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Zellophan
Eine Alternative zu Plastikverpackungen

Das Verpackungsmaterial Zellophan hat einige Eigenschaften, die es von anderen Kunststoffen abheben. Und es ist vergleichsweise umweltverträglich, denn es wird in der Regel aus Holz gewonnen und ist damit kompostierbar. Doch es gibt einen Nachteil, der einer größeren Verbreitung im Wege steht.

Von Benjamin Dierks | 14.02.2020
André Lehmann reibt einen langen, leicht gewundenen Schlauch aus transparenter Folie zwischen seinem Zeigefinger und seinem Daumen. Der Chemiker am Fraunhofer-Institut für angewandte Polymerforschung in Potsdam untersucht normalerweise modernste Fasern und Folien. Aber auch dieses hauchdünne, etwas steife Material, das zwischen seinen Fingern knistert, ist Bestandteil seiner Forschung, obwohl es alles andere als neu ist.
"Das ist Zellophan, ich habe mal einen Schlauch mitgebracht. Sie hören diesen Klang, das ist immer schon ein gutes Zeichen, dass es Zellophan ist."
Zellophan hat ganz besondere Eigenschaften
Zellglas, Glashaut, Glaspapier — Zellophan hat viele Bezeichnungen und ist die älteste Folienverpackung für Lebensmittel. Vor über 100 Jahren wurde sie erfunden. Und obwohl seit den 1960er-Jahren Kunststoffe wie Polyethylen auf den Markt kamen, die viel einfacher zu produzieren sind, wird die Zellglasfolie auch heute noch verwendet. Das liegt vor allem an ihren besonderen Eigenschaften.
"Das ist auch der wichtige Punkt bei der Zellulose oder Viskose, sei es Zellophan oder Viskosefasern, dass dort Eigenschaften sind, die bisher mit den ölbasierten Materialien, bei allem Siegeszug, die die angetreten haben, nicht erreicht werden können."
Der Folienschlauch, den Lehmann in Händen hält, wird verwendet, um Wurst zu kochen. Die Zellophan-Haut hält die Fleischfüllung in Form, lässt beim Garen aber Wasser und Wasserdampf hindurch.
"Wenn man an Viskose oder Zellophan denkt, dann ist es eine super Barriere für Sauerstoff, aber eine schlechte Barriere für Wasserdampf oder Wasser. Hilfreich bei der Salami zum Beispiel, wo Sie eine Fettbarriere brauchen, wo auch Wasserdampf keine Rolle spielt. Wo es definitiv auch drum herum ist: Gewürzdosen, sei es jetzt Thymian, Rosmarin oder ähnliches, da ist außen eine Art Schrumpffolie herum, und das ist ein Zellophanschlauch, damit die Gewürze nicht oxidieren und die Würzkraft verlieren."
Zellophan ist kompostierbar und biologisch abbaubar
Im Labor des Potsdamer Fraunhofer-Instituts steht eine Art Fabrik in Miniaturformat, mit deren Hilfe André Lehmann und seine Kollegen die Produktion von Zellophan und der Viskose-Faser, die Zellophan sehr ähnlich ist, weiterentwickeln wollen.
"Das ist eine Blaschke-Anlage aus dem Jahre 1967. Und die benutzen wir, um sehr industrienah den Viskoseprozess abzubilden. Hier wird also die Viskoselösung hergestellt."
Das Ergebnis tropft an einem Laborstand daneben langsam in ein Reagenzglas – eine goldgelbe, zähflüssige Masse, die an Honig erinnert. Zellulose wird in der Regel aus Holz gewonnen. Dadurch sind die Produkte aus Zellophan oder Viskose kompostierbar und biologisch abbaubar.
"Zu Hause, wenn es wirklich eine reine Zellophanpackung ist, braucht man sich nicht zu scheuen, sie auf den Hauskompost zu werfen. Die verrottet."
Herstellung ist aufwendig und macht das Produkt teuer
Zumindest wenn es um die Entsorgung geht, ist Zellophan also eine umweltfreundliche Alternative zu ölbasiertem Kunststoffmüll, der Natur und Ozeane verschmutzt. Trotzdem ist es ein Nischenprodukt. In Europa werden jedes Jahr rund 60 Mio. Tonnen Kunststoff produziert, davon etwa 40 Prozent für Verpackungen, aber nur 150.000 bis 200.000 Tonnen Zellophan und rund sechs Millionen Tonnen Viskose-Faser. Ein Grund für die vergleichsweise geringen Mengen ist die aufwändige Herstellung. Anders als erdölbasierte Kunststoffe kann Zellulose nicht einfach eingeschmolzen werden, sondern wird gelöst. Dafür wird nicht nur viel Wasser und Holz verbraucht, sondern auch giftige Schwefelsäure. Und aus einer Tonne Lösung werden nur 80 bis 90 Kilogramm Zellophan gewonnen.
"Da kommt die Ökonomie mit ins Spiel. Das bedeutet natürlich, dass solche Produkte, die ich aus Lösung hergestellt habe, teurer sind, als jene, die ich durch Schmelze hergestellt habe. Bei allen tollen Eigenschaften, am Ende ist es auch immer eine Preisfrage, ganz klar."
Im Labor erforschen die Fraunhofer-Experten deshalb, wie sich Zellophan und Viskose in weniger aufwendigen Verfahren herstellen lassen. Ihr Ziel: Dass Zellophan und Viskose künftig noch häufiger verwendet werden und schädlichere Kunststoffe ersetzen.