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Zentralrat der Sinti und Roma: Denkmal in Berlin wird im nächsten Jahr eingeweiht

Anlässlich des 60. Jahrestages des so genannten "Auschwitz-Erlasses", in dem die Ermordung deutscher und europäischer Sinti und Roma besiegelt wurde, hat sich der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, zuversichtlich gezeigt, dass im nächsten Jahr in Berlin ein Mahnmal der Öffentlichkeit übergeben werden kann. Gespräche im Bundeskanzleramt dazu seien "sehr positiv verlaufen".

Moderation: Christoph Heinemann | 15.12.2006
    Christoph Heinemann: Der Bundesrat hat der Opfer des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma gedacht. Bundesratspräsident Harald Ringstorff erinnerte zu Beginn der Sitzung der Länderkammer in Berlin daran, dass damals Schätzungen zufolge eine halbe Million Menschen ums Leben gekommen seien. Das Leid der Ermordeten und Hinterbliebenen verpflichte dazu, immer wieder neu zu erinnern und achtsam zu sein, damit das, was damals geschah, nie wieder geschieht, sagte der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. Anlass dieser Erinnerung war das Datum: der 15. 12. Heute vor 60 Jahren erging der so genannte "Auschwitz-Erlass", in dem die Ermordung deutscher und europäischer Sinti und Roma besiegelt wurde. Am Telefon ist Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma. Guten Tag!

    Romani Rose: Einen schönen guten Tag Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Rose, wie erinnert der Zentralrat heute an den so genannten "Auschwitz-Erlass"?

    Rose: Heute ist im Bundesrat eine Gedenkfeier abgehalten worden zur Erinnerung an Himmlers "Auschwitz-Erlass" vom 16. Dezember 1942, wo die noch im deutschen Reich verbliebenen Sinti und Roma in das Konzentrationslager Auschwitz verbracht worden sind. Insgesamt kamen nach Auschwitz Sinti und Roma aus elf Ländern.

    Heinemann: Jetzt haben sich während eines europäischen Forums in Straßburg Vertreter der Sinti und Roma im vergangenen Monat über Diskriminierung beschwert, beklagt. Gilt das auch für Deutschland?

    Rose: Natürlich gibt es auch in Deutschland Diskriminierungen und Rassismus, aber man muss unterscheiden. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein gewachsener demokratischer Staat und man setzt sich mit Missständen hier in der Bundesrepublik auf demokratische Weise auseinander. Das heißt die Öffentlichkeit ist dafür da, diese Missstände eben auch abzuschaffen, und das geschieht sehr oft in der Bundesrepublik.

    Heinemann: Wo ist denn die Lage im Augenblick besonders schlimm?

    Rose: Das ist vor allen Dingen in den osteuropäischen Ländern wie in Rumänien, aber auch in Bulgarien, aber auch in Tschechien oder in der Slowakei, um nur einige Beispiele zu nennen. Sinti und Roma sind die größte Minderheit in Europa. Die Europäische Union geht von zwölf Millionen Angehörigen dieser Minderheit aus. Da hat die Politik eine besondere Verantwortung, insbesondere nach der Erfahrung des Dritten Reiches, weil ja Sinti und Roma genauso wie Juden Opfer eines systematischen und planmäßigen Holocaust waren, der im gesamten Einflussbereich der Nationalsozialisten von diesen durchgeführt wurde.

    Heinemann: Was können die Regierungen in diesen Ländern denn tun?

    Rose: Ich habe Sie jetzt nicht verstanden.

    Heinemann: Was können die Regierungen in diesen Ländern, in denen die Situation besonders beklagenswert ist, denn tun?

    Rose: Die Regierungen oder die verantwortlichen Politiker müssen deutlich machen, dass Angehörigen der Minderheit, die in ihren Ländern seit vielen Jahrhunderten leben, Bürger ihres Landes sind und sie müssen sichtbar vor der Bevölkerung gegen jede Form von Diskriminierung deutlich entgegentreten. Nur so kann endlich das Bewusstsein gefördert werden, dass Sinti und Roma nationale Minderheiten in den jeweiligen Heimatländern sind, in denen sie seit vielen Jahrhunderten leben, ähnlich wie jüdische Menschen in Europa lebten. Jede Form von Rassismus ist genauso abzulehnen und dem entgegenzuwirken wie dem Antisemitismus. Wer die Geschichte in der Verantwortung aufteilen will, wird der Verantwortung der Geschichte nicht gerecht.

    Heinemann: Stichwort Aufteilen, Herr Rose. Bedauern Sie, dass es kein gemeinsames Mahnmal für die Ermordung der Juden und der Sinti und Roma gibt?

    Rose: Nein! Diese Geschichte der Diskussion, die lassen wir jetzt hinter uns. Ich bin davon überzeugt und die Gespräche sind im Bundeskanzleramt mit dem Kulturstaatsminister und mit Herrn Schäfer - das ist der Staatssekretär - sehr positiv verlaufen, und ich bin davon überzeugt, dass wir auch im nächsten Jahr dazu übergehen werden, das Denkmal für die europäischen Sinti und Roma hier im Zentrum von Berlin der Öffentlichkeit, der deutschen Öffentlichkeit zu übergeben.