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Zoff in der SPD
Gabriel und sein Mitgliederentscheid

Sollte sich die Bundeswehr irgendwann auch an direkten Kampfhandlungen in Syrien beteiligen? Vor einer Woche hatte Sigmar Gabriel angekündigt, die Parteimitglieder dazu zu befragen, sollte das Thema irgendwann aktuell werden. Dieser Vorstoß wiederum sorgt jetzt in der Fraktion für Unmut.

Von Volker Finthammer | 18.12.2015
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (picture alliance / dpa / TOBIAS SCHWARZ)
    Das eine tun ohne das andere zu lassen, beschreibt in diesen Tagen einmal mehr die Gratwanderung, die die Sozialdemokraten in der Frage der möglichen Reichweite des Syrien-Mandats beschreiten. Zwar steht die Frage offiziell noch gar nicht zur Debatte. Doch mit seinem unerwarteten Vorstoß für einen Mitgliederentscheid auf dem SPD-Parteitag vor einer Woche hat der SPD Vorsitzende Sigmar Gabriel das Fass ins Rollen gebracht, das ihm jetzt über die eigenen Füße Rollen könnte.
    Denn Gabriel hatte im Vorfeld offenbar nur die scheidende SPD-Generalsekretärin und Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Kenntnis gesetzt und dessen Bedenken nicht am Ende berücksichtigt. Der Unmut der Fraktion ließ nicht lange auf sich warten: Fraktionsgeschäftsführerin Christina Lamprecht etwa betonte unmissverständlich, dass so ein möglicher Beschluss kein imperatives Mandat für die Bundestagsfraktion darstellen könne. Daran gibt es formal auch nicht die geringsten Zweifel. Denn nach dem Grundgesetz sind die Abgeordneten des deutschen Bundestags an Aufträge und Weisungen von wem auch immer nicht gebunden und dürfen frei nach ihrem Gewissen entscheiden.
    Ob gewollt oder nicht: Gabriel hat Debatte über mögliche Bodentruppen in Syrien eröffnet
    Klar ist aber auch, dass diese Theorie in der gelebten Praxis oft genug dem Druck des Fraktionszwangs weichen muss. Aber dahinter steckt in der Regel eine Entscheidungsprozess in der Fraktion und nicht ein Mitgliederentscheid der Partei.
    Gabriel selbst verschuldetes Dilemma besteht deshalb viel stärker in der politischen Dimension, die er mit diesem Vorstoß eröffnet hat. Denn der SPD-Vorsitzende hat damit eine Debatte über mögliche Bodentruppen in Syrien eröffnet, die sonst noch keiner öffentlich führt. Auch dafür muss sich der SPD-Vorsitzende einiges an Kritik gefallen lassen. Im Deutschlandfunk hat der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner Gabriels Vorstoß am morgen als eine quasi proaktive Vorgehensweise verteidigt und den möglichen Sachzwang für die SPD Fraktion beiseite geschoben:
    "Wenn die SPD sagt, es gibt keine Bodentruppen in Syrien, dann wird ein solcher Antrag in den Bundestag nicht kommen durch eine Bundesregierung, an der wir beteiligt sind. Insofern stellt sich dann die Frage gar nicht. Gibt es Einsatzentscheidungen im Deutschen Bundestag, dann zählt die Gewissenfreiheit, das hat niemand auf ( ... ) und noch mal der Bundesvorsitzende der SPD dem Vizekanzler, dem muss man das Grundgesetz nicht erklären, das weiß er schon selbst, das war auch nicht gemeint. Es geht aber darum, dass nicht einfach eine Entwicklung an der SPD vorbeiläuft, wo dann plötzlich etwas in den Bundestag kommt."
    Folgt man dieser Interpretation dann würde es sich tatsächlich um ein Missverständnis handeln, weil der Koalitionspartner SPD sich natürlich in jeder für die Regierungskoalition anstehenden Frage eine klar definierte Haltung und Meinung entwickeln dürfte auch über einen Mitgliederentscheid. Ein entsprechender Beschluss wäre für die SPD auch bindend und könnte sie in der Regierungsbeteiligung auch vor eine Zerreißprobe stellen. Aber das wäre lange, bevor es um einen möglichen Beschluss im Bundestag gehen würde. Da bislang aber keine entsprechenden Pläne bekannt geworden sind, hat sich der SPD-Vorsitzende mit seiner wohlmeinenden Absicht bislang wohl eher sich selbst geschadet.