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Wolfgang Neskovic lobt Reformbemühen im BND

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic hält Rücktrittsforderungen an Ernst Uhrlau, Chef des Bundesnachrichtendienst (BND), für unangemessen. Zugleich warf Neskovic CDU und SPD vor, in der aktuellen BND-Bespitzelungsaffäre mehr Kontrolle des Nachrichtendienstes zu fordern, obwohl diese für die aktuelle Gesetzeslage verantwortlichen seien.

Moderation: Philipp Krohn |
    Philipp Krohn: Vor rund zwei Jahren musste der Bundesnachrichtendienst zugeben, dass er Journalisten bespitzelt hat. Damit wollte der Auslandsgeheimdienst undichte Stellen in der Behörde schließen, aus denen immer wieder Informationen nach außen drangen. Die Entschuldigung bedeutete aber nicht, dass die Überwachungen eingestellt wurden, wie seit dieser Woche bekannt ist. Neben der "Spiegel"-Journalistin Susanne Koelbl sind offenbar auch weitere Afghanistan-Berichterstatter deutscher Medien betroffen. Zur Stunde setzt das Parlamentarische Kontrollgremium seine Befragung des BND-Präsidenten Ernst Uhrlau fort. ( MP3-Audio , Beitrag von Sabine Adler)

    Kurz vor der Sendung habe ich mit Wolfgang Neskovic gesprochen, seit zwölf Uhr sitzt er für Die Linke im Parlamentarischen Kontrollgremium. Zu Beginn habe ich ihn gefragt, ob er in der gestrigen Sitzung erfahren hat, seit wann Ernst Uhrlau von der Bespitzelung der "Spiegel"-Journalistin wusste?

    Wolfgang Neskovic: Ich habe gestern Informationen bekommen, aber über diese Informationen darf ich nach der Gesetzeslage nicht reden. Das kritisiere ich, aber da das Gesetz so ist, wie es ist, kann ich Ihnen dazu jetzt keine Auskunft geben.

    Krohn: Was ist denn Ernst Uhrlau für Antworten schuldig geblieben, die Sie noch heute klären müssen?

    Neskovic: Das Problem ist jetzt, dass ich im Einzelnen dazu nichts sagen kann. Ich will vielleicht etwas Grundsätzliches sagen: Wir haben eigentlich zwei Probleme im Kontrollgremium. Erstens: Wir können gar nicht effizient kontrollieren, weil der zu Kontrollierende, also hier die Nachrichtendienste, eigentlich den Umfang der Kontrolle bestimmt, weil er derjenige ist, der es in der Hand hat, uns zu sagen, was er uns mitteilt und nicht mitteilt. Der Öffentlichkeit ist ja in den letzten Monaten insbesondere deutlich geworden, dass im Gremium eine große Unzufriedenheit herrscht, weil wir der Meinung sind, dass wir nicht korrekt informiert werden, nicht rechtzeitig und nicht umfänglich. Das ist eine Problemebene.

    Die zweite Problemebene, um die es hier geht, ist, ist eine Journalistin bespitzelt worden? Da gibt es zurzeit auch eine etwas unübersichtliche Lage. Ich habe heute den Zeitungen entnommen, dass behauptet wird, dass die Journalistin eigentlich nicht Gegenstand der Bespitzelung gewesen sein soll, sondern ein afghanischer Politiker und sie, wie man das in Geheimdienstkreisen nennt, eigentlich nur Beifang gewesen ist.

    Wir kritisieren ja - und das machen sich viele Menschen nicht klar -, dass Personen, die verdächtigt sind, nicht allein von den Sicherheitsorgane in den Blickpunkt geraten, sondern auch die Personen, die mit diesen Personen Kontakt haben. Wenn das ein solcher Fall ist, muss man ihn anders bewerten - zumindest nach der gegenwärtigen Gesetzeslage -, als wenn die Journalistin selbst Zielobjekt der Beobachtung gewesen ist.

    Krohn: Nun haben wir heute von dem früheren ZDF-Korrespondenten Ulrich Tilgner erfahren, dass auch er abgehört worden ist. Ändert das etwas an der Dimension dieses Falles?

    Neskovic: Nein, das tut es natürlich nicht, weil: Wir haben ein grundsätzliches Problem: Wie gehen wir beispielsweise mit Journalisten um, und in welchem Umfang können Journalisten Gegenstand von Überwachungsmaßnahmen sein? Dazu haben wir zurzeit eine Rechtslage, die das prinzipiell zulässt. Diejenigen, die jetzt aufschreien, sind eigentlich diejenigen, die dafür verantwortlich sind. Das sind insbesondere Vertreter der CDU und der SPD. Also man muss hier ganz vorsichtig sein. Ich bin ja Jurist, und man muss genau hingucken, was lässt die Gesetzeslage zu? Wer wie Herr Ströbele hier von schweren Grundrechtsbeeinträchtigungen redet, der ist eigentlich auch juristisch in der Darlegungslast, das mal im Einzelnen nachzuweisen. Ich weise darauf hin, dass es erstmal eine Situation im Ausland ist. Ich weise zweitens darauf hin, dass dann, wenn E-Mails ausgelesen werden, es sich nicht um einen, wie Juristen sagen, Telekommunikationsvorgang handelt, der zum Beispiel nach dem G10-Gesetz zu beurteilen ist.

    Krohn: Das müssen Sie erklären, G10-Gesetz.

    Neskovic: G10-Gesetz ist ein Gesetz, das die Telefonüberwachung selbst regelt. Da gibt es sehr strenge Voraussetzungen, aber da wird der Telekommunikationsvorgang geregelt und nicht ein abgeschlossener Vorgang, der Spuren hinterlässt - zum Beispiel ein E-Mail-Verkehr, der abgeschlossen ist, und dann hat man in seinem Posteingang bestimmte Informationen. Wenn die ausgelesen sind, gelten andere juristische Grundregeln. Auch das müssen Sie sich vor Augen führen.

    Krohn: Wir hatten allerdings vor zwei Jahren schon mal eine Bespitzelungsaffäre des BND. Die BND-Spitze hat sich daraufhin entschuldigt. Nun wiederholen sich diese Fälle. Wie ist das zu erklären?

    Neskovic: Das ist das Problem, wenn man Jurist ist und wie ich als Richter es gewohnt ist, mal genau hinzugucken. Die Fälle, die wir damals hatten, hatten im Kern zum Gegenstand, dass der BND davon ausging, dass dort ein Leck bestehe. Man wollte Informanten aus dem eigenen Dienst habhaft werden. Man nennt das Eigensicherung. In dem Zusammenhang hat man auch Journalisten, weil die ja unter Umständen die Kontaktperson für diese Informanten sind, auch überwacht. Das hat man als Fehler eingeräumt und will das auch zukünftig nicht mehr machen. Um einen solchen Fall handelt es sich hier offenkundig nicht - zumindest nach dem, was man in der Presse nachlesen kann.

    Ich bin generell der Meinung, dass unter ganz engen Voraussetzungen es natürlich auch möglich sein muss, Journalisten abzuhören oder zu überwachen, denn auch Journalisten können beispielsweise Straftäter sein oder können auch gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeiten. Journalisten sind nicht per se sakrosankt. Das gilt auch für Abgeordnete nicht.

    Also man muss da sehr genau hingucken und was ich zurzeit beobachte ist so ein ritualisiertes Machtspiel. Es geht in Wirklichkeit gar nicht um Kontrolle, es geht um Machtpolitik, es geht um eine Auseinandersetzung zwischen CDU und SPD. Diejenigen, die eigentlich für diese Gesetzeslage verantwortlich sind, die regen sich zurzeit auf. Das kann ich nicht nachvollziehen.

    Krohn: Heißt das für Sie, dass Rücktrittsforderungen gegenüber Ernst Uhrlau parteipolitisch begründet sind?

    Neskovic: Ja, das sehe ich so. Deswegen werde ich mich auch an solchen Rücktrittsforderungen nicht beteiligen. Ich bin daran interessiert, und meine Fraktion auch, dass wir eine effiziente Kontrolle der Geheimdienste erreichen. Das ist zurzeit nicht der Fall. CDU und SPD blockieren hier auch eine effiziente Kontrolle der Geheimdienste und sich jetzt in diesem Fall aufzuregen und dann unter Umständen über einen Rücktritt von Herrn Uhrlau den Eindruck zu erwecken, die Kontrolle sei effizient, ist für mich ein Schauspiel. Das hat Herr Uhrlau auch in dieser Form nicht verdient - und der BND auch nicht.

    Krohn: Nun hat die Union ein Konzept offengelegt, wie sie die Effizienz steigern will. Warum unterstützen Sie das nicht?

    Neskovic: Wenn Sie meine ersten Äußerungen, seitdem ich in diesem Parlamentarischen Kontrollgremium bin, nachlesen, werden Sie feststellen, dass die CDU durchaus Forderungen von mir aufgegriffen hat - beispielsweise, dass Angehörige der Dienste, die wir hören, dass die also im Zeugenstatus sind, das heißt der Wahrheitspflicht unterliegen. Das habe ich von Anfang an immer als Mangel bezeichnet, das ist auch geschehen. Die CDU hat aber ein Programm vorgelegt, ein Änderungsprogramm, das darauf hinausläuft, dass weiterhin die Kontrolle letztlich in der Hand der Regierungsfraktionen bleibt. Minderheitenrechte beispielsweise für die Opposition finden überhaupt nicht statt, und damit ist ein wesentliches Element der Kontrolle ausgeschaltet.

    Krohn: Aber ist es nicht wichtig, dass das PKG direkten Zugang zu Akten des Auslandsgeheimdienstes hat?

    Neskovic: Ja, selbstverständlich. Das habe ich immer gefordert. Aber zurzeit ist die Rechtslage so - und daran rührt auch der Vorschlag der CDU nicht -, dass wir, wenn wir Einsicht in die Akten nehmen müssen, die Genehmigung praktisch der Regierungsfraktionen brauchen. Das ist doch ein absurder Vorgang, und das zeigt auch die ganze Unaufrichtigkeit dieses Vorschlages. Wir haben zurzeit die Situation - und weder der SPD-Vorschlag noch der CDU-Vorschlag rühren daran etwas -, dass eigentlich die Regierungsfraktionen die Regierung kontrollieren, und dass deren Kontrolleifer aus natürlichen Gründen beschränkt ist, liegt auf der Hand.

    Krohn: Herr Neskovic, nun ist deutlich zu vermerken, dass es eine Vertrauenskrise für den BND gibt. Wie kann der Dienst dieses Vertrauen zurückgewinnen?

    Neskovic: Mein Eindruck ist - ich bin ja auch beim BND vor Ort gewesen -, dass in der Tat es dort große Probleme gibt. Die Linken wären die letzten, die das beschönigen wollten. Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen - das gehört einfach zur Aufrichtigkeit in diesem Bereich hinzu, obwohl das ja in der Politik nicht so an der Tagesordnung ist -, dass es ganz deutliche Bemühungen gibt, die Dinge in dem Sinne zu verändern, wie ich mir das vorstelle - auch innerhalb des Amtes. Das geschieht auch durch das Bundeskanzleramt. Ich habe das als Richter gelernt: Wenn man einen Wasserhahn daran hindern will, dass er tropft, dann muss man auch hin und wieder noch mal nachjustieren. Das ist der Vorgang. Es gibt aus meiner Sicht aber ein glaubhaftes ernsthaftes Bemühen, innerhalb des Dienstes auch technische Kontrollvoraussetzungen zu schaffen, die solche Vorfälle wie diesen zukünftig unterbinden. Ich darf auch festhalten: Herr Uhrlau hat sich ja auch bei der Journalistin entschuldigt. Wenn man wirklich die Einzelheiten kennt, zu denen ich hier nichts sagen kann, dann halte ich eine Rücktrittsforderung zumindest nach dem Wissen, das ich zurzeit habe, für unangemessen.

    Krohn: Im Deutschlandfunk war das Wolfgang Neskovic. Er sitzt für die Fraktion Die Linke im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages.