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Ziele des Tschetschenien-Kongresses in Kopenhagen

Spengler: Wir bleiben beim Thema Tschetschenien. Einer der Teilnehmer des internationalen Tschetschenien-Kongresses in Kopenhagen ist nun bei uns am Telefon. Es handelt sich um Eckehard Maas, den Leiter der deutsch-kaukasischen Gesellschaft. Guten Tag, Herr Maas!

    Maas: Guten Tag!

    Spengler: Herr Maas, Russland hat heftig gegen diesen ihren Kongress protestiert. Wer ist denn da so Schreckliches versammelt?

    Maas: Ja, dahinter steht natürlich, dass alle Tschetschenen aus der Sicht Russlands als Terroristen abgestempelt werden, also auch die aus vielen verschiedenen Ländern hier angereisten Vertreter der tschetschenischen Diaspora, aber auch verschiedene Vertreter von europäischen Parlamenten, die hier auftreten, die hier sprechen werden. Also, hier sind ja nicht nur Tschetschenen versammelt, aber dahinter steht natürlich eine richtig rassistische Politik gegenüber einem Gebiet, von dem man behauptet, dass es zu Russland gehöre.

    Spengler: Herr Maas, können Sie denn ausschließen, dass an dem Kongress auch Teilnehmer mitmachen, die, sagen wir mal, den Terrorismus zumindest dulden würden?

    Maas: Die sind garantiert ausgeschlossen. Es liegt hier ein Memorandum vor und auch eine Erklärung der Teilnehmer dieses Kongresses, wo alle Formen des Terrorismus eindeutig verurteilt werden. Diese Schuldzuweisung, alle Tschetschenen seien Terroristen, die ist einfach rassistisch. So etwas darf man nicht durchgehen lassen. Es ist einfach so, dass diese beiden Kriege in Tschetschenien, und besonders der letzte, und besonders die Verbrechen der russischen Soldaten zu einer Radikalisierung der Gesellschaft führen, und zwar im politischen und auch im religiösen Sinne. Wenn man erlebt, wie 80 Prozent des Landes mit international geächteten Massenvernichtungswaffen zerstört werden, also mit Vakuum-Aerosol- und Splitterbomben, mit Boden-Boden-Raketen. Sie erinnern sich an den Oktober 1999, als der zweistöckige Markt in Grosny, der belebte Markt, beschossen wurde mit einer Boden-Boden-Rakete und er hunderte von Opfern gab. Die Leute sind einfach verzweifelt, und diese Kriege, die angeblich gegen den Terrorismus gerichtet sind, die produzieren letztlich solche verzweifelten Jugendlichen, die dann irgendetwas tun wollen, um diesen Krieg anzuhalten.

    Spengler: Herr Maas, versucht dieser Kongress, irgendwelche Friedensoptionen zu entwickeln und wie könnten die aussehen?

    Maas: Das ist das Hauptthema. Es geht uns bei diesem ganzen Kongress also nur darum, irgendwelche Pläne zu entwickeln, Vorschläge zu machen, wie also eine Friedensregelung auszusehen hat, und noch einmal zu bekräftigen, dass die tschetschenische Seite, also auch die tschetschenische Regierung, dazu bereit ist, und zwar vorbedingungslos. Das wird ja von der russischen Seite immer geleugnet. Und es werden auch Schritte vorgeschlagen, und es wird auch erwartet, dass sich mehr als bisher die Weltöffentlichkeit dort einbringt, weil diese demokratischen Organisationen wie Europarat, OSZE, UNO und so weiter, weil sie angesichts dieses Krieges in Tschetschenien einfach nicht wirksam werden. Sie schauen weg, und sie fordern nicht das ein, was sie einfordern müssen von Russland, nämlich diese von Russland auch unterschriebenen Konventionen.

    Spengler: Herr Maas, was müsste denn der erste Schritt sein auf einem Weg zum Frieden in Tschetschenien?

    Maas: Also, zuerst müsste die Weltöffentlichkeit, das heißt auch die Organisationen, die ich eben genannt habe, die Dinge bei ihrem Namen nennen. Und sie müssen sich dagegen verwehren, dass man ein ganzes Volk zu Terroristen abstempelt, was idiotisch ist. Es sind nicht einmal Beziehungen nachweisbar zu irgendwelchen islamischen terroristischen Organisationen wie Al-Qaida oder dergleichen. Das sind selbständig handelnde, aus Verzweiflung handelnde Gruppen. Meine Position ist, dass die Verbrechen, selbst die schlimmsten Verbrechen, nicht den Terrorismus rechtfertigen, auch nicht diese Geiselnahme in Moskau. Das muss man auch ganz deutlich sagen. Aber man verlangt von der Weltöffentlichkeit, dass die Dinge erst mal beim Namen genannt werden, dass man hinweist auf das, was in Tschetschenien geschieht, auf diesen Staatsterrorismus, der sichtbar ist, den alle kennen, von dem alle wissen, und dass man von dort aus dann versucht, die Schritte einzufordern, die jetzt zu leisten sind. Man weiß, der Konflikt ist nur zu lösen, wenn die kämpfenden Parteien mit Verhandlungen beginnen. Das heißt, man muss mit der Regierung reden. Übrigens hat sich die tschetschenische Regierung völlig überrascht gezeigt von diesem Anschlag, wusste nichts davon und hat sich auch sofort davon distanziert und das verurteilt.

    Spengler: Das sind andere Informationen als sie Präsident Putin gegeben hat. Ich bedanke mich für das Gespräch. Das war Eckehard Maas, der Leiter der deutsch-kaukasischen Gesellschaft, der an dem Tschetschenien-Kongress in Dänemark teilnimmt, über den wir weiter berichten werden.