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Zinssenkung der US-Notenbank
Historischer Beschluss - auch für Europa

Mit seiner Zinssenkung hat sich Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank Federal Reserve, vor allem bei US-Präsident Donald Trump unbeliebt gemacht. Der hatte auf eine Serie von Senkungen gehofft, um am Ende des Wahlkampfes gut dazustehen. Die Entscheidung wird auch für die Eurozone Folgen haben.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Stefan Heinlein | 01.08.2019
Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank Federal Reserve, gibt eine Pressekonferenz nach der ersten Sitzung unter seiner Leitung.
Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank Federal Reserve: US-Präsident Trump wirft ihm vor, er habe das Land im Stich gelassen. (Carolyn Kaster/AP/dpa)
Stefan Heinlein: Die US-Notenbank Fed hat die Zinsen gestern Abend gesenkt, und zwar um einen Viertelpunkt auf 2 bis 2,25 Prozent. Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion – US-Präsident Donald Trump hat diese Entscheidung umgehend heftig kritisiert – warum?
Klemens Kindermann: Weil die Notenbank stur geblieben ist, weil sie nicht das gemacht hat, was er wollte. Das kann der US-Präsident bekanntermaßen gar nicht leiden. Dass die Notenbank die Zinsen etwas senken würde, das hatte der Notenbank-Chef Jerome Powell schon avisiert. Aber Trump wollte mehr als einen Viertelpunkt, er wollte eine Serie von Zinssenkungen, damit die US-Wirtschaft dann Ende 2020 bei der nächsten Präsidentschaftswahl fit ist, wo ja Trump wieder antreten will. Und man muss sich das wirklich so vorstellen: Trump mit der Fernbedienung in der Hand lauert auf jedes Wort von Powell, und dann kommt es:
"Es ist nicht der Beginn einer langen Serie von Zinssenkungen."
Powell sagt Trump also: nein, das machen wir nicht. Dass der Präsident außer sich war gestern Abend, wissen wir per Twitter. Der Vorwurf: Powell habe das Land im Stich gelassen.
Schutz vor Abwärtsrisiken
Heinlein: Die Wirtschaft in den USA läuft – warum jetzt dann doch diese Zinssenkung?
Kindermann: Die Notenbank fürchtet, dass die Wirtschaft in den USA schon bald in Schwierigkeiten geraten könnte. Und zwar wegen der Abwärtsrisiken durch ein schwächeres Wirtschaftswachstum und die globalen Handelskriege, wie Notenbank-Chef Powell erläutert:
"Wir wollen uns absichern gegen Abwärtsrisiken durch ein schwächeres Wirtschaftswachstum und die Unsicherheit durch die Handelspolitik."
In der Tat gibt es erste Anzeichen dafür, dass das Wachstum in den USA zurückgeht. Im ersten Quartal dieses Jahres war das Bruttoinlandsprodukt noch um 3,1 Prozent gestiegen. Im zweiten, also von April bis Juni legte es nur noch um 2,1 Prozent zu.
Und auch die Unternehmensinvestitionen gingen zuletzt – nicht dramatisch, aber immerhin – um 0,6 Prozent zurück. Die Zinssenkung ist also gewissermaßen eine Risiko-Vorsorge für die US-Wirtschaft.
Werden uns in der Eurozone nicht entziehen können
Heinlein: Hat die Zinssenkung in den USA Folgen für uns hier in Europa?
Kindermann: Ganz sicher. Das ist ja ein historischer Beschluss. Erstmals nach mehr als zehn Jahren werden die Zinsen in der wichtigsten Volkswirtschaft der Welt wieder gesenkt. Dem werden wir uns hier in Europa in der Eurozone nicht entziehen können. Nur haben wir leider nicht den gleichen Spielraum wie die Amerikaner. Die haben zwar damals in der Finanzkrise 2008/2009 – Stichwort Lehman-Pleite – die Zinsen aggressiv gesenkt, nicht lange gefackelt. Aber sie haben sie dann auch wieder hochgefahren ab 2015. Das war ziemlich klug. Während wir hier im Euro-Währungsraum auf unseren Niedrigzinsen sitzen blieben.
Heinlein: Die USA haben jetzt ein Schwert in der Hand gegen eine neue Wirtschaftskrise, wir nicht.
Kindermann: Wir können Zinsen noch in den negativen Bereich drücken oder Anleihen kaufen. Das werden wir wahrscheinlich bei der nächsten Zinssitzung der Europäischen Zentralbank im September auch sehen. Aber das scharfe Schwert, das haben nicht wir, das haben die USA.