Anja Buchmann: So klang es heute Mittag auf dem Youtube-Kanal #DeineWahl Bundeskanzlerin Angela Merkel, befragt von vier YouTubern, und zwar: MrWissen2go, ItsColeslaw, AlexiBexi und Ischtar Isik. Zusammen haben sie etwa 3 Millionen Abonnenten und bedienen so unterschiedliche Themen, wie Wissen/Politik, Beauty/Lifestyle, Technik und digitaler Alltag.
Vor zwei Jahren war die Premiere: Als erster YouTuber durfte Florian Mundt alias LeFloid die Bundeskanzlerin interviewen. Diesmal eben gleich vier Damen und Herren. Fragen konnten vorher unter dem Hashtag "DeineWahl" eingesendet werden. Erik Meyer ist Politikwissenschaftler und Experte für Netzpolitik und hat sich die Interviews angesehen. Schönen guten Tag, Herr Meyer, und direkt – wie haben Sie es gemacht, die jungen YouTuber?
"Einfach sehr gut vor- und aufbereitet"
Erik Meyer: Ja, hallo, Frau Buchmann. Also ich finde, das war insgesamt recht gut gelöst. Es gibt einen deutlichen Unterschied zu der Veranstaltung mit LeFloid, der lag einfach im Setting. Es war nicht im Kanzleramt, das heißt, es ist kein Audienzcharakter aufgekommen und es war live und nicht aufgezeichnet. Und das sind schon mal strukturelle Voraussetzungen dafür, dass das Interview besser geworden ist.
Buchmann: Haben sie sonst noch etwas gelernt aus dem vielfach kritisierten Interview von Youtube LeFloid von 2015, was wurde sonst noch vielleicht besser gemacht?
Meyer: Ja, es war einfach sehr gut vor- und aufbereitet, es war klarer strukturiert. Dadurch, dass die vier YouTuber hintereinander jeweils zu thematischen Schwerpunkten agiert haben und das dann immer unterbrochen war, noch einmal versucht wurde, ein Feedback einzuholen, war einfach auf dieser Ebene, auf der reinen Sendungsebene, sage ich mal - was das Format angeht - schon viel gewonnen und sie waren sicherlich gut vorbereitet auf ihre jeweiligen Themen, die sie behandelt haben.
Buchmann: Haben sogar das ein oder andere mal nachgefragt, was mich ein bisschen erstaunt hat, weil ja die meisten von denen keine wirkliche Interviewerfahrung hatten.
Meyer: Na gut, also dass das Nachfragen … ist sozusagen auch schon eine Prüfung, muss ich nachfragen, damit ich als ernster Journalist wahrgenommen werde? Ich finde es, es gab unterschiedlich überzeugende Auftritte. Mir hat am besten eigentlich gefallen, das, was Alexibexi gemacht hat und zum Thema Auto- und E-Mobilität. Das fand ich einfach eine stimmige Performance und eine stimmige Auseinandersetzung mit dem Thema.
"Das wird ihr einen Image-Gewinn bringen"
Buchmann: Wie hat sich denn die Kanzlerin geschlagen? Das war ja auch eine schicke Werbung für sie, schon bevor sie überhaupt den Mund aufgemacht hat, in sämtlichen Gazetten, auf Blogs, sozialen Netzwerken, auch auf Youtube-Portal natürlich war das der Aufmacher. Also, sie muss ja eigentlich gar nicht viel machen, außer da zu sein und zu antworten.
Meyer: Da haben Sie ganz recht. Das ist für die Kanzlerin in dieser Konstellation auf jeden Fall ein Gewinn. Die Art und Weise, wie sie auf die Fragen reagiert hat, ist nicht anders, wie sie in jedem anderen Interview auch. Überhaupt war die Differenz nicht so stark zu merken. Und insofern: Allein die Tatsache, dass sie sich mit diesen jungen YouTubern assoziiert hat und dass sie das durchgezogen hat, was vielleicht andere nicht von ihr erwartet haben. Das wird ihr einen Image-Gewinn bringen bei Wählern, die vielleicht sonst nicht so von der Politik der Angela Merkel und ihrer Partei erreicht werden.
Buchmann: Zumal sie ja auch ganz geschickt ab und zu mal Worte wie "E-Cloud" oder "Breitband" mit eingeworfen hat. Warum macht SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz so etwas nicht? Der politische YouTuber Thilo Jung, der hat heute Morgen im Interview mit Deutschlandfunk Kultur erzählt, dass er dort mehrfach angefragt hat und die haben dankend abgelehnt. Dumm eigentlich, oder?
Meyer: Nun gut. Da muss man zunächst einmal feststellen, dass das Format von Thilo Jung ein ganz anderes ist und es vielleicht auch kein Zufall ist, dass er jetzt nicht in dieser Runde vertreten war, weil er einen anderen Interview-Stil pflegt und auch da sehr erfahren ist. Und ob Martin Schulz sich nicht in einer ähnlichen Konstellation auch wiederfindet, das haben die Verantwortlichen ja offengelassen. Es wurde jetzt am Schluss des Interviews noch einmal darauf hingewiesen, dass das Format ja "YouTuber fragen …" heißt und insofern ist in Aussicht gestellt, dass möglicherweise weitere Spitzenkandidaten zur Verfügung stehen. Ich finde das auch wünschenswert, weil da wäre sonst als exklusives Format doch ein eindeutiger Vorteil für Frau Merkel gegenüber ihren Konkurrenten.
"Ob sich jetzt so viele das gesamte Interview anschauen, da habe ich auch meine Zweifel"
Buchmann: Absolut. Wird denn, Ihrer Meinung nach, die Zielgruppe "Jüngere Menschen" tatsächlich damit erreicht? Es waren zwischenzeitlich immerhin - naja, aber eigentlich auch "nur" - 55.000 Zuschauer.
Meyer: Na gut. Darüber, wie das jetzt sozusagen weiter prozessiert wird, können wir ja noch nichts sagen. Solche YouTube-Auftritte leben ja auch davon, dass sie sich viral verbreiten. Das kann man bei dieser von Ihnen am Anfang schon eingespielten Emoji-Antwort auch schon absehen, dass das der Fall sein wird. Ob sich jetzt so viele das gesamte Interview anschauen, da habe ich auch meine Zweifel. Aber es ist ja allein die Tatsache, dass das Interview stattgefunden hat und dass darüber berichtet wird und dass darüber eben auch auf anderen Kanälen berichtet wird, nicht nur in der Tagesschau oder an solchen Orten, sondern eben im Internet bei Snapchat meinetwegen oder an anderer Stelle - das bringt die Interessenten und die Zielgruppe doch näher an das Thema heran.
Buchmann: Hashtag "DeineWahl" - vier YouTuber haben Bundeskanzlerin Angela Merkel interviewt. Einschätzungen dazu waren das von Politikwissenschaftler Erik Meyer. Vielen Dank!
Meyer: Ich danke Ihnen!
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