Archiv


"Zipi Livni sieht die Dinge realpolitisch"

Der israelische Politikberater Robi Nathanson hält Israels Außenministerin Zipi Livni, für fähig, eine Politik zu betreiben, die "zu einem modernen fortschrittlichen Land" passt. Die Nachfolgerin von Ehud Olmert an der Spitze der Kadima-Partei werde als künftige Regierungschefin eine "saubere Politik" machen und auch die Gespräche mit den Palästinensern fortsetzen, ist Nathanson überzeugt.

Robi Nathanson im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Zipi Livni hat die Ärmel hochgekrempelt. Israels Außenministerin will nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden der Regierungspartei Kadima keine Zeit bei der Bildung einer neuen Regierung verlieren. Morgen werde sie beginnen, sich mit Vertretern der Knesset-Fraktionen zu treffen, um schnell eine Koalition zu bilden, die mit all den vor uns liegenden Herausforderungen fertig werden kann. So sagte sie es wörtlich. Zuvor hatte Zipi Livni die Urwahl ihrer Partei um die Nachfolge von Ehud Olmert gewonnen - knapp, sehr knapp. Am Telefon ist der Politikberater Robi Nathanson vom Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung in Tel Aviv. Guten Tag!

    Robi Nathanson: Guten Tag.

    Heinemann: Herr Nathanson, was will Zipi Livni und was sollte sich ändern?

    Nathanson: Was Zipi Livni will und tun muss ist eigentlich die Tagesordnung der Regierung fortzusetzen, die völlig zum Stillstand gekommen ist durch die Tatsache, dass Olmert paralysiert wurde durch die Verfahren, die gegen ihn eingeleitet worden sind. Das beläuft sich auch auf der außenpolitischen Ebene, das heißt Fortsetzung der Gespräche mit den Palästinensern nach Annapolis, Entscheidungen zur Budget-Politik und auch eine Prioritätenänderung in der Wirtschaftspolitik selbst mit einer größeren Akzentuierung in Richtung Sozialausgaben und Sozialpolitik. Das dritte wäre, in Israel eine saubere Politik einzuführen, wonach sich auch ein Großteil der Öffentlichkeit sehr sehnt, nach diesen letzten zwei sehr turbulenten Jahren.

    Heinemann: Wird sich Zipi Livni an die Vereinbarungen von Annapolis halten, das heißt auch keinen Ausbau der Siedlungen zulassen?

    Nathanson: Auf jeden Fall, denn Zipi Livni selbst ist diejenige gewesen, die auch die Verhandlungen mit den Palästinensern nach Annapolis geführt hat. Sie ist tief verpflichtet zu diesem Prozess und es ist auch unbedingt nötig, dass hier etwas in Bewegung kommt. Hinzu kommt noch die Frage des gefangenen Soldaten Gilad Schalit, wo es hier auch einen größeren öffentlichen Druck gibt, mit der Hamas ein Abkommen zu erzielen, um endlich den Soldaten frei zu bekommen.

    Heinemann: Herr Nathanson, Zipi Livni hat für den Geheimdienst Mossad gearbeitet, politisch eine Vergangenheit im konservativen Likud. Das klingt eher nach Falke, denn nach Taube.

    Nathanson: Ja, aber wie das auch in Israel üblich ist: Viele Falken werden zu Tauben im Laufe der Zeit, wenn sie einmal die Wirklichkeit erkennen und einsehen, dass eine dauerhafte Sicherung der Existenz Israels in der Region nur durch politische Abkommen mit unseren Nachbarländern und auch mit den Palästinensern erzielt werden kann. Von daher glaube ich, dass Zipi Livni diese Metamorphose auch durchgemacht hat, die andere Falken in der Vergangenheit gemacht haben, wie Jitzhak Rabin, wie Scharon selbst und auch wie der letzte Premierminister Olmert, der sich letztens auch mit einer Aussage geäußert hat, wo er gesagt hat, dass Israel die Vorstellung eines Groß-Israels, wo man alle Gebiete annektiert, aufgeben muss.

    Heinemann: Verfügt Frau Livni in der Kadima-Partei über eine Hausmacht?

    Nathanson: Ihre größte Macht hat sie eigentlich in der Öffentlichkeit. Ich denke, dass heutzutage die Öffentlichkeit jetzt keine Neuwahl haben möchte. Sie möchte Zipi Livni eine Chance geben, sich zu bewähren, sich zu beweisen. Das ist generell die Atmosphäre, glaube ich, von Mitte-Rechts bis hin zu den linken Parteien und sie erwähnten auch die Mehrheitspartei. Die würde auf jeden Fall eine Regierung unter Zipi Livni unterstützen. Von daher ist das eigentlich ihre große Macht. In der Partei selbst hat sie zwar jetzt eine Mehrheit gewonnen, nicht eine große Mehrheit, aber sie ist auf jeden Fall legitimiert, jetzt eine Regierung zu bilden, und ich glaube schon, dass die Partei voll hinter ihr in diesem Schritt stehen wird.

    Heinemann: Herr Nathanson, Golda Meir hat Israel bis 1973 regiert. Worin gleichen und was unterscheidet Frau Livni von der ersten Ministerpräsidentin?

    Nathanson: Golda Meir war eine eiserne Frau. Sie war dadurch charakterisiert, dass sie immer auch ein Falke war. Sie hat keine Kompromisse mit den Palästinensern in irgendeiner Form akzeptiert. Sie hat mit der Vorstellung gelebt, dass Israel stark genug ist, um auch in der Zeit die besetzten Gebiete auch längerfristig zu halten. Ich denke, Zipi Livni ist heute eine moderne Politikerin, flexibel im Denken. Sie sieht die Dinge realpolitisch. Sie ist auch sehr in Europa bekannt, hat gute Beziehungen auch in Amerika und sonst weltweit. Sie wird Israel eigentlich auch in die Richtung führen, dass man endlich eine Tagesordnung einführt, die zu einem modernen fortschrittlichen Land passt.

    Heinemann: Der Politikberater Robi Nathanson in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören nach Tel Aviv.