
Andreas Mattner: Bei allem Lob für die Mühe, die man an den Tag gelegt hat – in der Tat: Die Zahlen zeigen – dabei kommt es auch nur auf die Fertigstellungszahlen an -, es ist zu wenig gebaut worden. Pro Jahr 2018/2019 sollten es 375.000 Wohnungen sein. Es waren in Wahrheit aber nur 300.000. Man hätte dann im letzten Jahr 450.000 bauen müssen. Das ist nicht erreicht worden. Es gab eine Tendenz auch schon im letzten Jahr. Die ist positiv. Das muss man auch hervorheben. Aber die Ziele sind nicht erreicht worden und da ist natürlich auch klar der Fakt zu sehen: Der Staat ist nicht der richtige Bauherr. Der Löwenanteil wird – und das sind 95 Prozent – von den privaten Firmen gebaut und die muss man unterstützen und nicht drangsalieren.
Mattner: Na ja. Ich bin immer gegen Schwarz-Weiß-Sichtweisen. Man hat einiges getan, was richtig ist, aber auch einiges getan, was falsch ist, und das muss man genau analysieren. Die richtigen Schritte wollen wir weiter nach vorne bringen, überhaupt auch den Willen, das Bauen zu unterstützen. Das war schon gut. Aber wir müssen jetzt ausmerzen, was falsch gelaufen ist, was noch fehlt aus der Vergangenheit, was man verbessern kann. So ist der Weg in der Mitte der richtige.
"Von einer sozialen Schieflage zu reden, geht mir zu weit"
Mattner: Das ist schon wieder ein wenig übertrieben dargestellt. Es gibt Engpässe in den Top-Metropolen. Das hat sich nicht geändert. Man kann aber daran arbeiten, etwa mit einem verbesserten Wohngeld. Teilweise ist es wieder eingeführt worden, aber nicht in dem richtigen Umfang. Aber von einer sozialen Schieflage zu reden, das geht mir zu weit. Im Gegenteil! Wir müssen jetzt schauen, dass wir anstelle von sozialen Schieflagen mehr Bauen schaffen und daran sollten wir alle gemeinschaftlich arbeiten, auch der Mieterbund.
Mattner: Das entspricht ja schon gar nicht den Fakten. In allen Städten gibt es heutzutage – vor allen Dingen in den großen Städten, wo wir die Probleme haben; wir haben sie ja nicht auf dem Land oder in der Peripherie – den sogenannten Drittelmix. Das heißt, die Investoren werden von vornherein schon verpflichtet, ein Drittel Sozialwohnungen, ein Drittel Mietwohnungen und gegebenenfalls noch ein Drittel Eigentumswohnungen zu bauen. Wir brauchen den gesamten Markt. Wer nur einseitig auf ein Segment setzt, wird genauso scheitern. Deswegen plädiere ich ja für ausgewogene, für differenzierende Lösungen und nicht für Einseitigkeit.
"Planungs- und Genehmigungsprozesse sind und bleiben zu komplex"
Mattner: Das ist wahr, weil die Planungs- und Genehmigungsprozesse sind und bleiben zu komplex. Daran hat man nicht ausreichend gearbeitet. Im Gegenteil: Jeden Tag, vor allen Dingen auch in den SPD-Teilen der Bundesregierung, ist von weiteren Mietregulierungen die Rede. Wer Mieten reguliert, wird keine Wohnungen bauen. Das steht fest. Gerade die neuere Aussage der Bundesjustizministerin geht komplett in die falsche Richtung. Wir hatten seit 1990 eine Vervierfachung der Bauvorschriften. Es sind dann von 5.000 20.000 Bauvorschriften geworden. Das kann doch nicht wahr sein. Das müssen wir abbauen und nicht auch noch die Mieten regulieren.
Barenberg: Welche wollen Sie denn abbauen? Welche wollen Sie los werden, welche Bauvorschriften?
Mattner: Sehr viele! Wir müssen nach wie vor noch die Landesbauordnungen weiter harmonisieren. Und vor allen Dingen: Wir brauchen keine weiteren Eingriffe in das Mietrecht. Das Gegenteil wird damit erzielt. Das zeigt sich allenthalben, vor allen Dingen auch beim Mietendeckel in Berlin. Wir sind aus dem Wohngipfel, von dem vorhin die Rede war, 2018 rausgeschickt worden in eine Gruppe, die ein Bauland-Mobilisierungsgesetz schaffen sollte, und ich bin davon ausgegangen, wir denken uns dort nur Dinge aus, wie wir Prozesse entschlacken, wie wir schneller Bauland zur Verfügung stellen. Stattdessen sind einige gute Dinge dort gemacht worden, aber dann wiederum sind neue Regulierungen eingebaut worden. Wer ein Bauland-Mobilisierungsgesetz macht, darf nicht neue Regulierungen erfinden.
Barenberg: Welche sind das denn, Herr Mattner?
Mattner: Zum Beispiel ist ausgeweitet worden: die Vorkaufsrechte der Kommunen. Früher war es so: Man durfte nur aus städtebaulichen begründeten Dingen ein Vorkaufsrecht ausüben gegenüber einem Investor. Jetzt kann man das allenthalben machen. Das bedeutet, dass die Risiken enorm groß sind, wenn ein solches Vorkaufsrecht droht. Dann geht das Projekt kaputt. Dann will keiner bauen. Dann sind B-Pläne eher verkompliziert worden. Es sind viele Dinge da reingekommen, die Regulierungen sind, aber nicht Entschlackungen.
"Wir brauchen nicht zusätzliche Regulierungen, um Wohnraum zu schaffen"
Mattner: Das sehe ich nicht so. Ein Investor fängt an, bietet sehr viel Geld auf, um das ganze Projekt zu entwickeln, und dann kommt so ein Damokles-Schwert und nimmt ihm das Grundstück weg. Stattdessen wäre es doch richtig, in Abstimmung mit dem Investor das, was dort benötigt wird, sei es Mietwohnungsbau, sei es sozialer Wohnungsbau, abzusprechen. Das Land und vor allen Dingen die Kommunen hatten doch vorher schon ausreichend Möglichkeiten, das mit dem Investor abzustimmen. Schließlich geben sie ja auch die Baugenehmigung. Wir brauchen nicht zusätzlichen Overhead. Wir brauchen nicht zusätzliche Regulierungen, um Wohnraum zu schaffen. Das schreckt ab. Das sehen Sie auch in Berlin.
Niemand würde mehr bauen wollen, gäbe es einen echten Mietendeckel
Mattner: Das beginnt damit, wenn es einen echten Mietendeckel überall in Deutschland geben würde, dass niemand mehr bauen wollte. Wenn Sie Geld investieren, wollen Sie irgendwo auch einen Hauch von Rendite sehen, und wenn das nicht möglich ist, wenn man mit seiner Hände Arbeit kein Geld verdienen kann, sondern draufzahlt, dann wird niemand mehr bauen. Die nächste These ist auch falsch, dass dadurch eine Verbesserung der Lage entsteht. Der Mietendeckel hat die Situation in Berlin verschärft. Das Angebot weiterer Wohnungen hat sich innerhalb eines Jahres halbiert. Der nächste Effekt ist, in den reichen Gegenden zahlt man jetzt nicht mehr 12, 14 oder 20 Euro, sondern die Mieten stürzen ab auf 6,45 Euro. Menschen wie Sie und ich, die hoffentlich ein mittleres Einkommen haben, freuen sich darüber, dass sie plötzlich keine hohe Miete mehr zahlen müssen, obwohl sie es könnten, und konkurrieren dann auch noch mit denjenigen, die es wirklich bräuchten. Das ist eine vollkommen falsche Richtung.
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