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Wusste Franz Müntefering von der Spender-Liste?

Ensminger: Es ist Wahlkampfzeit. Was sind also die Themen, die die Wähler beschäftigen? Arbeitslosigkeit steht da sicherlich ganz vorne mit auf der Liste. Und so will das SPD-Präsidium genau dafür, für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik heute Eckpunkte setzen. Doch da ist noch ein anderes Thema, das sich mal wieder nach vorne drängt: die Diskussion um die SPD-Spendenaffäre in Köln, und in diesem Zusammenhang die Aussage des SPD-Generalsekretärs Franz Müntefering vor dem Spendenuntersuchungsausschuss des Bundestags. Die Union will noch diese Woche eine Gegenüberstellung des Generalsekretärs mit der Parteischatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier vor dem Spendenuntersuchungsausschuss beantragen. Das verkündete der Unionsobmann im Ausschuss, Andreas Schmidt, in der Berliner Morgenpost von heute. Und um was geht es? Der Wirtschaftsprüfer Dieter Menger hat im Auftrag der SPD Köln eine Liste erstellt, über die das Büro des SPD-Generalsekretärs informiert gewesen worden sein soll, und zwar eine Woche bevor Müntefering im Untersuchungsausschuss ausgesagt hat. Die Schatzmeisterin der Partei hatte in Zeitungsinterviews erklärt, Müntefering habe von dem Bericht gewusst. Das hat dieser gestern noch einmal zurückgewiesen, und am Telefon bin ich nun verbunden mit dem SPD-Generalsekretär Franz Müntefering. Unionsobmann Schmidt fordert ein Kreuzverhör zwischen Ihnen und der Schatzmeisterin. Was sagen Sie denn dazu?

    Müntefering: Das muss der Ausschuss entscheiden. Das ist nicht meine Sache. Aber zu dem, was Sie geschildert haben, will ich nochmals klipp und klar sagen: Ich habe vor dem Ausschuss das ausgesagt, was ich wusste. Das, was ich ausgesagt habe, war wahrheitsgemäß. Dieser Bericht des Herrn Menger hat weder mir noch meinem Büro vorgelegen. Mein Büro wusste, dass Herr Menger und die Innenrevision laufend Berichte und Zwischenmeldungen an die Schatzmeisterei und an den Landesvorstand in Nordrhein-Westfalen geben, aber das, was ich gesagt habe, ist richtig, ich habe den Bericht von Herrn Menger nicht gekannt, und er hat uns hier nicht vorgelegen.

    Ensminger: Wären Sie denn bereit, sich einem Kreuzverhör im Untersuchungsausschuss zu stellen?

    Müntefering: Das ist ja nicht die Frage. Wenn der Untersuchungsausschuss das beschließt, dann gehe ich dahin.

    Ensminger: Jetzt sagen Sie, das Büro von Ihnen habe nichts von dem Bericht gewusst, Sie haben nichts von dem Bericht gewusst.

    Müntefering: Ich sage, der Bericht hat uns nicht vorgelegen. Es ist darüber in Runden informiert worden, die sich mit dieser Thematik befasst haben, dass es einen Bericht von Herrn Menger, dem lokalen Wirtschaftsprüfer, den die Kölner SPD bestellt hatte, geben würde. Dieser Bericht ist offensichtlich gekommen, aber er hat uns im Text nie vorgelegen. Wir haben die Inhalte nicht gekannt. Das mussten wir aber auch nicht, denn alle waren sich von Anfang an einig, nachdem er gesehen worden war, das ist nicht belastbar, das ist Material, das kann man in die weiteren Überlegungen einbeziehen. Das ist dann über die Schatzmeisterei an die Innenrevision gegangen, das ist an die Schmude-Kommission in Nordrhein-Westfalen gegangen, und das ist das, was wir dazu sagen können.

    Ensminger: Ich will das nochmals kurz zusammenfassen: Sie haben von dem Bericht gewusst, ihn aber nicht gekannt, so ist es dann richtig?

    Müntefering: Ja, so kann man es sagen.

    Ensminger: In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, der nichtbelastbare Menger-Bericht wurde, wie Sie sagen, an die Innenrevision und die Schmude-Kommission in Nordrhein-Westfalen weitergeleitet, und es habe keinen Anlass gegeben, Ihnen weiter zuzustellen. Aber ist denn die bevorstehende Aussage vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss kein Anlass für Sie?

    Müntefering: Ja, aber ich kann vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages nur über Ergebnisse berichten. Und die Situation, in der wir uns am 21.3. befanden, und die auch jetzt noch nicht zu Ende ist, ist folgende: Es gibt Meldungen aus verschiedenen Ecken. Es gab lange die Biciste-Liste, die anonymisiert war. Es gab die Bemühungen dieses lokalen Wirtschaftsprüfers. Es gab die Bemühungen der Innenrevision der Partei. Es gibt die Bemühungen der Untersuchungskommission in Nordrhein-Westfalen, die Jürgen Schmude leitet. Und der operative Teil dieser Aktion liegt nicht bei mir, sondern es kam darauf an, dass alles Wissen zusammengetragen, abgeglichen wurde, und wir so schnell wie möglich zu einem Ergebnis kommen. Und das ist nach wie vor das Bemühen von Frau Wettig-Danielmeier und mir, dass wir das zügig aufklären, aber dass wir es auch gründlich machen. Und wir sind hier auf gutem Wege. Ich bin sicher wir werden, nachdem jetzt die Biciste-Liste vorliegt, auch sehr bald die endgültigen Ergebnisse haben, und dann wird sich das alles als Sturm im Wasserglas erweisen.

    Ensminger: Wäre es nicht einfacher gewesen, Sie hätten einfach gesagt, dass es die Liste gibt, aber eben nicht, dass sie nicht aussagekräftig bzw. spekulativ und voller Fehler ist. Dann wäre die Aufregung doch gar nicht so weit gekommen, oder?

    Müntefering: Ja, aber ich kannte sie nicht. Ich wusste nicht, dass es eine Liste ist, die den Anspruch hat, endgültig zu sein. Und natürlich hätte ich dann auch sagen können, es gibt von der Innenrevision Zwischenerkenntnisse, es gibt von Seiten des Untersuchungsausschusses Erkenntnisse. Wenn man meinen Text liest - ich habe mein Statement dem Untersuchungsausschuss vorgetragen -, sieht man, dass ich da beschrieben, dass von allen Seiten Informationen einlaufen, aber dass da noch keine verbindlichen Ergebnisse sind. Wir müssen ja bitteschön beachten - das darf man nicht vergessen -, es dürfen auch keine Leute verdächtigt werden, die das nicht verdient haben, und auch darauf haben wir zu achten, wenn wir uns mit dieser Materie befassen, denn es war eine große Gruppe von Mitgliedern in Köln, die angeschrieben worden sind, die abgefragt worden sind, und nur ein Teil davon hat mit dieser ganzen Spendenquittungsaffäre zu tun, und deshalb sind beide Dinge wichtig: schnell und gründlich.

    Ensminger: Nach wie vor. Nun haben Sie es gerade angesprochen, die Beciste-Liste ist in Ihrer Hand. Ein weiterer Vorwurf kam vom Anwalt von Beciste, nämlich von Rainer Birkenstock, der sagt, Sie hätten die Liste schon viel früher haben können, er hätte sie wie Sauerbier angeboten. Warum haben Sie sie erst jetzt in der Hand?

    Müntefering: Also das, was er da sagt, ist falsch. Das haben die, die damit zu tun haben, ja auch beschrieben. Er hat uns die Liste anonymisiert zugeschickt. Er hat sich geweigert, sie zu geben. Dann hat es Versuche von ihm gegeben, die Liste der Partei anzubieten, aber immer unter der Bedingung, dass Herr Beciste davon keine Nachteile hat, und wenn es um so etwas geht, müssen wir natürlich darauf drängen, dass die Objektivität möglich bleibt, und das kann man nicht mit solchen Bedingungen verbinden. Ich persönlich habe keinen Kontakt mit ihm gehabt, aber ich habe im Nachhinein, als es in den letzten Tagen auftauchte, nachgefragt, und da ist mir bestätigt worden, dass wir, erst nachdem wir gegen Beciste Klage erhoben hatten, nachdem Herr Groschek in Nordrhein-Westfalen noch einmal massiv bei ihm vorgesprochen hat, hat er sich bereit erklärt, uns die Liste zur Verfügung zu stellen. Ich will da nicht zu hart sein, aber Leute, die nun über Jahre lang in solcher Weise gegen Gesetze verstoßen haben, und deren Rechtsanwälten, ihnen glaube ich nicht von Anfang an, und da kann ich auch nicht empfehlen, dass da jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird wie bei dem, was da in den letzten Tagen gesagt wird.

    Ensminger: Bleiben wir bei der Liste von Beciste. Wettig-Danielmeier hat erklärt, dass die SPD nach Prüfungen der Innenrevision von 35 inkonkreten Spendern ausgeht - sie haben die Liste dazu -, die Quittungen enthielten, ohne eine Spende gegeben zu haben. Wissen Sie denn inzwischen, um wen es da geht?

    Müntefering: Nein, ich will das wissen, wenn an der Stelle endgültig abgeglichen ist, und in der Operation sind wir drin. Es macht keinen Sinn, zwischendurch immer wieder mitzuteilen, das ist eine Erkenntnis, und diese muss dann wieder revidiert werden. Was ich auf Nachfrage hin weiß ist, dass die Beciste-Liste und der Bericht, den Herr Menger gegeben hat, nicht in Übereinstimmung sind, und dass es darüber hinaus noch einige Fälle gibt, die von der Kommission von Herrn Schmude behandelt werden müssten und dort geklärt werden müssen. Es macht keinen Sinn, über solche Zwischenstände zu berichten. Ich will jetzt trotzdem die Gelegenheit nutzen, weil da so getan wird, als ob wir schon ewig lange darüber sprächen, zu sagen, dass wir gerade seit sechs Wochen den ganzen Vorgang überhaupt kennen, und ich bin sicher, wir werden, wenn wir den Abschluss darunter machen, in nicht so ferner Zeit sagen können, wir haben das sehr schnell gemacht, und wir haben das so gemacht, dass alle sagen können, das ist gründlich, korrekt und belastbar.

    Ensminger: Es ist Wahlkampf. Wenn wir beim Wahlkampfthema bleiben, heute will Ihre Partei die Eckpunkte des Wirtschafts- und Arbeitsmarktprogramms im Wahlkampf sprechen. Gestern hat Gerhard Schröder gesagt, er sähe gute Voraussetzungen für eine Konjunkturwende und mehr Beschäftigung. Das Vertrauen in einem neuen Aufschwung Ost sei da. Klingt nach Fortsetzung der ruhigen Hand. Ist das so?

    Müntefering: Ja, wir haben in der Tat eine ganze Menge von Indikatoren, die dafür sprechen, dass wir schon in diesem Quartal, zumindest in diesem Jahr da auf eine positive Linie gehen. Es hat jetzt vier Mal hintereinander im IFO-Index positive Zahlen gegeben. Das ist auch für Deutschland wichtig. Da werden 7.000 Unternehmen monatlich befragt, und da geht es seit vier Monaten bergauf. Der Konjunkturindex vom Europäischen Wirtschaftsinstitut geht schon seit sechs Monaten rauf, der Handelsblattfrühindikator geht seit fünf Monaten rauf. Wir haben also eine ganze Reihe von Indikatoren, die es wahrscheinlich machen, dass wir auf einem guten Wege sind. Das Wachstum ist wichtig für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für die Schaffung von Arbeitsplätzen, aber es werden in unserem Programm ganz sicher noch andere Dinge dazukommen, die im Sinne von Wettbewerbsfähigkeit, aber auch im Sinne von Modernisierung des Arbeitsmarktes dazu beitragen, dass Arbeitslosigkeit bekämpft wird.

    Ensminger: Der Aufbau Ost bleibt wahrscheinlich auch dabei?

    Müntefering: Natürlich, das ist ein ganz zentraler Punkt. Die Investitionen in die Infrastruktur dort sind höher, als sie es jemals gewesen sind, seit zwei Jahren schon, und das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben. Der Solidarpakt 2 ist beschlossen und gibt eine gute finanzielle Basis, das Zukunftsinvestitionsprogramm kommt dazu, das Stadtumbauprogramm kommt dazu, also die finanzielle Basis dafür ist gegeben, und das muss nun Schritt für Schritt gehen, wobei es ganz wichtig ist, dass wir in der nötigen Weise auch in Forschung, Entwicklung und Technologie investieren. Nicht alles realisiert sich sofort, und ein Teil der Sicherung des Wohlstandes in die Zukunft hinein erschließt sich eben über das, was man heute in die Langfristwirkung investiert, und deshalb kann man es nicht immer nur am Tagesgeschäft messen.

    Ensminger: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio