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Zöller: Klare Regelung durch Behandlungsvertrag im Gesetz

Das geplante Patientengesetz sieht vor, dass gesetzliche Krankenkassen bei Verdacht auf Behandlungsfehler ein kostenloses Gutachten erstellen, sagt Wolfgang Zöller (CSU). Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung ergänzt, dass der Patient damit seine Erfolgsaussichten bei einem Rechtsstreit abschätzen könne.

Friedbert Meurer im Gespräch mit Wolfgang Zöller | 28.09.2012
    Friedbert Meurer: Jeder macht mal einen Fehler, privat oder im Beruf - der Mensch ist halt nicht perfekt. Auch Ärzte machen natürlich Fehler. Das Problem ist, in diesem Fall können die Folgen gravierend sein. Experten schätzen, jedes Jahr sterben mehrere Tausend Patienten in Deutschland, von über 17.000 ist sogar die Rede, weil ihr Arzt einen Fehler gemacht hat: einen Fehler bei der Operation, eine falsche Diagnose oder was auch immer. Im Bundestag wurde heute ein Gesetz beraten, das Patienten oder ihre Angehörigen in solchen Fällen helfen soll.
    Wolfgang Zöller ist Patientenbeauftragter der Bundesregierung, eben im Beitrag war schon kurz die Rede von ihm. Guten Tag, Herr Zöller!

    Wolfgang Zöller: Grüß Gott, Herr Meurer!

    Meurer: Bevor wir uns über das Gesetz, den Gesetzentwurf unterhalten, haben Sie irgendeinen Ärztefehler, an den Sie sich erinnern, einen Kunstfehler, der Sie in den letzten Jahren besonders erschreckt hat oder der Ihnen aufgefallen ist?

    Zöller: Ja, da liegt mir folgender Fall vor: Es kam zu einer Beinamputation und man hatte die Markierung des Beines auf dem Thrombosestrumpf vorgenommen und hat wohl vergessen, dass bei der Operation der Strumpf ausgezogen wird, und dann wurde das verkehrte Bein amputiert. Das war einer der krassen Fälle, die uns bekannt wurden.

    Meurer: Ein ziemlich schrecklicher Fall. Wie ist das dann rechtlich ausgegangen? Wissen Sie das?

    Zöller: Nein. Wie das rechtliche Verfahren ausgegangen ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber hier ist es so eindeutig, das ist ein grober Behandlungsfehler. Da gibt es, glaube ich, keine Diskussion.

    Meurer: Was soll mit dem Gesetz jetzt besser werden?

    Zöller: Ja mit dem Gesetz wird etliches besser. Deshalb bin ich auch ein bisschen verärgert, dass man das Gesetz ein bisschen kleinredet. Zunächst einmal: Wir haben unwahrscheinlich viele gesetzliche Regelungen, Richtersprüche in unterschiedlichen Gesetzen, niemand blickt mehr durch und das wird jetzt zusammengefasst. Und was wesentlich ist: Es wird in einem Behandlungsvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch jetzt klar geregelt. Der Patient weiß bescheid, die Ärzte, die am System beteiligten wissen künftig bescheid, welche Rechte und Pflichten auf den einen oder anderen zukommen.

    Meurer: Und haben die vorher nicht bescheid gewusst?

    Zöller: Ja wenn da zum Beispiel ein Patient bescheid wissen wollte, der musste googeln, der musste schauen, wo war irgendwie ein Landesgericht, das etwas anders entschieden hat. Wir haben ja gerade im Gesundheitswesen sehr viele Richtersprüche, die dann sich weiterentwickelt haben, und das wird jetzt alles im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Das ist wesentlich transparenter für die Patienten. Und natürlich auch, was wichtig ist: Wir haben bestimmte Bereiche, wo es eine Beweislastumkehr gibt. Die ist jetzt auch gesetzlich geregelt.

    Meurer: Aber nur in den schweren Fällen, heißt es. Erschreckend ist ja die Zahl, wenn sie stimmt, dass Experten sagen, jährlich sterben 17.000 Menschen in Deutschland an ärztlichen Kunstfehlern. Dann fragt sich ein Patient, was wird jetzt besser für mich, dass ich dem Arzt das auch nachweisen kann?

    Zöller: Ja für einen Patienten wird Wesentliches besser dadurch, dass wir jetzt gesetzlich regeln, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen verpflichtet werden, mit einem medizinischen Gutachten, das für den Patienten kostenlos ist, dem Patienten beizustehen.

    Meurer: Kann ich das jederzeit beantragen und die Krankenkasse muss das dann bewilligen?

    Zöller: Jawohl! Wenn unser Patientenrechtegesetz durchgeht - und davon gehe ich aus -, kann dann ab 1. Januar jeder Patient, der den Verdacht auf einen Behandlungsfehler hat, sich an seine Krankenkasse wenden. Die wird ihm dann ein medizinisches Gutachten erstellen müssen.

    Meurer: Wenn das Gutachten dann so ausfällt, ja, es gab einen Fehler, was ist dann?

    Zöller: Ja, dann hat doch der Patient wesentlich größere Chancen, das in einem Gerichtsprozess dann auch umzusetzen. Bisher ging er ja immer das Risiko ein, wenn ein medizinisches Gutachten so unklar war, war es wirklich ein Fehler oder nicht, dann hat sich das Verfahren über Jahre hingezogen. Aber wenn er künftig ein medizinisches Gutachten von der Kasse bekommt, kann er gemeinsam abschätzen, rentiert es sich, ist es sinnvoll, wie groß sind meine Erfolgsaussichten.

    Meurer: Es kommt immer zum Prozess?

    Zöller: Es gibt natürlich auch noch andere Möglichkeiten, jetzt schon, dass man zum Beispiel über Schiedsstellen sich einigt. Bei den Schiedsstellen, da haben wir ja auch die Länder gebeten, sie sollen hergehen, sollen in die Schiedsstellen Patientenvertreter mit aufnehmen, damit die Schiedssprüche noch akzeptabler werden. Auch in diesen Fällen kann dann zeitnah entschieden werden.

    Meurer: Der Bundestag berät heute, hat beraten in erster Lesung ein neues Gesetz: das neue Patientenrechtegesetz. Darüber sprach ich mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Wolfgang Zöller. Schönen Dank und auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.