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Zimmermann: Buddhismus spricht innere Wünsche in uns an

Der Dalai Lama, das geistige und weltliche Oberhaupt der Tibeter, wird nach Ansicht von Michael Zimmermann, Professor für Buddhismuskunde am Asien-Afrika-Institut der Hamburger Universität, aufgrund seines Einsatzes für Gewaltlosigkeit weltweit geschätzt. Allgemein biete der Buddhismus wenig Grundlage für gewalttätige radikale Gruppen.

19.07.2007
    Klaus Remme: Der Dalai Lama beginnt heute seinen Deutschland-Besuch, das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter wird für zehn Tage Ehrengast sein. Ein Besuch mit erstaunlichem Echo im Vorfeld, allen, vor allem dem Spiegel, ist der Dalai Lama Titel und weitere 14 Seiten wert gewesen. Es kommt ein Mann zu Besuch, über den wir nicht viel wissen und der Umfragen zufolge beliebter ist als der Papst. Am Telefon ist Michael Zimmermann, er ist Professor für Buddhismuskunde am Asien-Afrika-Institut der Hamburger Universität, grüße Sie, Herr Zimmermann.

    Michael Zimmermann: Guten Morgen.

    Remme: Herr Zimmermann, wie ist dieser fast schon Popstar-Status des Dalai Lama zu erklären?

    Zimmermann: Ja nun, ich denke, der Dalai Lama verkörpert einige Eigenschaften, die in vielen von uns bewundert werden, also, allem voran natürlich seine Bescheidenheit, aber natürlich auch sein beständiger Einsatz für Gewaltlosigkeit, das sind Werte, die ja in unserer Gesellschaft, nicht nur in unserer, in allen Gesellschaften, heutzutage fast vom Aussterben bedroht sind. Und ich denke, da werden ganz innere Wünsche in uns angesprochen, die dann eben eine positive Reaktion hervorrufen.

    Remme: Ist Hamburg als erste Station zufällig gewählt?

    Zimmermann: Ich denke nicht. Es gibt in Hamburg das tibetische Zentrum, das auch Organisator dieser Veranstaltungsreihe jetzt in der nächsten Woche ist. Das feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen und ist eine der ältesten und seriösesten Einrichtungen in Bezug auf den Buddhismus in Deutschland, und ich denke, dass das kein Zufall ist, dass der Dalai Lama eine ganze Woche hier in Hamburg verweilt.

    Remme: Ich habe eingangs gesagt, Umfragen zufolge ist er beliebter als der Papst. Ist dieser Vergleich mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche aus religionswissenschaftlicher Sicht zulässig?

    Zimmermann: Ich denke, nicht ganz, denn die buddhistische Welt hat unterschiedliche Traditionen, wie sie sich vorstellen kann. Es ist ja nicht nur auf Tibet beschränkt, sondern eine Religion, die in ganz Asien und mittlerweile eben auch in Europa, in Amerika zu finden ist. Es gibt unglaublich viele kleine Gruppierungen, der Dalai Lama sticht heraus als einer der bekanntesten spirituellen Führer innerhalb des Buddhismus, aber er spricht natürlich nicht für alle Buddhisten, sondern nur für eine bestimmte Gruppierung innerhalb Tibets, wobei das natürlich nicht heißt, dass er von anderen buddhistischen Gruppen und Anhängern keine Bewunderung finden würde. Aber sprechen tut er natürlich in erster Linie nur für seine eigene Richtung.

    Remme: Es heißt immer so schnell im Zusatz, das geistige und weltliche Oberhaupt der Tibeter. Sind das getrennte Rollen, die der Dalai Lama da spielt, oder sind das Rollen, die gar nicht voneinander zu trennen sind?

    Zimmermann: Im Moment sind es Rollen, die er beide einnimmt. Aber er hat ja selbst gesagt, dass, wenn es dazu käme – wie wahrscheinlich das ist, ist eine andere Frage, dass Tibet wieder eine Art von Unabhängigkeit erlangen würde –, dass er dann nicht mehr die Rolle des weltlichen Oberhauptes einnehmen würde, sondern dass an eine demokratisch gewählte Regierung abgeben würde.

    Remme: Spätestens seit dem 11. September 2001, Herr Zimmermann, ist ja die Religion wieder ganz oben auf der politischen Tagesordnung angekommen. Welche Rolle spielt denn der Buddhismus im Konzert der Weltreligionen?

    Zimmermann: Ich denke, der Buddhismus ist natürlich weit weniger im Zentrum der Tagespresse, als was wir in den letzten Jahren über den Islam gelesen haben. Es ist schwierig sicherlich, im Buddhismus auch für radikalere Gruppen, die es in dieser Form kaum gibt, für Gewalt einzutreten. Das liegt darin, dass es eine sehr starke Friedfertigkeit von Anfang an im Buddhismus gab, besonders auf den privaten Bereich beschränkt, nicht nur beschränkt, sondern im Zentrum, und das liegt in den historischen Ursprüngen. Ich weiß nicht, ob ich dazu ein bisschen was sagen soll?

    Remme: Ist es denn übertrieben, von einem Desinteresse des Buddhismus an Politik zu sprechen?

    Zimmermann: Desinteresse ist vielleicht zu stark gesagt, aber der Ursprung liegt eben in asketischen Gruppierungen, die aus der Gesellschaft ausgestiegen sind, die Gesellschaft verlassen haben, ihren Beruf aufgaben, Familienbande schnitten, um in abgelegen Regionen Übungen nachzugehen – das ist natürlich nicht gerade eine Voraussetzung, um in der Gesellschaft stehend Politik zu betreiben. Und wenn Sie das mal als historische Grundlage des Buddhismus sehen, ist natürlich erklärlich, dass im Bereich der politischen Staatslehre der Buddhismus von Anfang an nicht besonders interessiert war.

    Remme: Und, Herr Zimmermann, ist dieses apolitische des Buddhismus aufrecht zu erhalten für die Zukunft, oder sieht er sich da Forderungen oder Druck ausgesetzt?

    Zimmermann: Ich würde mal unterscheiden. Politisch bedeutet natürlich nicht unbedingt, dass man einer bestimmten Partei nachfolgen muss. Vielmehr im Vordergrund stehen eher Fragen, denke ich, wie man allgemeinen, politischen Umständen, also, Thema Globalisierung – übrigens das Thema, über das der Dalai Lama auch am Wochenende sprechen wird –, wie man dem entgegentreten kann. Genügt es also, buddhistische Grundsätze auf private Praxis, auf private Übungen zu beschränken, oder muss da nicht auch ein kleiner Systemwechsel, oder sagen wir mit vorsichtigeren Worten, muss man nicht auch strukturell versuchen, in eine bestimmte Richtung zu gehen? Also, nicht parteipolitisch zu verstehen, sondern eher, welche wirtschaftlichen Strukturen wollen wir als Buddhisten? Das ist wohl eher im Zentrum.

    Remme: Und diese Reformvorstöße – wenn es sie denn gibt –, kommen sie im Buddhismus eher von unten, von der Basis, oder werden sie von oben herab praktisch, nicht erlassen, aber doch inspiriert?

    Zimmermann: Wie gesagt, es ist eine sehr dezentrale Form im Buddhismus. Es gibt kein weltliches, kein Oberhaupt innerhalb des Buddhismus, das alle Gruppen vertritt. Deshalb würde ich sagen, ist es eher auf der Basis festgelegt und auch da natürlich von verschiedensten Seiten. Also es gibt Wissenschaftler im Westen, die daran arbeiten, sich Gedanken machen, wie eine realistische buddhistische Staatspolitik aussehen könnte. Es gibt aber auch sehr interessante Ansätze aus Asien, besonders aus Thailand, wo darüber nachgedacht wird, wie moderne Formen des Buddhismus in einem Staatssystem aussehen könnten.

    Remme: Michael Zimmermann war das, Professor für Buddhismuskunde am Asien-Afrika-Institut der Hamburger Uni. Herr Zimmermann, vielen Dank für das Gespräch.

    Zimmermann: Bitte.