Einen "Ort des Sprechens", ja ein "Laboratorium intellektueller und künstlerischer Energie" strebte "Lettre" zu seiner Gründung an. Das war im Mai 1988, ein Jahr vor dem epochalen Mauerfall, als die Realitäten in Osteuropa noch verdrängt und Diskurse darüber unterdrückt wurden. Frank Berberich, von Anfang an Redaktionsleiter der großformatigen deutschen Ausgabe von "Lettre", erinnert an die Gründungsimpulse:
"Es waren drei Dimensionen, wenn man so will: der eine Impuls war das, was es an Reichtum in anderen Ländern gab, hereinzulassen, einzuladen, wahrnehmbar zu machen, soweit wir das konnten, mit unseren schwachen Kräften. Das Zweite war, die Trennungen Europas zumindest intellektuell, literarisch kulturell aufzuheben oder zumindest durchlässiger zu machen. Und das Dritte war, einen Welthorizont zu eröffnen, über Europa hinauszuschauen und zu sehen, was es an Wertvollem gab, das uns dabei helfen könnte, uns in dieser sich globalisierenden Welt zu orientieren."
So mauserte sich "Lettre" zu einem grenzüberschreitenden und interdisziplinären Forum mit Essays und Porträts, Gesprächen und Reportagen, Thesen und Reflexionen, Tagebuchnotizen, Briefen und anspruchsvollen Fotoserien. Und immer ist das kleine Redaktionsteam bemüht gewesen, konzeptionell nicht in selbstgefälliger Routine zu erstarren.
"Lettre ist wie eine Wundertüte. Wir selbst wissen vier Wochen vor Erscheinen des Heftes noch nicht, wie das Heft genau aussieht."
Dabei pflegt das Blatt unverdrossen seinen großzügigen Stil und kümmert sich nicht um kurzatmige Fast-Food-Lesegewohnheiten. So weist Frank Berberich die gängige Kritik an der Überlänge seiner veröffentlichten Texte zurück:
"Der Grund für die Länge der Texte ist vor allem, dass wir in einer immer komplexeren Gesellschaft nicht mit immer kürzeren Texten glauben können, die Wirklichkeit zu beschreiben. Ich würde sogar sagen, jeder, der sich auf die Texte einlässt, fühlt sich danach in einer anderen Weise bereichert, als würde er zwei Stunden vor 'Deutschland sucht den Superstar' sitzen oder fünf Stunden vor 'Schlag den Raab'. Dies ist doch ein ganz großes intellektuelles Missverständnis."
Das kosmopolitische Blatt nimmt sich Raum und Zeit und lebt von der Generosität seiner Autoren und von ihren Anzeigenkunden. So empfinden sich die Blattmacher gewissermaßen als eine Mischung aus Freibeutern, Überlebenskünstlern und Paria abseits öffentlicher Subventionströpfe.
Dazu ein paar Zahlen: "Lettre" erscheint in einer Auflage von 23.000 Exemplaren. Es hat in 25 Jahren 3000 Texte aus 100 Ländern veröffentlicht, davon 80 Prozent aus dem Ausland. Von den 160 Texten pro Jahr müssen 130 in zehn verschiedene Sprachen übersetzt werden. Doch für diese Übersetzungen findet "Lettre" in Deutschland im Gegensatz zu Buchverlagen keinerlei finanzielle Unterstützung. Schlimmer noch – so Frank Berberich:
"Zeitschriften sind das einzige Distributionssystem von Kunst und Kultur in Deutschland, das keinerlei systematische Förderung genießt."
In diesen Tagen erscheint nun zum 25-jährigen Bestehen die goldene Nummer 100, mit der "Lettre" ein "funkelndes Mosaik" jener Zeitspanne kreieren will, in der sich die Welt tiefgreifend transformiert und neu ausgerichtet hat. Der thematische Reigen reicht vom Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking und dem Niedergang des kommunistischen Weltsystems, über die Fatwah gegen Salman Rushdie, die Belagerung Sarajevos, den Völkermord in Ruanda bis zu Nine-Eleven, dem arabischen Frühling oder zur Krise des Finanzkapitalismus. Frank Berberich:
"Wir wollen uns rückbeugen aus Anlass dieser 25 Jahre, die hinter uns liegen und versuchen zu verstehen, was in dieser Epoche geschehen ist. Es ist eine Epoche, die mit einer Inkubationszeit begonnen hat, mit großen Hoffnungen nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges, mit großen prophetischen Voraussagen über eine friedliche Zukunft, wenn Sie an Fukuyama denken. Es ist eine Zeit, die dann in eine Phase der Erschütterung ging, in eine Phase der Wiederkehr des Krieges."
Die Vierteljahreszeitschrift hat alle Krisen couragiert überstanden, getragen auch von der enormen Resonanz von Lesern, die mit den Texten arbeiten, sie zu verbreiten oder auszuschlachten versuchen, ob unter Journalisten, Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern oder Fotografen.
Deshalb hat das in Berlin produzierte unorthodoxe Blatt auch noch nach einem Vierteljahrhundert allen Grund, an sich und sein weltoffenes Profil zu glauben:
"Die Gesellschaften, die heute einen rein defensiven Charakter haben, sehr wenig an Optimismus, an Zukunftshoffnungen verkörpern, diesen Gesellschaften könnte vielleicht eine neue Verlebendigung intellektueller, unorthodoxer und gleichermaßen kritischer wie kreativer Anstrengung gut tun."
"Es waren drei Dimensionen, wenn man so will: der eine Impuls war das, was es an Reichtum in anderen Ländern gab, hereinzulassen, einzuladen, wahrnehmbar zu machen, soweit wir das konnten, mit unseren schwachen Kräften. Das Zweite war, die Trennungen Europas zumindest intellektuell, literarisch kulturell aufzuheben oder zumindest durchlässiger zu machen. Und das Dritte war, einen Welthorizont zu eröffnen, über Europa hinauszuschauen und zu sehen, was es an Wertvollem gab, das uns dabei helfen könnte, uns in dieser sich globalisierenden Welt zu orientieren."
So mauserte sich "Lettre" zu einem grenzüberschreitenden und interdisziplinären Forum mit Essays und Porträts, Gesprächen und Reportagen, Thesen und Reflexionen, Tagebuchnotizen, Briefen und anspruchsvollen Fotoserien. Und immer ist das kleine Redaktionsteam bemüht gewesen, konzeptionell nicht in selbstgefälliger Routine zu erstarren.
"Lettre ist wie eine Wundertüte. Wir selbst wissen vier Wochen vor Erscheinen des Heftes noch nicht, wie das Heft genau aussieht."
Dabei pflegt das Blatt unverdrossen seinen großzügigen Stil und kümmert sich nicht um kurzatmige Fast-Food-Lesegewohnheiten. So weist Frank Berberich die gängige Kritik an der Überlänge seiner veröffentlichten Texte zurück:
"Der Grund für die Länge der Texte ist vor allem, dass wir in einer immer komplexeren Gesellschaft nicht mit immer kürzeren Texten glauben können, die Wirklichkeit zu beschreiben. Ich würde sogar sagen, jeder, der sich auf die Texte einlässt, fühlt sich danach in einer anderen Weise bereichert, als würde er zwei Stunden vor 'Deutschland sucht den Superstar' sitzen oder fünf Stunden vor 'Schlag den Raab'. Dies ist doch ein ganz großes intellektuelles Missverständnis."
Das kosmopolitische Blatt nimmt sich Raum und Zeit und lebt von der Generosität seiner Autoren und von ihren Anzeigenkunden. So empfinden sich die Blattmacher gewissermaßen als eine Mischung aus Freibeutern, Überlebenskünstlern und Paria abseits öffentlicher Subventionströpfe.
Dazu ein paar Zahlen: "Lettre" erscheint in einer Auflage von 23.000 Exemplaren. Es hat in 25 Jahren 3000 Texte aus 100 Ländern veröffentlicht, davon 80 Prozent aus dem Ausland. Von den 160 Texten pro Jahr müssen 130 in zehn verschiedene Sprachen übersetzt werden. Doch für diese Übersetzungen findet "Lettre" in Deutschland im Gegensatz zu Buchverlagen keinerlei finanzielle Unterstützung. Schlimmer noch – so Frank Berberich:
"Zeitschriften sind das einzige Distributionssystem von Kunst und Kultur in Deutschland, das keinerlei systematische Förderung genießt."
In diesen Tagen erscheint nun zum 25-jährigen Bestehen die goldene Nummer 100, mit der "Lettre" ein "funkelndes Mosaik" jener Zeitspanne kreieren will, in der sich die Welt tiefgreifend transformiert und neu ausgerichtet hat. Der thematische Reigen reicht vom Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking und dem Niedergang des kommunistischen Weltsystems, über die Fatwah gegen Salman Rushdie, die Belagerung Sarajevos, den Völkermord in Ruanda bis zu Nine-Eleven, dem arabischen Frühling oder zur Krise des Finanzkapitalismus. Frank Berberich:
"Wir wollen uns rückbeugen aus Anlass dieser 25 Jahre, die hinter uns liegen und versuchen zu verstehen, was in dieser Epoche geschehen ist. Es ist eine Epoche, die mit einer Inkubationszeit begonnen hat, mit großen Hoffnungen nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges, mit großen prophetischen Voraussagen über eine friedliche Zukunft, wenn Sie an Fukuyama denken. Es ist eine Zeit, die dann in eine Phase der Erschütterung ging, in eine Phase der Wiederkehr des Krieges."
Die Vierteljahreszeitschrift hat alle Krisen couragiert überstanden, getragen auch von der enormen Resonanz von Lesern, die mit den Texten arbeiten, sie zu verbreiten oder auszuschlachten versuchen, ob unter Journalisten, Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern oder Fotografen.
Deshalb hat das in Berlin produzierte unorthodoxe Blatt auch noch nach einem Vierteljahrhundert allen Grund, an sich und sein weltoffenes Profil zu glauben:
"Die Gesellschaften, die heute einen rein defensiven Charakter haben, sehr wenig an Optimismus, an Zukunftshoffnungen verkörpern, diesen Gesellschaften könnte vielleicht eine neue Verlebendigung intellektueller, unorthodoxer und gleichermaßen kritischer wie kreativer Anstrengung gut tun."