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Zu den personellen Erneuerungen in der CDU

DLF: Der Name Friedrich Merz, er fiel gerade im Bericht von Peter Quay, der 42jährige wird also als möglicher Nachfolger von CDU-Generalsekretär Peter Hintze gehandelt, und ihn begrüße ich nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Merz!

    Merz: Guten Morgen, Herr Capellan!

    DLF: Herr Merz, in diesen Tagen wird wieder einmal viel von den "Jungen Wilden" in der Union gesprochen. Würden Sie sich auch zu diesen Leuten zählen wollen?

    Merz: Naja, also ich habe von diesen Kategorien nie viel gehalten. Wir haben eine Gruppe von etwa zehn bis 15 jungen 40 bis 45jährigen in der CDU, sowohl in den Ländern als auch in der Bundestagsfraktion, die sich zutraut, Führungsaufgaben in der Union zu übernehmen. Wenn Sie so wollen, sind das die "Jungen Wilden", und wenn Sie so wollen, gehöre ich dazu. Aber es kommt nicht auf die Titel an, sondern es kommt auf die Arbeit an.

    DLF: Auf jeden Fall sind Sie ein Erneuerer, ,der Spaß daran hätte, als Generalsekretär die Partei zu führen...

    Merz: Also, ich will mal zunächst klarstellen: Um dieses Amt bewirbt man sich nicht, und ich bewerbe mich auch nicht darum...

    DLF: ... Sie wurden genannt, vorgeschlagen...

    Merz: ... aber es ist allein Aufgabe des zukünftigen Parteivorsitzenden, den Generalsekretär vorzuschlagen und dem Parteitag zur Wahl zu stellen. Ich persönlich muß sagen, ich kann mir gut vorstellen, in der Bundestagsfraktion zu bleiben, dort in der Steuer- und Finanzpolitik zu arbeiten - Das wird in der nächsten Legislaturperiode ein spannendes Thema werden. Das habe ich in den letzten vier Jahren gemacht, und das würde ich auch gerne fortsetzen. Also nochmal: Das ist Aufgabe des Parteivorsitzenden, hier einen Vorschlag zu machen, wobei ich mir schon vorstellen kann, daß es bei der Besetzung des Bundesvorstandes - auch bei der Besetzung des Präsidiums der CDU zusätzliche Bewerbungen gibt aus den Reihen der Jüngeren. Der Parteitag muß eine Entscheidung haben. Ich halte überhaupt nichts davon, daß dem Parteitag - so wie das in dem Beitrag Ihres Kollegen eben anklang - eine fertige Liste vorgelegt wird, die dort nur noch mit Beifall bedacht wird, und dann die Delegierten wieder nach Hause fahren. Es muß eine Wahl stattfinden, und eine Wahl setzt voraus, daß mehr Bewerber vorhanden sind als Plätze im Präsidium.

    DLF: Dem entnehme ich, daß es Sie auch möglicherweise geärgert hat, daß Helmut Kohl gewissermaßen mit der Attitüde eines Monarchen seinen Nachfolger selbst bestimmte, nominierte: Wolfgang Schäuble.

    Merz: Also, zumindest hätte ich mir vorstellen können, daß das auch ohne einen solchen Vorschlag gut gewesen wäre. Aus meiner Sicht ist es richtig, daß Wolfgang Schäuble Parteivorsitzender wird und in Personalunion Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Alles weitere, was dann kommt, ist eine Entscheidung, die der zukünftige Parteivorsitzende nachhaltig mit beeinflussen muß. Und ich will das ganz klar sagen: Hier kommt es nicht auf persönliche Karrieren an, sondern es kommt darauf an, daß wir eine gute Mannschaft haben, und zwar sowohl im Parteivorstand und im Präsidium der CDU als auch in der Führung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ich denke mal, daß es eine gute Chance ist, jetzt wirklich eine Erneuerung der Partei und der Fraktion durchzusetzen. Aber das heißt nicht tabula rasa, sondern das heißt, daß man mit einer guten Mannschaft aus älteren, bewährten Kolleginnen und Kollegen genauso wie mit jüngeren antritt auf beiden Ebenen, und daß man dann die Opposition wirklich annimmt und Opposition macht.

    DLF: Inwieweit wird denn Helmut Kohl in dieser Mannschaft noch mitspielen können?

    Merz: Also, ich könnte mir vorstellen, daß er Ehrenvorsitzender der Partei wird. Das hielte ich nach seinen Verdiensten - 25 Jahre Parteivorsitzender, 16 Jahre Bundeskanzler - auch für richtig. Das ist allerdings mehr Ehre als Vorsitz.

    DLF: Herr Merz, weder Schäuble noch Rühe - das kann man wohl sagen - symbolisieren einen Generationenwechsel in der Partei, sie gelten eher als Übergangsverwalter, die der Partei aus der Krise helfen sollen, etwa so wie es Hans-Jochen Vogel seinerzeit auch bei der SPD getan hat, oder würden Sie das anders bewerten?

    Merz: Ich sehe das nicht so, daß das Übergangskandidaten sind. Beide sind Anfang, Mitte 50 und es geht jetzt zunächst einmal darum, daß wir die personelle, auch die sachliche Neuordnung der Union vornehmen. Dafür könnte ich mir überhaupt kein besseres Gespann vorstellen als Wolfgang Schäuble und Volker Rühe. Und alles Weitere, was dann kommt, sieht man später. Ich halte nichts davon, jetzt schon über Kanzlerkandidatur von 2002 zu spekulieren oder andere Dinge. Es geht jetzt darum, daß wir uns in der Opposition gut formieren, eine gute Mannschaft haben und Teamgeist zum Ausdruck kommt und in diesem Teamgeist zum Ausdruck kommt, daß wir nicht die Variante der rot-grünen Regierung sondern die Alternative sein wollen. Alles, was dann kommt, das sollte man später diskutieren. Ich halte im übrigen auch nicht viel davon, daß das nun alles personifiziert wird. Die CDU hat ein gutes Grundsatzprogramm, wir haben ein gutes Zukunftsprogramm gemacht für die nächsten Jahre in Deutschland. Dieses Programm war gut und richtig und das müssen wir auch in Zukunft gut vertreten. Wenn wir dafür die richtige Mannschaft haben, habe ich keinen Zweifel, daß wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen.

    DLF: Nun wird aber auch aus den eigenen Reihen eine programmatische Erneuerung der Partei gefordert. Heiner Geißler etwa hat gesagt, die Partei müsse ihr Profil als Volkspartei wieder schärfen. Würden Sie das als Generalsekretär so angehen wollen?

    Merz: Also ich spreche hier nicht als Generalsekretär, ich spreche auch nicht als Generalsekretärkandidat sondern ich spreche hier als gewählter Abgeordneter Friedrich Merz, der dem letzten Deutschen Bundestag auch schon angehört hat. In dieser Funktion sage ich: Das Programm, das wir haben ist richtig, wir haben auch die richtigen politischen und insbesondere die richtigen wirtschaftspolitischen Konzepte gehabt. Ich bin sehr dafür, daß wir darüber sprechen, wie man das besser vermitteln kann. Es hat in der Tat eine ganze Reihe von Kommunikationsproblemen gegeben. Daß wir eine soziale und eine christliche Partei gleichermaßen sind ist unbestritten. Und das Programm, das wir haben, ist eine gute Basis auch für die Arbeit in der Opposition. Einen Korrekturbedarf sehe ich hier nicht.

    DLF: Nun sagt aber zum Beispiel Reiner Eppelmann, der CDA-Chef, das soziale sei der Partei aus den Augen verlorengegangen, und tatsächlich muß man doch wohl sagen, daß etwa Kürzungen bei der Lohnfortzahlung und auch die Gerechtigkeitslücke bei Steuervorhaben - das war ja Ihr Thema immer - daß dies wohl mit beigetragen hat zum Wahldebakel der Union.

    Merz: Ich will zunächst mal darauf hinweisen, daß wir alle Beschlüsse, die wir in der letzten Legislaturperiode getroffen haben, einstimmig in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion getroffen haben ...

    DLF: Deswegen könnten sie ja trotzdem falsch gewesen sein.

    Merz: Ich glaube, daß das, was wir in der letzten Legislaturperiode gemacht haben, dem Grunde nach schon richtig war. Man kann darüber reden, ob wir es hätten besser vermitteln müssen. Da bin ich in der Tat der Auffassung, hat es Defizite gegeben. Wir haben den Menschen viel zugemutet und ziemlich wenig erklärt. Wenn dort ein Korrekturbedarf gesehen wird, dann schließe ich mich dem an. Aber grundsätzlich jetzt in Frage zu stellen, was wir gemacht haben, das hielte ich für falsch. Das alles ist sorgfältig überlegt, sorgfältig diskutiert, gemeinsam beschlossen worden. Das sollte auch die Grundlage für unsere Politik in den nächsten Jahren sein. Wie gesagt: Vermitteln, erklären: ja. Wir leben in einer Medien- und Kommunikationsgesellschaft, hier Defizite zu sehen, fällt mir überhaupt nicht schwer, im Gegenteil. Aber nun den grundsätzlichen Korrekturbedarf für die Politik der Union anzumelden, das trifft nicht auf meine Zustimmung.

    DLF: Das sehen allerdings manche Parteifreunde anders, da wird auch schon vor einer "Sozialdemokratisierung" der Partei gewarnt. Rita Süssmuth befürchtet sogar einen Richtungsstreit über die Sozial- und Wirtschaftspolitik der CDU. Also da könnte einiges auf Sie zukommen.

    Merz: Sehen Sie, das Wort "Sozialdemokratisierung" meldet den Korrekturbedarf von der anderen Seite an, und das zeigt ja doch offensichtlich, daß wir als christliche Volkspartei in der Mitte richtig positioniert sind. Natürlich gibt es in einer so großen Volkspartei, die den Anspruch erhebt, mindestens die Hälfte der Bevölkerung zu repräsentieren, Spannungen, das ist gar keine Frage. Aber diese Spannungen muß eine Volkspartei aushalten, sie muß sie ausdiskutieren und sie muß sie dann auf einer gemeinsamen Grundlage in praktische Politik umsetzen. Ich finde, das ist uns in den letzten Jahren gut gelungen, auch wenn manches Defizit in der Kommunikation dabei war. Ich sehe keinen grundsätzlichen Korrekturbedarf. Wir können auf dem weiterarbeiten und weitermachen. In der Opposition wird das mindestens genauso spannend wie in der Regierung.

    DLF: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz heute morgen im Deutschlandfunk, ich danke Ihnen. Auf Wiederhören!