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Zehn Jahre Kultusministerin Annette Schavan in Baden-Württemberg

Annette Schavan war von 1995 bis 2005 Kultusministerin in Baden-Württemberg. Was hinterlässt sie ihrem Nachfolger Helmut Rau? Wie ist die Bilanz dieser zehn Jahre? Was war gut? Was hätte besser sein können?

Von Cajo Kutzbach |
    Annette Schavan, da sind sich alle einig, hat viel bewegt in Baden-Württemberg. Sie machte bewusst, wie wichtig Bildung für die Gesellschaft ist. Christiane Stab, Vorsitzende des Landeselternbeirats:

    "Das ist sicherlich eines der ganz großen Aufgabengebiete, dass sie mit Bravour bewältigt hat: Auch heraus zu stellen, dass Schule und Bildung nicht erst mit dem Einstieg in die erste Klasse beginnt, sondern, dass wir schon sehr viel früher anfangen müssen uns darum zu kümmern, was und wie lernen kleine Kinder."

    Auch Karl-Heinz Wurster vom Philologenverband anerkennt, dass sie Lehrerstellen geschaffen hat, so dass die Lehrerversorgung - verglichen mit anderen Bundesländern - verhältnismäßig gut sei. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - traditionell schärfster Kritiker des Kultusministeriums - weiß ebenfalls, was sie an Annette Schavan hatte. Landesvorsitzender Rainer Dahlem:

    " Die zehn Jahre Kultusministerin Annette Schavan in Baden-Württemberg waren geprägt von einem ziemlich heftigen Veränderungstempo. Und die Landesregierung von Baden-Württemberg hat in dieser Zeit relativ geräuschlos, ohne großes Trara über 10000 zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer geschaffen, was angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte bemerkenswert ist."

    Die von den Philologen abgelehnte Einführung einer Fremdsprache ab der ersten Grundschulklasse, die Streichung der neunten Klasse im Gymnasium, mehr Pflichtfächer in der Oberstufe, die Reform der Mittelstufe und das Kopftuchverbot, all das brauchte Standvermögen. Die landesweite Einführung des achtjährigen Gymnasiums im letzten Schuljahr schuf auch Probleme. Dem Elternbeirat wäre eine gestaffelte Einführung lieber gewesen, damit die Schulen erst die nötigen Räume und die Betreuung hätten einrichten können. Jetzt klemmt es immer noch. Christiane Stab:

    " Nach wie vor ist an den meisten Gymnasien die Mittagsbetreuung ein sehr großes Problem. Es gibt keine Speiseräume in denen die Kinder ein Mittagessen einnehmen können. Es gibt oftmals keine Bibliotheken oder Ruheräume in denen Hausaufgaben erledigt werden können."

    Das betrifft auch die Lehrer, deren Lehrerzimmer oft für vernünftiges Arbeiten zu klein sind. Bitten Schulen aber Stadt oder Landkreis um Geld, um räumliche Mängel abzustellen, oder Lehrmaterial für die neuen Lehrpläne zu kaufen, lehnen diese mit dem Hinweis ab, das Kultusministerium habe versprochen, dass die Reform sie nichts kostet.

    " Dieser Punkt der Kostenneutralität, der immer über diese Reformen, wie jetzt der Bildungsplanreform stand, entpuppt sich im Nachhinein als sehr unglückliches Konstrukt."

    Auch die 265 Stunden der früheren neunten Klasse des Gymnasiums ließen sich nicht alle streichen. Jetzt stöhnen Schüler über die Mehrarbeit und es wird diskutiert, ob man Samstags wieder unterrichten solle. Auch die Lehrer haben noch nicht alle Reformen verkraftet. Rainer Dahlem:

    " Frau Schavan hat es gelegentlich an der handwerklich soliden Umsetzung fehlen lassen. Die Reform war dann in Gang gesetzt, wenn sie per Pressekonferenz verkündet war, aber es fehlte dann die handwerkliche Umsetzung in die 4000 Schulen. Und der zweite kritische Punkt: Dass es mit zunehmender Amtsdauer, vielleicht auch mit zunehmender Ungeduld, was die Veränderungs-Notwendigkeiten angeht, bei Kultusministerin Schavan an der Dialogbereitschaft mit den Betroffenen, und zwar sowohl Lehrerinnen und Lehrer, als auch Eltern, als auch Schülerinnen und Schüler gefehlt hat."

    Fazit: Annette Schavans Bildung, ihre rhetorische Begabung und ihr beharrliches Engagement für mehr Bildung werden einhellig gelobt. Kritik gibt es aber für Tempo, Finanzierung und Umsetzung.