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ZDF-Rating-Skandal
Einmal richtig durchstarten, bitte!

Nach den Manipulationen bei der Sendung "Deutschlands Beste" ist ZDF-Showchef Fuchs zurückgetreten. Doch reicht das, um das Fehlverhalten im Cockpit einer der größten europäischen Fernsehanstalten zu erklären oder gar zu entschuldigen? Mayday, Mayday, ruft jedenfalls unser Autor Christian Floto.

Von Christian Floto | 19.07.2014
    Moderator Johannes B. Kerner (r) sitzt in Köln (Nordrhein-Westfalen) in der ZDF-Show "Deutschlands Beste - Männer" neben seinen Gästen: Comedian Olaf Schubert (l-r), Comedian Michael «Bully» Herbig, Sportlerin Maria Höfl-Riesch, Journalist Claus Kleber, Sportler Franz Beckenbauer und Moderator Günther Jauch. Im Hintergrund ein Bild von Politiker Helmut Schmidt, der auf Platz Eins gewählt wurde.
    Moderator Johannes B. Kerner (r) sitzt in der ZDF-Show "Deutschlands Beste - Männer" neben seinen Gästen: Comedian Olaf Schubert (l-r), Comedian Michael «Bully» Herbig, Sportlerin Maria Höfl-Riesch, Journalist Claus Kleber, S (picture alliance / dpa / Caroline Seidel)
    Von wegen "Et hätt noch immer jot gejange": Der Schwindel ist aufgeflogen, der Schachturm rausgeworfen, damit der König geschützt wird. Das hier gespielte Mainzelschach ist schnell durchschaut. Dabei war Oliver Fuchs, der nun zurück oder raus getretene Showchef des Senders, vor zwei Jahren die wichtigste Personalie des frisch ins Amt gekommenen Programmdirektors Dr. Norbert Himmler und auch Intendant Dr. Bellut wollte ihn unbedingt. Nun müssen sich beide Herren fragen lassen, was für einen Narren sie eigentlich an ihm, einem abgebrochenen Fotoingenieurstudenten mit Produktionserfahrung auch zu eher läppischen Privatfernsehformaten, gefressen hatten.
    Zwei Jahre Showchef Fuchs haben immerhin ausgereicht, den Dinosaurier deutscher Fernsehunterhaltung, "Wetten, dass ...?" so zu verhunzen, dass er schlachtreif wurde. Schwamm drüber. Doch der Zahn der Zeit wird über die durch manipulierte Rankinglisten entstandene Wunde wohl kein Gras wachsen lassen. Zu schwer wiegt die Beschädigung. Da sollten Deutschlands Beste präsentiert werden. Was für ein Anspruch! Und was für eine Schnapsidee, für so ein dem Grunde nach informationshaltiges Format im Riesentanker ZDF ausgerechnet die Hauptredaktion Show damit zu beauftragen, die damit heillos überfordert war. Worum ging es also? Hauptsächlich jemanden mit Promi-Aura und Beliebtheits-Nimbus durch Lichtbatterien, Showeffekte und dem ganzen Brimborium aus dem Besteckkasten der Gute-Laune-Illusionisten zum Zwecke der allgemeinen Kurzweil vorzuführen? Also im besten Falle Unterhaltung, nicht Untenhaltung?
    Korrektheit, Transparenz und Lauterkeit
    Dann aber hätte man klugerweise auf den Seriositätsweihrauch in Gestalt pseudoempirischer Realitätsermittlung verzichten können. Kein Problem, frei nach Goethes Vorspiel zum Faust: Hineingreifen ins volle Leben. Die ersten Besten präsentieren. Und nicht wie Pippi Langstrumpf die Welt so basteln, wie es gerade gefällt. Zwei schwerwiegende Fehler auf einmal: die Verhohnepipelung des staatlichen ZDF-Auftrags, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit zu vermitteln. Und der Missbrauch eines wichtigen wissenschaftlichen empirischen Forschungsinstruments als Schutzmantel eigener Ranking-Heimbastelarbeit. Der Showchef ist fort, Intendant und Programmdirektor bleiben, der Fernsehratsvorsitzende ruft in erwartbarer Politikermanier nach einzubeziehenden Experten in solche Sendungen. Dabei geht es lediglich um Korrektheit, Transparenz und Lauterkeit, dem Gegenteil von Allmachtsfantasien und redaktionellem Willkürgewichtel.
    Dieser Fall beschert den Verbleibenden die Chance, in Zeiten zunehmenden Legitimierungsdrucks ihre Ziele und die Mittel zu deren Erreichung grundlegend zu überdenken. Programmdirektor Himmler, der ZDF neo erfolgreich unter Bedingungen von liebevollem Welpenschutz aufbaute, merkt ein weiteres Mal, dass er keine kleine Cessna mehr steuert, sondern eine 747. Durchstarten wäre jetzt wohl das richtige Kommando. Go around. Besser vielleicht sogar: Turn around.