Dienstag, 19. März 2024

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Zeitungen in den USA
Gewerkschaft fordert Hilfspaket für die Presse

Mit der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Arbeitslosen in den USA bisher auf knapp 40 Millionen - darunter etwa 36.000 Journalisten und Journalistinnen, die ihre Jobs bereits verloren haben oder um eine Weiterbeschäftigung bangen müssen. Entlassen werden in den Redaktionen als erstes nicht-weiße junge Menschen. Experten fürchten das Ende der mühsam erkämpften Diversität.

Von Andreas Robertz | 04.06.2020
US-Präsident Donald Trump spricht nach der Vorstellung seiner Steuerreform im Weißen Haus zur Presse.
Die Zahl der unabhängigen Medienberichterstatter in den USA schrumpft (AFP/Saul Loeb)
Jon Schleuss, Chef der Mediengewerkschaft NewsGuild: "Zuerst müssen die Jüngeren gehen; oft repräsentieren gerade diese Mitarbeiter aber die Vielfalt der Gesellschaft. So verlieren wir die Gemeinden mit People of Color. Und das gerade jetzt während der Pandemie, in der die Infektions- und Sterberaten für People of Color überproportional groß sind und sie weniger Zugang zu medizinischer Versorgung haben als weiße Menschen. Das macht das Problem noch viel größer. Dieser Trend ist sehr beunruhigend."
Jon Schleuss ist seit letztem November Chef der mit 25.000 Mitgliedern größten US-amerikanischen Mediengewerkschaft NewsGuild. Und mit seiner Wahl fand auch ein Generationswechsel innerhalb der Gewerkschaft statt.
"Keine Demokratie ohne eine freie Presse"
Das merkt man schon an seinen Anliegen: Er forderte mehr Diversität in den Redaktionen, eine sensiblere Sprache gegenüber non-binären Journalisten wie Trans- und Queer-Reportern, sichere Arbeitsplätze mit klaren Regeln gegen Sexismus und Rassismus und eine starke Stimme für freischaffende Autoren, die sich nach dem amerikanischen Pressegesetz selber nicht in einer Gewerkschaft organisieren dürfen. Und sein erfrischender Elan scheint zu überzeugen:
"In nur zwei Jahren haben wir 3.000 neue Mitglieder hinzugewonnen. Das ist ein riesiger Zuwachs. Die Leute wollen ihre Arbeitsplätze retten. Wir können keine Demokratie ohne eine freie Presse haben. Und Journalisten wollen raus in unsere Gemeinschaften und deren Geschichten erzählen, damit diese Demokratie weitergeht. Es ist absolut herzzerreißend, was hier passiert, dabei wollen die Leute nur ihre Arbeit machen."
Forderung nach Hilfspaket für die Medien
Die Pandemie droht, für viele Publikationen das Ende zu bringen, weil lebenswichtige Einnahmen durch lokale Werbung entfallen. Deshalb fordert Jon Schleuss die Regierung auf, ein Hilfspaket für die Rettung der amerikanischen Presselandschaft zu verabschieden – ein nicht unumstrittener Vorschlag, da viele ältere Kollegen um ihre Unabhängigkeit als Journalisten fürchten. Doch Jon hat Angst, dass die Presselandschaft anders nicht überleben wird.
"Wenn wir als amerikanische Journalisten eines wollen, dann unabhängig sein, vor allem von einer Regierung, damit wir kritisch über sie schreiben können. Durch die Pandemie und den Rückgang der Werbeeinnahmen haben in den letzten zwei Monaten bereits 30 Zeitungen geschlossen. Und das zusätzlich zu den 2.000 der letzten zehn Jahre. Jetzt haben wir ganze Landstriche, die wir als Nachrichtenwüste bezeichnen. Da gibt es gar keine lokalen Redaktionen mehr."
Kontrollinstanz für Polizei, Politik und Gesellschaft fällt weg
Keiner, der den örtlichen Verwaltungen, den Richtern oder der Polizei auf die Finger schaut; keiner, der über die Belange der Gemeinde berichtet; niemand, der eine alternative Sichtweise anbietet. Das fördert Korruption und Parteilichkeit, ein enormes Problem innerhalb der amerikanischen Gesellschaft, in der immer mehr Menschen in einer ideologischen Blase leben – der Tod der Demokratie, findet Jon Schleuss.
Wenn man an Donald Trumps Tiraden gegen die Presse denkt, fällt es schwer zu glauben, dass man mit einem solchen Vorschlag in Washington Gehör finden kann. Doch Jon Schleuss Erfahrungen sprechen da eine andere Sprache:
"Viele Republikaner und Demokraten unterstützen unseren Vorschlag, weil sie sich um ihre lokalen Redaktionen sorgen. Da mag der Präsident noch so gegen die Presse und einzelne Reporter wettern, 99 Prozent aller Journalisten berichten nicht auf nationaler Ebene. Sie berichten über lokale Themen. Und diese Themen sind für Republikaner wie Demokraten überall im Land enorm wichtig."
Repression gegen Journalisten wächst
Die jetzige Situation auf den Straßen nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd in Minneapolis beweist für Jon Schleuss, wie notwendig freie Berichterstattung vor Ort ist. Denn die unverhohlene Aggression, mit der Polizeikräfte klar gekennzeichnete Journalisten attackieren, bedrohen, beschießen und einsperren, um sie einzuschüchtern, zeigt, wie gefährdet die Demokratie in den USA bereits ist.
"Wir werden für dieses Hilfspaket kämpfen, um Journalismus und die freie Presse als einen Ausdruck unserer Demokratie zu retten und zu beschützen. Wenn wir das nicht tun, riskieren wir, die Demokratie zu verlieren."