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Xavier Naidoo
Wechselspiel mit rechten Medien

Ein Video des Sängers Xavier Naidoo mit rassistischen Äußerungen führte zu seinem Rauswurf aus der DSDS-Jury. Naidoo offenbart in diesem Video ein gefährliches Weltbild, das der Musiker schon seit Jahren in bestimmten Medien und mit bestimmten Journalisten teilt.

Von Michael Borgers | 18.03.2020
Xavier Naidoo steht auf einer dunklen Bühne, auf ihm ein Lichtstrahl.
Schon seit Jahren steht Xavier Naidoo für rassistische Aussagen in der Kritik (Imago / Kadir Caliskan)
In seinem neuesten Video erwähnt Xavier Naidoo einen "Olli". Beobachter gehen davon aus, dass er damit Oliver Janich meint, ein Journalist, der früher in Deutschland als Finanzjournalist gearbeitet hat - und auf den sich Naidoo seit Jahren öffentlich immer wieder bezieht.
Janich lebt inzwischen auf den Philippinen und äußert sich in Büchern, auf Social Media oder Youtube. Seine Themen dort lauten unter anderem, Zitat: "Der Adel, die Rothschilds und das Klimamärchen", "Die satanischen Hintergründe der Klimabewegung" oder, aktuell, die Corona-Krise:
"Hallo liebe Freunde, ein Update in Sachen Coronavirus. In Windeseile bestätigen sich meine Aussagen und Vorhersagen. Ich warte immer noch vergeblich auf den Pulitzerpreis angesichts der Tatsache, in wie viele Fachgebiete ich mich einarbeiten muss, wäre das längst mal angebracht."
Nähe zur Reichsbürgerbewegung
Janich verweist auf verschiedene Artikel und schlussfolgert unter anderem: "Also DARPA, das ist der Forschungsarm des Verteidigungsministeriums der USA, des US-Militärs, das wahrscheinlich auch hinter Google und Facebook steckt - ich hab dazu schon Videos gemacht - will uns einen Chip einpflanzen, um Pandemien zu verhindern. Fakt. Von wegen Verschwörungstheorie, Alu-Hut. Fakt."
Denn, so Janich: Politik und Medien würden gezielt Panik verbreiten, und Prominente, die nun ihre Corona-Erkrankung bekannt gäben, seien ohnehin nicht wirklich gefährdet. "Ich kann Euch versichern: Der Tom Hanks wird nicht abnippeln an dem Coronavirus - es sei denn, er steht der Machtelite im Weg und weiß zu viel."
Teile seiner Recherchen würde er, erklärt Janich weiter, bald im "Compact"-Magazin veröffentlichen - und ist dort gut aufgehoben, findet Christian Fuchs, Investigativ-Journalist bei der "Zeit" und Autor des Buchs "Das Netzwerk der Neuen Rechten". Denn, so Fuchs, "Compact" stehe für Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus.
Magazin "Compact" als Netzwerk der "Neuen Rechten"
"Und auch Xavier Naidoo gehörte von Anfang an als Protagonist in die Berichterstattung rein, weil er als ein Vertreter der sogenannten Wahrheitsbewegung und mit einer Nähe zur Reichsbürgerbewegung auch genau eine Klientel ist, die Elsässer ansprechen will. Er versucht nämlich, unterschiedliche Bestrebungen der sogenannten Neuen Rechten zu verbinden."
Jürgen Elsässer, ein ehemaliger radikaler Linker, hat "Compact" gegründet und ist bis heute sein Chefredakteur. Und erreicht damit, wie auch Oliver Janich mit seinem Youtube-Kanal, zehntausende Menschen.
"Und das ist wichtig für Naidoo auch als Nährboden für seine eigenen steilen Thesen und ungaren Aussagen, die er trifft, weil seriöse Medien, die auch gegenrecherchieren würden, Dinge vielleicht nicht so einfach übernehmen würden. Er braucht diese Aussagen aber so als Provokation, um auch immer wieder in den Medien vorzukommen - interessanterweise oft, wenn er parallel ein neues Album zu promoten hat."
Auch ein Teil der Arbeit von Christian Fuchs selbst ist schon einmal von Xavier Naidoo aufgegriffen, dann allerdings falsch wiedergegeben worden. Der Journalist hatte recherchiert, wie die USA von Deutschland aus weltweit Drohneneinsätze steuern. Doch Naidoo machte daraus bei einer Demonstration von Reichsbürgern vor dem Reichstag im Jahr 2014, dass die USA in Ramstein Atombomben lagern würden.*
Naidoos Inszenierung als "Märtyrer"
"Und das ist natürlich Quatsch. Es gibt keine amerikanischen Atombomben in Ramstein. Aber er benutzt es eben, weil es in sein eigenes Weltbild hineinpasst", so Fuchs.
Ein Weltbild, das Naidoo auch 2014 offenbar schon lange hatte, das aber erst damals eine größere Öffentlichkeit kennen lernte. Ein Jahr später durfte Naidoo - auch deshalb und anders als zunächst vom NDR geplant - nicht für Deutschland zum ESC, die Proteste waren zu groß.
2017 gab es eine weitere Kontroverse, diesmal um einen Liedtext. Damals wie heute fühlt sich Naidoo missverstanden, verweist auf seinen eigenen Migrationshintergrund und sein Engagement gegen Rechts. Er und die, die ihn verteidigen, beklagen, in Deutschland gebe es keine Meinungsfreiheit. Ein absurder Vorwurf, findet Christian Fuchs.
"Diese Annahme dient auch so ein bisschen seiner Selbstbeweihräucherung, dass er so als Märtyrer einer der Wenigen ist, der die Wahrheit verstanden hat und die jetzt auch offen sagen kann."
Naidoo könne seit Jahren sein Weltbild einem Millionenpublikum präsentieren, mit seiner Kunst und in sogenannten alternativen Medien. Nur müsse er sich auch gefallen lassen, wenn Falsches wiederlegt werde.

*Wir haben den Ort, an dem die USA Atombomben lagern würden, präzisiert.