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Zu viel des Guten

Eisenmangel ist eine bekannte Erscheinung. Die Betroffenen sind meist blass, fühlen sich schlapp und müde. Dass es aber auch ein Zuviel an Eisen im Körper geben kann, wissen nur wenige.

Von Renate Rutta | 15.02.2011
    "Ich hatte große Gelenkbeschwerden und zwar in den Knien und die sollten rühren von meiner ausgeprägten Sporttätigkeit."

    Renate Fritsch hörte also auf, regelmäßig zu joggen. Doch ihre Beschwerden wurden schlimmer. Bald taten ihr fast alle Gelenke weh. Im letzten Jahr musste sie sogar an der Hüfte operiert werden.

    "Ich musste einen künstlichen Hüftersatz haben und ich hatte den Operateur gebeten, das doch pathologisch zu untersuchen, ob Eisenablagerungen zu finden sind. Das hat sich leider bestätigt, also in der herausgenommenen eigenen Hüfte hat man im Knochen Eisenablagerungen gefunden."

    Eisenmangel kommt häufig vor und ist bekannt. Menschen sind dann blass, fühlen sich schlapp und müde. Dass es aber auch ein Zuviel an Eisen im Körper geben kann mit weitreichenden Folgen wie Ablagerungen in Organen und Gelenken, das wissen nur wenige.

    Wenn die im Blut gemessenen Eisenwerte zu hoch sind, kann das beispielsweise an einer akuten Hepatitis liegen, an Eisenverwertungsstörungen oder an einer Eisenüberladung.
    PD(Privatdozent) Dr. Karl-Anton Kreuzer von der Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln:

    "Eisenüberladung lässt sich pragmatisch definieren. Es beschreibt den Zustand, wo überschüssiges Eisen sich in wichtigen Körperorganen ablagert. Das sind typischerweise die Leber, das Herz, aber auch viele Drüsen, wie zum Beispiel die Bauchspeicheldrüse. Und all diese Organe können langfristig in ihrer Funktion eingeschränkt werden durch diese Eisenüberladung."

    Eisenüberladung macht sich oft erst dann bemerkbar, wenn bereits sehr viel Eisen im Körper abgelagert ist.

    "Das führt bei den angesprochenen Organen zur Funktionseinschränkung, das heißt, eine Herzschwäche kann die Folge sein oder ein Diabetes mellitus, weil die Bauchspeicheldrüse überladen ist mit Eisen. Auch die Leberfunktion kann Schaden nehmen durch zu viel Eisen."

    Entsprechend vielfältig können die Symptome ausfallen – je nachdem, welches Organ betroffen ist.

    "Ein typischer Ausdruck von Herzschwäche ist Wassereinlagerung in den Beinen, ein typisches Symptom für Diabetes ist starker Durst und häufiges Wasserlassen, ein typisches Symptom für Lebererkrankungen ist eine sogenannte Gelbsucht. Schilddrüsenfunktionsstörungen mit schnellem Herzschlag zum Beispiel können ebenfalls Ausdruck sein einer ausgeprägten Eisenüberladung."

    Wie wird eine Eisenüberladung festgestellt? Verschiedene Blutwerte und bildgebende Untersuchungen von Leber, Herz und Milz geben Auskunft. Professor Stephan vom Dahl, Klinik für Innere Medizin am St. Franziskus Hospital Köln:

    "Ein hoher Eisenwert im Blut an sich ist nicht besonders aussagefähig, sondern nur in Verbindung mit anderen Laborwerten. Ein wichtiger Laborwert ist das sogenannte Ferritin. Das ist ein Blutwert, der uns etwas über den Eisenbestand des Körpers aussagt. Es gibt dann noch die sogenannte Transferrinsättigung. Das sagt uns etwas aus, ob das Transporteiweiß in einem hohen Maße mit Eisen besetzt ist. Und diese drei Werte Eisen, Ferritin und Transferrinsättigung können uns einen guten Hinweis geben, ob bei dem Patienten eine Eisenstoffwechselstörung besteht."

    Worin liegen nun die Ursachen für das Zuviel an Eisen im Körper?Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder liegt eine angeborene Stoffwechselerkrankung vor, bei der der Körper zu viel Eisen ablagert oder es handelt sich um eine sogenannte sekundäre Eisenüberladung durch Erkrankungen, die mit Bluttransfusionen behandelt werden. Zunächst die angeborenen Eisenstoffwechselerkrankungen:

    "Die wichtigste angeborene Eisenstoffwechselstörung ist die Hämochromatose. Das ist eine Störung, die darauf beruht, dass die Eisenaufnahme aus dem Darm, die normalerweise nur mit niedrigem Tempo arbeitet, aufgrund unserer Gene auf eine hohe Aufnahme geschaltet ist."

    Der Körper nimmt also viel mehr Eisen aus der Nahrung auf als er benötigt. Bei etwa jedem 200. Einwohner Deutschlands kann die Hämochromatose ausbrechen. Ungefähr acht Millionen Bundesbürger sind Träger dieser Krankheit und können sie weitervererben. Behandelt wird eine Hämochromatose vorzugsweise mit der Aderlasstherapie, die wie eine ganz normale Blutspende abläuft und die Eisenüberladung vermindern soll oder aber mit Medikamenten, den Eisenchelatoren.

    Auch bei Renate Fritsch stellte sich nach eingehenden Untersuchungen heraus, dass ihre Gelenkbeschwerden durch eine Hämochromatose verursacht werden.

    "Betroffen sein können auch die Gelenke. Vor allen Dingen große Gelenke sind bei Patienten mit Hämochromatose oft betroffen, an denen die Patienten Ablagerungen von Eisen und dadurch Entzündungen und Abnutzungserscheinungen entwickeln."

    Außer der Hämochromatose gibt es drei weitere wichtige angeborene Störungen des Eisenstoffwechsels:

    "Eine weitere Störung des Eisenstoffwechsels, die auch in gewisser Weise genetisch determiniert sein kann, ist die Fettleber, beziehungsweise die Fettleberhepatitis, die im weitesten Sinn auch dazu gehört. Aber hier ist nicht primär im Eisenstoffwechsel etwas kaputt, sondern meist infolge der Erkrankung der Eisenstoffwechsel mit beeinträchtigt."

    Die zweite wichtige Störung des Eisenstoffwechsels, die genetisch bedingt ist, ist die Thalassämie. Sie ist vor allem unter Anwohnern und Nachkommen der Mittelmeerländer sowie in Südostasien verbreitet. Eine erblich bedingte fehlerhafte Bildung des Hämoglobins ist Ursache dieser Form von Blutarmut.

    "Hämoglobin ist unser Transporteiweiß für Sauerstoff, was auch wiederum selbst viel Eisen enthält und hier ist das Hämoglobin selbst nicht in Ordnung und dann kommt es sekundär zur Eisenüberladung. Das liegt auch an den Transfusionen, die diese Patienten regelmäßig erhalten."

    Schließlich ist auch die Sichelzellanämie eine vererbbare Erkrankung, die zur Eisenüberladung führen kann. Oft sind Menschen afrikanischer Abstammung oder aus dem Mittelmeerraum betroffen. Zu den sekundären Erkrankungen, die nicht genetisch, sondern durch Bluttransfusionen bedingt sind, gehören die Myelodysplastischen Syndrome. Es handelt sich um eine Erkrankung des Knochenmarks und damit auch des Blutes. Denn die Blutzellen werden im Knochenmark gebildet. Diese Krankheit zählt im höheren Lebensalter zu den häufigsten Bluterkrankungen und wird mit Bluttransfusionen behandelt. Jeder, der 20 bis 30 dieser Bluttransfusionen erhalten hat, nimmt viel zu viel Eisen auf. Privatdozent Dr.Kreuzer:

    "Das Problem des Eisenstoffwechsels ist, dass uns der liebe Gott ganz viele Möglichkeiten gegeben hat, Eisen aufzunehmen aber mit nur mehr oder weniger ein oder zwei sehr schwach ausgeprägten Stoffwechselwegen, das Eisen wieder loszuwerden. Ausscheiden tut man es über den Darm auch, aber die Transportmechanismen haben eine sehr niedrige Kapazität. Das heißt, sie können pro Tag nur einen geringen Teil an Eisen ausscheiden. Der ist fast nicht steigerbar, dieser Teil. Wenn sie aber die Zufuhr durch Transfusionen massiv steigern, kann das nicht durch eine Steigerung der Ausscheidungskapazität ausgeglichen werden."

    Welche Krankheit auch immer zur Eisenüberladung geführt hat, sie muss auf jeden Fall behandelt werden. Noch denken auch Ärzte zu selten daran, dass es nicht nur einen Eisenmangel, sondern auch eine Eisenüberladung geben kann.