Donnerstag, 25. April 2024

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Wunsch nach Einlenken der ägyptischen Behörden

Die Räume der Konrad-Adenauer-Stiftung wurden von ägyptischen Behörden durchsucht und geschlossen. Hans-Gert Pöttering, Vorsitzender der Stiftung, kommentiert, das sei ein "sehr ungewöhnlicher Vorfall und kein gutes Zeichen für die sich doch hoffentlich entwickelnde Demokratie in Ägypten".

Hans-Gert Pöttering im Gespräch mit Christian Bremkamp | 30.12.2011
    Christian Bremkamp: Und am Telefon begrüße ich jetzt Hans-Gert Pöttering, den Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung. Guten Tag, Herr Pöttering!

    Hans-Gert Pöttering: Guten Tag, Herr Bremkamp!

    Bremkamp: Herr Pöttering, was wissen Sie? Was ist in Kairo genau passiert?

    Pöttering: Ich habe gestern Abend ausführlich mit unserem Vertreter in Kairo, Andreas Jacobs, telefoniert, und er hat mir die Situation so dargestellt: Als das Büro belagert wurde von etwa zehn, 15 Sicherheitskräften der ägyptischen Behörden, war er im Moment außerhalb des Büros. Und als er zurückkam zu Büro, zu dem Haus, standen schwer bewaffnete Sicherheitskräfte, drei Personen, am Eingang. Er hat dann unmittelbar die deutsche Botschaft informiert. Es sind zwei Vertreter der deutschen Botschaft gekommen, und sie sind dann also zu dritt, mit unserem Vertreter, in Kairo dann in unsere Büroräume hineingegangen. Und dort waren etwa zehn, zwölf Personen: Drei Personen, die das Kommando hatten – wir vermuten von der Staatsanwaltschaft – und etwa acht bis zehn weitere Helfer. Und man hat dann die Computer beschlagnahmt und auch Dokumente. Und hat dieses dann alles mitgenommen. Und es ist keinerlei schriftliche Verfügung ihm gegeben worden, unserem Vertreter, sodass er gar nicht wusste, was nun der eigentliche Anlass war für diese Beschlagnahme. Und dann ist das Büro versiegelt worden. Und wie ich eben erfahren habe, ist das Siegel gebrochen worden. Und unser Vertreter befindet sich jetzt auf der Polizeistation. Und ich werde versuchen, gleich mit ihm Kontakt aufzunehmen, was in der letzten Stunde nicht möglich war, weil er auf der Polizeistation war.

    Bremkamp: Wie geht es denn den Mitarbeitern im Moment?

    Pöttering: Ja, denen geht es gut, sie sind also nicht körperlich irgendwie bedrängt worden. Man hat also keine physische Gewalt geübt. Aber es ist natürlich eine gewisse Beunruhigung dort, aber anderseits sind unsere Personen, die wir im Ausland haben – wir haben ja als Konrad-Adenauer-Stiftung 80 Vertretungen in der Welt-, sie sind auch sehr erprobte Persönlichkeiten, die auch mit solchen Situationen umgehen können. Aber dies ist natürlich ein sehr, sehr ungewöhnlicher Vorfall und kein gutes Zeichen für die sich doch hoffentlich entwickelnde Demokratie in Ägypten. Und wir sind in Ägypten seit 30 Jahren. Wir haben – wie andere Stiftungen auch – wie die Friedrich-Ebert-Stiftung und andere Stiftungen, die Naumann-Stiftung, die Böll-Stiftung, ja Kontakte mit der Zivilgesellschaft und haben dieses auch bisher doch relativ ungehindert tun können. Und wir sind sehr erstaunt, dass es jetzt diese Aktion gibt. Wir fühlen uns der Demokratie, der Freiheit, der Würde des Menschen, der Rechtsordnung verpflichtet. Und insofern ist es völlig unverständlich, dass man in dieser Weise gegen uns vorgeht.

    Bremkamp: Sie haben eben gesagt, es gab keine schriftliche Begründung. Was kann Ihr Büro denn getan haben, dass es – sagen wir mal etwas überspitzt – in Ungnade gefallen ist?

    Pöttering: Das ist schwer zu sagen. Wir müssen jetzt erst mal abwarten, was nun diese Klärungen bringen. Dem kann ich nicht und will ich nicht vorgreifen. Auch die deutsche Botschaft ist involviert. Der ägyptische Botschafter in Berlin ist heute einbestellt ins Außenministerium. Insofern wird auch auf der offiziellen staatlichen Ebene alles getan. Und wir warten jetzt einmal ab, was die konkreten Anlasspunkte für ein solches Verhalten sind. Ich muss sagen, dass ich für die Konrad-Adenauer-Stiftung dieses Verhalten sehr scharf verurteile. Das ist eigentlich ohne Beispiel in der jüngsten Zeit. Und wir können nur hoffen – und diese Zuversicht möchte ich auch äußern –, dass die ägyptischen Behörden nun zu einer vernünftigen Verhaltensweise zurückkehren, denn das wirft ja alles ein sehr schlechtes Licht auf die sich doch hoffentlich entwickelnde Demokratie in Ägypten, die wir ja unterstützen wollen.

    Bremkamp: Wer, glauben Sie, steckt dahinter? Offiziell heißt es ja, Vertreter von Polizei und Justiz seien beteiligt gewesen. Aber wer könnte ein Interesse an solch einer Aktion haben?

    Pöttering: Ja, das ist sehr schwer zu sagen in solchen Transformationsgesellschaften. Also in Gesellschaften, die in einem Übergang sind zu einer neuen Entwicklung hin, gibt es natürlich auch immer starke Spannungen zwischen verschiedenen Kräften. Mein Eindruck ist auch aus Kontakten mit der ägyptischen Botschaft, dass die ägyptische Botschaft sowohl in Berlin als auch in Brüssel – ich bin ja als Europaabgeordneter und ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments auch mit den arabischen Botschaften in Brüssel im engen Kontakt –, die wollen eine Öffnung Ägyptens, natürlich nicht nur gegenüber Europa und der Welt, sondern auch eine demokratische Entwicklung. Und ich kann mir schon vorstellen, dass es doch Spannungen gibt zwischen Militär, Sicherheitskräften auf der einen Seite und den nach außen orientierten Kräften wie dem Außenministerium andererseits. Aber das sind im Moment Vermutungen. Und ich möchte hier nicht sagen, dass es nun unbedingt so sein muss, aber es könnte so sein.

    Bremkamp: Gab es denn irgendwelche Hinweise im Vorfeld, dass so etwas anstehen könnte, solch eine Durchsuchung?

    Pöttering: Nein, Herr Bremkamp, es gab überhaupt keine Anhaltspunkte, dass eine solche massive Aktion unternommen würde. Es hat einen Vorgang gegeben vor einigen Tagen, dass man unseren Vertreter vorladen wollte – ich vermute, zur Staatsanwaltschaft –, aber das kann ich jetzt nicht genau sagen, welche Behörde es war. Und unser Vertreter war gerade im Urlaub, war also außerhalb des Landes, sodass sein ägyptischer Vertreter dann mit den Behörden in einem Amtssitz von ägyptischen Behörden gesprochen hat. Und er hat dort natürlich wahrheitsgemäß Dinge geschildert, unsere Arbeit dargestellt. Und wir hatten keinerlei Anhaltspunkte, dass nun diese Aktion folgen würde. Also es hat keinerlei Hinweise gegeben. Umso überraschter sind wir. Und natürlich auch umso geschockter, dass es eine solche Entwicklung gegeben hat. Aber ich möchte die Dinge auch jetzt nicht dramatisieren, sondern meiner Hoffnung, meiner Erwartung, Ausdruck geben, dass die Dinge sich bereinigen, dass die ägyptischen Behörden einlenken. Und wir wollen weiterhin mit der Zivilgesellschaft, aber auch mit den Repräsentanten Ägyptens gut zusammenarbeiten, wie das 30 Jahre mit natürlich Schwankungen, auch der Fall war.

    Bremkamp: Danach wollte ich gerade fragen: Wie geht es nun weiter, wann wird Ihr Büro in Kairo wieder öffnen?

    Pöttering: Das wissen wir nicht. Wir hoffen, dass das möglichst schnell der Fall sein wird. Wir hoffen auch, dass die Intervention des Außenministeriums, also des deutschen Außenministeriums, auch der deutschen Botschaft in Kairo, und unsere Aktionen zu Erfolg führen. Aber die Entscheidungen werden natürlich von den ägyptischen Behörden getroffen. Und ich kann die ägyptischen Behörden nur auffordern, hier im Sinne der guten Partnerschaft mit Deutschland, mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, auch mit den anderen Stiftungen, hier einzulenken, damit wir auch im Sinne guter Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten, in diesem Falle mit Ägypten, doch gemeinsam in eine gute Zukunft gehen können. Denn Europa, Deutschland braucht die arabischen Staaten, Ägypten, braucht auch Deutschland und die Europäische Union und den Westen.

    Bremkamp: Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk war das der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering. Herr Pöttering, ich danke Ihnen!

    Pöttering: Ich danke Ihnen, Herr Bremkamp!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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