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Zöller hält Kassen-Kritik für unsachlich

Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller wirft den gesetzlichen Krankenkassen im Streit um die Gesundheitsreform eine Verunsicherung der Versicherten vor. Er habe kein Verständnis für Kritik am geplanten Gesundheitsfonds, wenn den Kassenvertretern dessen genaue Ausgestaltung noch nicht bekannt sei, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete. Die Kassen seien aufgefordert mitzuhelfen, dass durch den Fonds ein Abbau von Bürokratie erreicht wird.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Gestern traf Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen. Heute sind noch einmal Vertreter einzelner Kassen an der Reihe. Trotz stundenlanger Diskussionen blieb der Streit aber bestehen. Die gesetzlichen Kassen planen Aktionen, in denen sie die beschlossenen Eckdaten zur Gesundheitsreform hart kritisieren. Gesundheitsministerin Schmidt spricht ihnen das Recht dazu ab. Sie dürften lediglich ihre Mitglieder über neue Gesetze informieren, so die Ministern. Nun soll ein formelles aufsichtsrechtliches Gespräch die Rechtslage klären. Am Telefon ist nun der Gesundheitsexperte und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Wolfgang Zöller. Guten Morgen, Herr Zöller!

    Wolfgang Zöller: Grüß Gott, Frau Engels!

    Engels: Mal ehrlich, ist das nicht ein Sturm in einem ziemlich kleinen Wasserglas?

    Zöller: Also ich verstehe die Aufregung nicht. Allerdings verstehe ich auch nicht, was die Kassen vorhaben. Uns liegen ja dann auch die Informationen vor, die die Kassen ihren einzelnen Vorständen zukommen lassen, und wenn man da regelrecht von Plänen ausgehen, die ja generalstabsmäßig angelegt sind. Angefangen von Dramaturgie und Ablauf von Veranstaltungen, dann wenn die Leute aufgefordert werden, sie sollen versuchen, noch andere Gruppen mit einzubinden, damit der Eindruck vermindert wird, dass es nicht nur um originelle oder orginäre Kasseninteressen geht. Und wenn dann noch davon gesprochen wird, sie können Referenten einladen, die Reisekosten und die Honorare werden übernommen, und das alles mit Versichertengelder, da habe ich kein Verständnis.

    Engels: Sie stehen also voll hinter der Ministerin?

    Zöller: Selbstverständlich.

    Engels: Weshalb ist es denn so wichtig, was die Kassen öffentlich sagen, denn kritisiert wird die Gesundheitsreform doch sowieso, nicht zu letzt auch von ihren Parteifreunden?

    Zöller: Also ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn jemand etwas kritisiert. Nur die Kritik muss natürlich auch sachlich sein. Wenn Dinge kritisiert werden, wenn zum Beispiel behauptet wird, da werden zigtausend Stellen, da werden Leute auf die Straße gesetzt, durch überbordende Bürokratie, und wenn man dieselben Leute fragt, ja wie sieht denn überhaupt der Gesundheitsfonds aus? Ja, das wissen wir noch nicht genau. Sie wissen nicht, wie er aussieht, tun aber so viele Leute verunsichern mit ihren Arbeitsstellen, da habe ich wenig Verständnis dafür. Nämlich sie sollen sich mehr darum kümmern, wie man diesen Gesundheitsfonds so gestalten kann, dass er weniger Bürokratie bedeutet wie die jetzigen Einzugsverfahren, und das ist möglich.

    Engels: Da sind wir bei einem Stichwort. Ihre CSU-Parteifreundin, die bayerische Sozialministerin Christa Stewens, hat genau zur Gestaltung des Gesundheitsfonds einen Vorschlag gemacht. Laut dem Magazin "Der Spiegel" sollen die Krankenkassen weiterhin das Recht bekommen, die Beiträge von den Versicherten dezentral einzuziehen, nur diesmal quasi im Auftrag des Gesundheitsfonds. Stimmen Sie dem zu, und würde das einen Hauptkonflikt mit den Kassen klären?

    Zöller: Genau das ist der Punkt, der doch jetzt zwischen den Fachleuten ausgearbeitet wird. Wir haben festgelegt, dass wir gesagt haben, der Beitragseinzug erfolgt dezentral über regional organisierte Einzugstellen. Das könnten zum Beispiel auch Gemeinschaftsunternehmen der Krankenkassen sein. Im Übrigen gibt es in Deutschland schon Krankenkassen, die über mehrere Kassen hinweg diese Einzugsverfahren durchführen und dadurch, und das ist für mich auch ein wichtiger Punkt, bis zu 20 Prozent an Verwaltungskosten sparen. Und wenn wir durch dieses vereinfachte Verfahren, wie wir das in der Fondslösung vorsehen werden, auch noch Verwaltungskosten einsparen können, ist mir das nur Recht. Ich gebe nämlich lieber Geld aus für die Versorgung der Versicherten wie für die Verwaltung.

    Engels: Aber behalten dadurch die Kassen nicht doch die Kontrolle über die Finanzen, also die Mitgliedsbeiträge? Und die wollte man ihnen doch eigentlich entziehen, um sie zum Sparen zu zwingen.

    Zöller: Nein. Das kann man ja so organisieren, dass diese Leute für den Fonds zuständig sind. Solche Konstruktionen gibt es in der Wirtschaft auch schon.

    Engels: Herr Zöller, Ministerpräsident Peter Müller aus dem Saarland, immerhin Mitglied ihrer Schwesterpartei CDU, kritisiert nun auch andere Elemente der Eckdaten der Gesundheitsreform. Er möchte die geplante Beitragserhöhung von mindesten 0,5 Prozentpunkten ab kommendem Jahr verhindern. Ziel müsse es sein, Beitragserhöhungen zu vermeiden. Sehen Sie da auch noch Chancen?

    Zöller: Ja, ich würde Herrn Müller unterstützen, wenn er uns dazu behilflich ist, dass wir zum Beispiel, wo überall Geld eingespart werden kann, im Bundeshaushalt, noch etwas dem Fonds zufließen kann, da hätte ich überhaupt keine Probleme mit. Nur: Es geht schlecht, auf der einen Seite zu beschließen, dass der Bundeszuschuss gekürzt wird, und auf der anderen Seite sagen, seht mal zu, wie ihr das Geld zusammenbringt. Wir haben jetzt eine Reform gemacht, die im Jahr 2007/ 2008 ihre Wirkung haben wird und auch große Einsparpotenziale erschließt, nur das wird nicht schon im Jahr 2007 sein können. Deshalb mussten wir diesen unliebsamen Schritt gehen, 0,5 Beitragssatzpunkte anheben. Ich kenne keinen Politiker, der das gern gemacht hat. Nur jeder, der das verhindern will, muss auch sagen, wo die 5fünf Milliarden herkommen.

    Engels: Das heißt, Herr Müller fällt Ihnen in den Rücken?

    Zöller: Ach, ich habe Verständnis dafür, dass der eine oder andere Länderministerpräsident vielleicht versucht, seine Interessen in seinem Land vielleicht zu vertreten, dafür ist er auch gewählt worden. Aber wir als Bundespolitiker müssen sehen, wie wir den ganzen Laden zusammen halten.

    Engels: Nun gibt es auch neuen Streit um die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern. Geplant ist ja laut der Eckdaten, dass diese Mitverscherung, diese beitragsfreie Mitversicherung, nach und nach über Steuern finanziert werden soll, und die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner sagte der "Berliner Zeitung" nun, dass Kinder von Privatversicherten nicht über Steuerzuschüsse beitragsfrei gestellt werden sollen. Und Sie selbst, Herr Zöller, halten Verfassungsbedenken dagegen. Welche?

    Zöller: Ja das ist doch für mich vollkommen klar. Wenn zum Beispiel alle Leute über ihre Steuern die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder finanzieren, dann müssen auch die Kinder der in der Privatversicherung versicherten natürlich auch den gleichen Betrag erhalten, wie die in der gesetzlichen Krankenversicherung. Und zwar, ich stelle mir Folgendes vor: Wenn es uns gelingt, diese 14 bis 16 Milliarden, die die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder kosten werden, - das bedeutet, dass pro Kind in der Größenordnung 69 Euro dafür benötigt werden -, dann muss das in der Gesetzlichen, wie in der Privaten bezahlt werden. Was die Kollegin Ferner vielleicht gemeint hat, ist, dass die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder in der Gesetzlichen, wie in der Privaten gewährleistet sein soll. Das kann nicht sein, dann müssten ja die Privaten wesentlich mehr bekommen. Ich stelle mir vor, dass für jedes Kind dann der gleiche Betrag dann bei der Versicherung ankommt. Zum Beispiel, wenn man wir die volle beitragsfreie Mitversicherung der Kinder finanzieren wollen, wären das 69 Euro pro Kind in der Gesetzlichen, allerdings dann auch pro Kind in der Privaten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir da Unterschiede zwischen den Kindern machen.

    Engels: Frau Ferner sagt aber, man wolle die privaten Kassen jetzt nicht noch attraktiver machen, und man könne Verfassungsklagen der privaten Kassen verhindern, indem man das Geld an die gesetzlichen Kassen einfach als allgemeinen Bundeszuschuss gibt. Gehen Sie da mit?

    Zöller: Wenn sie sagt, im ersten Schritt, wo wir mit 1,5 Milliarden und 3 Milliarden anfangen, das als allgemeinen Bundszuschuss ansehen, sehe ich das richtig so sehe ich das genau so wie die Frau Ferner. Nur wenn wir die komplette beitragsfreie Mitversicherung der Kinder haben, dann bleibt uns gar nichts anderes übrig. Das halte ich auch aus Gerechtigkeitsgründen für notwendig. Das hat nichts damit zu tun, dass ich die Private da lukrativer mache. Das ist einfach ein Gerechtigkeitsproblem.

    Engels: Werden Sie sich da noch einigen? Denn die SPD ist ja deutlich anderer Meinung als die CSU in diesem Punkt.

    Zöller: Ach, ich glaube, da sind wir nicht anderer Meinung. Ich hatte vorgestern ein Gespräch mit der Gesundheitsministerin. Da werden wir uns auch einigen.

    Engels: Besten Dank. Wolfgang Zöller war das. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der CDU-CSU-Bundestagsfraktion und Gesundheitsexperte. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Zöller: Bitteschön, schönen Tag noch.