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ZEW-Studie
Deutsche Bank hat Kapitallücke von 19 Milliarden Euro

Deutschlands größtes Geldinstitut hätte im Falle einer neuen Finanzkrise nicht genügend Eigenkapital. Zu diesem Schluss kommt das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in einer Studie. Die Experten legten strengere Kriterien zugrunde als die Bankenaufsicht EBA. Die Deutsche Bank kann die Zahlen nicht nachvollziehen.

Von Michael Braun | 10.08.2016
    Dunkle Wolke ziehen am 17.12.2011 über den Doppeltürmen der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main auf.
    Die Sorgen der Deutschen Bank werden nicht weniger. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Es ist nicht das erste Mal, dass die Mannheimer Bankexperten vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung den Stresstest der europäischen Bankenaufsicht unter die Lupe genommen haben. Auch diesmal genügte ihnen das Stressszenario nicht, dass im offiziellen Test angenommen worden war, etwa ein deutlicher Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Da so etwas nicht ohne Folgen beispielsweise für die Aktienmärkte bleibt, haben der Finanzwissenschaftler Sascha Steffen und seine Kollegen auch ein Szenario durchgerechnet, in dem der globale Aktienmarkt um 40 Prozent einknickt und dennoch ein Mindestmaß an Eigenkapital bei den Banken gewahrt sein soll. Steffen hält solch scharfe Kurseinbrüche durchaus nicht für übertrieben in einem Stresstest:
    "Ich denke, es ist ein realistisches Szenario. Weil es ist im Prinzip genau das, was wir gesehen haben 2008 im Herbst, was passiert ist, als Lehman Brothers Insolvenz angemeldet hat. Dasselbe, was wir gesehen haben im Herbst 2011, also die Krise in Europa sich verstärkt hat. Da haben wir im Schnitt 40 Prozent oder mehr Einbrüche zumindest in den Bankaktien gesehen. Von daher ist es nicht übertrieben."
    Niederschmetterndes Ergebnis
    Das Ergebnis war entsprechend niederschmetternd für die Bankenwelt. Die Europäische Bankenaufsicht EBA hatte für 51 europäische Banken im Test einen Fehlbetrag von 5,6 Milliarden Euro festgestellt. Die ZEW-Forscher kamen allein für die 34 börsennotierten europäischen Banken unter ihrem Szenario eines weltweiten Kurseinbruchs von 40 Prozent auf Kapitallücken von 675 Milliarden Euro. Allein der Deutschen Bank fehlten bei diesen Annahmen 60 Milliarden Euro Eigenkapital.
    "Wir können die vom ZEW genannte Zahl nicht nachvollziehen", sagt die Deutsche Bank zu den Ergebnissen der Mannheimer Forscher. ZEW-Finanzwissenschaftler Steffen steht aber zu seinen nahezu vernichtenden Schlussfolgerungen:
    "Im Prinzip sagen die Ergebnisse, dass die Banken zu wenig Eigenkapital haben. Und dass vor allen Dingen auch die Situation sich seit 2014 nicht verbessert, sondern verschlechtert hat. Und dass die Banken scheinbar auch nach dem letzten Stresstest nicht darauf reagiert haben. Man kann nur sehen, dass die Banken nicht mit hinreichend Kapital ausgestattet sind, um erneute Stressszenarien ohne Weiteres zu überstehen."
    ZEW-Forscher kritisieren überdies die Bankenaufsicht
    Was tun in einer Zeit, in der Banken wegen der niedrigen Kurse und der schlechten Gewinne kaum Eigenkapital besorgen können? Der Frankfurter Finanzwissenschaftler Jan-Pieter Krahnen setzt auf Schrumpfung der Branche:
    "Die Bankensysteme, die wir jetzt in vielen europäischen Ländern sehen, zeichnen sich im internationalen Vergleich ganz besonders durch ihre fehlende Profitabilität aus. Die Banksysteme in Europa sind zu groß. Sie haben zu viele Beschäftigte. Sie verwenden zu alte Technologien. Und das in einer großen Breite."
    Und die ZEW-Forscher kritisieren überdies die Bankenaufsicht, die nie die Dividendenpolitik der Banken ins Auge gefasst hat und deshalb zum Beispiel in Italien zugelassen hat, dass Aktionäre bedient wurden – und nicht das Eigenkapital.