht geben können. Ich halte es nur auch im Prinzip für falsch. Wichtig ist, dass derjenige, der ein Gesetz durchbekommen will, dafür eine klare Mehrheit haben muss, und zwar eben letztendlich in diesem Verhältnis auch der gesetzlichen Mitglieder. Und da gibt es ein Stimmenverhältnis: 69 im Bundesrat - also muss man 35 haben. Und diese Stimmen muss man bekommen, wenn man die nicht hat, ist das Gesetz gescheitert.
Zurheide: Lassen Sie uns noch mal über das BKA-Gesetz sprechen. Inzwischen sieht es ja so aus, als wenn es keine Chance hat, und wenn dann in Hessen Neuwahlen sind, sagen viele voraus, dass die FDP dann mit in der Landesregierung sein wird. Ist damit das BKA-Gesetz aus Ihrer Sicht jetzt schon gescheitert?
Wolf: Das ist nicht zwingend so. Das hängt davon ab, wie sich die große Koalition letztendlich verhält, auch im Zusammenwirken mit den Landesregierungen, in denen sie Regierungsbeteiligung haben, die am Ende dann auch mitstimmen können. Ich bin kein Prophet, ich kann nur sagen: Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es in der Tat nach einer Ablehnung aus – nach den Willensbekundungen in den Ländern, in denen die Sozialdemokraten mitregieren oder auch allein regieren wie Kurt Beck in Rheinland-Pfalz. Ob es und mit welchem Ergebnis es dann gegebenenfalls zu einem Vermittlungsverfahren kommt, kann man auch jetzt nicht verlässlich abschätzen. Wir sind – und das ist auch von Herrn Schäuble anerkannt worden – von Anfang an klar aufgestellt gewesen. Die Liberalen haben gesagt: Wir werden das Gesetz in dieser Form nicht mittragen. Das war immer unser Duktus. Inwieweit es da zu Veränderungen kommt, und das möglicherweise die Sachlage ändert, ist jetzt wirklich nicht abzuschätzen.
Zurheide: Wenn Sie einen Vorschlag machen könnten – Sie sind ja als Innenminister auch für die Sicherheit zuständig –, was würden Sie wollen? Zum Beispiel den qualifizierten Richtervorbehalt?
Wolf: Es gibt eine ganze Reihe Punkte. Das fängt damit an, dass wir im Grundsatz die Ausweitung der BKA-Befugnisse kritisch sehen. Es gibt ja daneben noch den Verfassungsschutz. Es ist ja nicht so, als ob wir wehrlos seien. Entscheidend ist, dass wir in unserem System ein Trennungsgebot haben, dass wir sehr stark darauf achten, dass nicht verwischt wird zwischen der präventiven Befugnis – das ist der Verfassungsschutz zuvorderst – und dem BKA. Nun hat die Verfassungsänderung eine etwas neue Lage gebracht, aber dann muss man schauen, dass dieses nicht exzessiv ausgelegt wird. Wir wollen eine möglichst zurückhaltende Version, und dazu gehören dann auch weitere Kritikpunkte bei den einzelnen Befugnissen, auch bei der Frage des Richtervorbehalts bis hin zu dem Schutz der Berufsgeheimnisträger, wo wir glauben, dass es kein Zwei-Klassen-Recht geben soll. Da ist also ein bunter Strauß, der teilweise auch von der SPD so gesehen wird. Im Einzelnen sind diese Fragen sehr, sehr detailliert und schwierig, deswegen muss da auch intensiv verhandelt werden.
Zurheide: Die Sicherheitslage ist angespannt, das hat zumindest oder soll Bundesinnenminister Schäuble gesagt haben. Ist sie wirklich angespannt im Moment?
Wolf: Wir sind uns in dieser Frage der Einschätzung der Lage über alle Länder und im Bund immer einig gewesen, dass wir in einem abstrakten Gefahrenraum leben, dass wir mit Blick auf El Kaida, die ja international und weltweit arbeiten, immer damit rechnen müssen, dass auch etwas passiert. Aber wir haben keine Anhaltspunkte für konkrete Gefährdung in Nordrhein-Westfalen. Unsere Sicherheitsorgane sind stets wachsam. Wir bemühen uns, im Zusammenwirken – natürlich auch im föderalen System – bestmöglich für die Bürger zu sorgen, für die Sicherheit. Aber – und das ist uns eben wichtig – wir dürfen eben aufgrund der Gesetzgebung nicht versuchen, in irgendeiner Weise unnötig Kompetenzen bei solchen Organen anzusiedeln und insbesondere auch nicht an der falschen Stelle.
Zurheide: Das war der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf. Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch! Danke schön, Herr Wolf, einen guten Morgen!
Wolf: Danke, Herr Zurheide!
Ingo Wolf: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Herr Wolf, zunächst einmal – Sie haben schon klar Nein gesagt. Warum?
Wolf: Unmittelbar noch auf der Pressekonferenz habe ich ihm das entgegnet. Das kann aus unserer Sicht nicht sein, dass es darum geht, sich leichter Mehrheiten zu beschaffen und dabei letztendlich die Enthaltungen auszuhebeln. Das ist guter Brauch, auch im föderalen System, dass man die Mehrheit sich beschaffen muss, und das soll auch so bleiben.
Zurheide: Jetzt könnte man sagen, weil er das im Moment mit dem BKA-Gesetz verknüpft hat, macht er sich die Argumentation natürlich besonders schwer. Ist das für Sie der entscheidende Grund, dass es jetzt vor dem Hintergrund des BKA-Gesetzes passiert, oder sagen Sie, nein, grundsätzlich müssen wir eben im Föderalismus weiter zulassen, dass Länder sich enthalten?
Wolf: Der Anlass mag falsch gewählt sein oder auch nicht. Natürlich ist ein Stück Ärger dahinter, dass jetzt sozialdemokratische Landesregierungen letztendlich auch nicht mitgemacht haben. Die FDP-mitregierten Länder haben ja von vornherein gesagt, dass wir gegen das BKA-Gesetz sind, und das nicht mittragen werden. Aber für mich ist das eine Grundsatzfrage. Wir haben eine ganz klare Situation, es braucht die Mehrheit in Ländern, genauso wie Herr Schäuble sich zunächst einmal natürlich auch im Bund Mehrheiten suchen muss. Und wenn beispielsweise die SPD ein Vorhaben der CDU nicht mitträgt, dann kommt es nicht. Und in gleicher Weise ist es bei zustimmungspflichtigen Gesetzen: Wenn der Bundesrat etwas nicht mitträgt, dann kommt es eben nicht. So einfach ist die Situation. Und man muss ja eins hinzufügen: Diese Enthaltungen sind ja im Grunde genommen eine charmante Form des Neins. Die Koalitionsregierungen haben sich verständigt, in solchen Fällen in den Ländern mit Enthaltung zu stimmen. Man würde natürlich in Zukunft auch darüber nachdenken müssen, dass in solchen Fällen die Koalitionsverträge dann sagen: keine Zustimmung gleich nein, also ist auch wenig gewonnen. Aber vom Grundsatz her meine ich kann es nicht richtig sein, die Länder sind gleichberechtigte Partner und keine Abnick-Kammer, wo im Grunde genommen Bundesgesetze nur noch vollzogen werden, dann jedenfalls, wenn Zustimmungspflicht gegeben ist.
Zurheide: Nun, in der Tat haben wir Koalitionen und auch Sie in Nordrhein-Westfalen haben ja entsprechende Regeln in Ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Man könnte natürlich andersherum sagen: Wenn man das, was Herr Schäuble vorschlägt, bis zu Ende denkt, könnte es theoretisch so sein, dass sich fast alle Länder oder alle Länder enthalten bis auf ein einziges Land, das dann mit Ja stimmt. Im Umkehrschluss würde es bedeuten, dass man mit einem einzigen Land eine Mehrheit bestimmen könnte. Das kann ja auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, oder?
Wolf: Die Enthaltung wirkt wie ein Nein. Ich hatte das ja gerade skizziert als eine charmante Form des Neins. Insofern ist das nicht richtig. Wenn keine Zustimmung vorliegt, und das ist bei einer Enthaltung so, dann gibt es eben dafür keine Mehrheit. So simpel ist das. Die FDP wird dafür nicht stimmen, es wird also auch eine Grundgesetzänderung nach jetziger Einschätzung auch gar nicht geben können. Ich halte es nur auch im Prinzip für falsch. Wichtig ist, dass derjenige, der ein Gesetz durchbekommen will, dafür eine klare Mehrheit haben muss, und zwar eben letztendlich in diesem Verhältnis auch der gesetzlichen Mitglieder. Und da gibt es ein Stimmenverhältnis: 69 im Bundesrat - also muss man 35 haben. Und diese Stimmen muss man bekommen, wenn man die nicht hat, ist das Gesetz gescheitert.
Zurheide: Lassen Sie uns noch mal über das BKA-Gesetz sprechen. Inzwischen sieht es ja so aus, als wenn es keine Chance hat, und wenn dann in Hessen Neuwahlen sind, sagen viele voraus, dass die FDP dann mit in der Landesregierung sein wird. Ist damit das BKA-Gesetz aus Ihrer Sicht jetzt schon gescheitert?
Wolf: Das ist nicht zwingend so. Das hängt davon ab, wie sich die große Koalition letztendlich verhält, auch im Zusammenwirken mit den Landesregierungen, in denen sie Regierungsbeteiligung haben, die am Ende dann auch mitstimmen können. Ich bin kein Prophet, ich kann nur sagen: Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es in der Tat nach einer Ablehnung aus – nach den Willensbekundungen in den Ländern, in denen die Sozialdemokraten mitregieren oder auch allein regieren wie Kurt Beck in Rheinland-Pfalz. Ob es und mit welchem Ergebnis es dann gegebenenfalls zu einem Vermittlungsverfahren kommt, kann man auch jetzt nicht verlässlich abschätzen. Wir sind – und das ist auch von Herrn Schäuble anerkannt worden – von Anfang an klar aufgestellt gewesen. Die Liberalen haben gesagt: Wir werden das Gesetz in dieser Form nicht mittragen. Das war immer unser Duktus. Inwieweit es da zu Veränderungen kommt, und das möglicherweise die Sachlage ändert, ist jetzt wirklich nicht abzuschätzen.
Zurheide: Wenn Sie einen Vorschlag machen könnten – Sie sind ja als Innenminister auch für die Sicherheit zuständig –, was würden Sie wollen? Zum Beispiel den qualifizierten Richtervorbehalt?
Wolf: Es gibt eine ganze Reihe Punkte. Das fängt damit an, dass wir im Grundsatz die Ausweitung der BKA-Befugnisse kritisch sehen. Es gibt ja daneben noch den Verfassungsschutz. Es ist ja nicht so, als ob wir wehrlos seien. Entscheidend ist, dass wir in unserem System ein Trennungsgebot haben, dass wir sehr stark darauf achten, dass nicht verwischt wird zwischen der präventiven Befugnis – das ist der Verfassungsschutz zuvorderst – und dem BKA. Nun hat die Verfassungsänderung eine etwas neue Lage gebracht, aber dann muss man schauen, dass dieses nicht exzessiv ausgelegt wird. Wir wollen eine möglichst zurückhaltende Version, und dazu gehören dann auch weitere Kritikpunkte bei den einzelnen Befugnissen, auch bei der Frage des Richtervorbehalts bis hin zu dem Schutz der Berufsgeheimnisträger, wo wir glauben, dass es kein Zwei-Klassen-Recht geben soll. Da ist also ein bunter Strauß, der teilweise auch von der SPD so gesehen wird. Im Einzelnen sind diese Fragen sehr, sehr detailliert und schwierig, deswegen muss da auch intensiv verhandelt werden.
Zurheide: Die Sicherheitslage ist angespannt, das hat zumindest oder soll Bundesinnenminister Schäuble gesagt haben. Ist sie wirklich angespannt im Moment?
Wolf: Wir sind uns in dieser Frage der Einschätzung der Lage über alle Länder und im Bund immer einig gewesen, dass wir in einem abstrakten Gefahrenraum leben, dass wir mit Blick auf El Kaida, die ja international und weltweit arbeiten, immer damit rechnen müssen, dass auch etwas passiert. Aber wir haben keine Anhaltspunkte für konkrete Gefährdung in Nordrhein-Westfalen. Unsere Sicherheitsorgane sind stets wachsam. Wir bemühen uns, im Zusammenwirken – natürlich auch im föderalen System – bestmöglich für die Bürger zu sorgen, für die Sicherheit. Aber – und das ist uns eben wichtig – wir dürfen eben aufgrund der Gesetzgebung nicht versuchen, in irgendeiner Weise unnötig Kompetenzen bei solchen Organen anzusiedeln und insbesondere auch nicht an der falschen Stelle.
Zurheide: Das war der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf. Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch! Danke schön, Herr Wolf, einen guten Morgen!
Wolf: Danke, Herr Zurheide!